»Du machst ja den Frosch auch noch schmutzig, laß ihn doch liegen.«
Endlich war Wietstock erreicht. Die drei Damen verließen mit bösen Blicken auf das Ehepaar und das Kind das Abteil, Frau Bender nahm Pommerle und den Koffer, stieg aus, während der Professor zurückblieb, um mit Hilfe von Zeitungspapier eine Reinigung des Abteils vorzunehmen.
Verschiedene Reisende drehten sich nach Frau Bender und der Kleinen um und lachten. Pommerle hielt den großen Frosch fest im Arm, denn auch das Gummitier brauchte notwendig eine Abreibung. Man mußte erst durch die Unterführung hindurchgehen, um zu der Wasserleitung zu gelangen, die auf dem anderen Bahnsteig angebracht war.
Nun begann eine gründliche Reinigung. Mit Hilfe von angefeuchteten Taschentüchern, die immer wieder ausgewaschen wurden, säuberte Frau Bender ihr Pflegekind.
»Einsteigen!« erscholl es.
Du liebe Zeit, man war noch lange nicht fertig. Der Koffer stand noch genau so schmutzig, wie er gewesen war, neben dem Brunnen.
»Meine Beine kleben noch mächtig, Tante.«
»Wollen Sie drüben mit dem Zuge mitfahren, dann müssen Sie sich beeilen.« Es war ein Bahnbeamter, der Frau Bender schon längere Zeit beobachtete.
Es blieb keine andere Wahl. Man mußte den kleinen, billigen Koffer einfach hier stehenlassen.
»Meine Flunder!« rief Pommerle verstört, als es mit der Tante den Bahnsteig entlang eilte. Das Kind riß sich los, eilte zurück – –
»Pommerle, Pommerle,« rief Frau Bender angstvoll.
»Beeilen Sie sich!« drängte der Beamte.
Frau Bender lief hinter dem Kinde her, das aus dem klebrigen Koffer die Flunder hervorzog.
»Laß die schmutzige Flunder darin!«
Aber Pommerle hatte das kostbare Geschenk schon ergriffen, drückte es an die Brust und rannte der Tante entgegen, die nun beide, wie gehetzt durch die Unterführung stürmten.
Professor Bender stand an der weit geöffneten Tür des Abteils und winkte schon von weitem.
Atemlos erreichten beide die Tür, die sofort hinter ihnen geschlossen wurde; man hörte die scheltende Stimme eines Bahnbeamten, dann setzte sich der Zug in Bewegung.
»Pommerle – –« Frau Bender rief es entsetzt. Von der Holzflunder tropfte der Himbeersaft herunter.
»Meine schönen Steine!« sagte das Kind kläglich, »jetzt habe ich nichts für den Jule.«
Aufs neue begann Frau Bender mit den durchnäßten Taschentüchern die Flunder abzuwischen und des Kindes Kleidchen abermals ein wenig zu säubern. Sie ersehnte Stettin, um endlich den Schaden völlig beseitigen zu können. Dort hatte man eine halbe Stunde Zeit, dann konnte sie das Kind umkleiden, denn in dieser Verfassung konnte es unmöglich nach Berlin kommen.
Die Fahrt verlief recht schweigsam. Herr Bender war verstimmt, denn seine Beinkleider klebten noch immer, und auch Frau Bender fühlte sich nicht behaglich.
Alle waren froh, als Stettin endlich erreicht war. Jetzt gelang es auch, das Kind umzukleiden, sogar Herr Professor Bender konnte sich völlig reinigen.
Die Reise wurde daher in besserer Stimmung fortgesetzt; nur Pommerle war nach wie vor recht still. Sein Sandsack war klein geworden, die schönen Steine hatte die Tante fortgeworfen, der Himbeersaft war ausgelaufen und der kleine niedliche Koffer überhaupt nicht mehr vorhanden.
Das alles waren große Verluste für das Kinderherz. Wie gut, daß es wenigstens den Gummifrosch noch hatte! Den durfte sich der Jule recht oft ansehen, dann hatte er doch auch noch eine Freude.
Pommerle lernt die Wunder der Großstadt kennen
In einem Hotel, ganz in der Nähe des Stettiner Bahnhofs, waren Benders abgestiegen. Man war am zeitigen Vormittag angekommen und sollte Pommerle sogleich nach Lichterfelde zu Wanglers bringen, damit es dort Mittag esse, denn den Nachmittag wollte man dazu benutzen, um dem Kinde die Großstadt zu zeigen.
Pommerle stand im Hotelzimmer und betrachtete staunend das Wasserbecken, das der Onkel mit warmem Wasser füllte, das er aus der Wand herausholte. Die Wasserleitung hatte das Kind längst von daheim kennengelernt; daß aber, wenn man an den Hähnen drehte, bald kaltes, bald warmes Wasser kam, war ihm etwas Unerklärliches.
»Wo wird denn das Wasser gekocht?«
Der Professor gab die Erklärung, daß im Keller des Hauses eine große Anlage sei und daß aus einem großen Kessel Röhren nach den verschiedenen Zimmern geleitet würden, durch die das Wasser käme.
Nun stand die Kleine an dem Waschbecken, drehte bald kalt, bald warm an und vergaß darüber ganz, sich zu waschen.
Endlich war auch diese Arbeit erledigt. Vom Fenster aus schaute die Kleine hinaus auf die Straße und den dort herrschenden Verkehr. Es zählte die elektrischen Bahnen, las die Schilder an den Omnibussen, rief aufgeregt die Tante heran, wenn es etwas Besonderes sah.
»Komm schnell, Tante, auf dem einen Wagen sitzt noch ein zweiter Wagen!«
Es war der zweistöckige Omnibus, der Pommerle in hellstes Erstaunen versetzte.
»Kann man da oben 'rein? Darf ich da auch fahren?«
»Jawohl, Pommerle, wenn ich dich nachher nach dem Potsdamer Bahnhof bringe, werden wir solch einen zweistöckigen Omnibus benutzen.«
»Tante – sieh doch mal den blauen Wagen!«
Es war ein leuchtend blaues Auto. Aber ehe Pommerle noch mit dem Staunen fertig war, wurde seine Aufmerksamkeit erneut abgelenkt. Auf der Straße ging ein Mohr.
»Laß mich rasch herunter, liebe, liebe Tante, ich will ihn mir genau besehen.«
»Nein, mein Kind, wir müssen uns jetzt fertig machen. Der Onkel hat einen wichtigen Gang vor, und ich bringe dich hinaus zu Wanglers. Heute abend bringt dich Frau Wangler hierher zurück.«
»Tante – Tante, sieh doch nur – –«
Pommerle wies auf dieses und jenes und wollte sich gar nicht anziehen, denn es gab unendlich viel für das Kind zu sehen. Aber schließlich verließ man doch das Hotel. Pommerle hatte es sich nicht nehmen lassen, der Gummifrosch mußte mit.
»Er will auch was sehen, Tante, und bei Hella spiele ich mit ihm.«
Man betrat die Straße, man wartete auf den Omnibus. Jeder Wagen, der angefahren kam, wurde von der Kleinen mit lautem Jubel begrüßt. Das Kind begriff nicht, warum man nicht einstieg. Aber endlich kam der rechte Wagen, man kletterte hinein.
»Tante, wir wollen die Treppe hinaufgehen, wir wollen im obersten Stockwerk sitzen. – Weiß denn der Mann, wohin wir fahren wollen?«
»Ja, Kleines.«
»Gehört der Wagen dem Herrn Ober Wangler?«
»Nein, wir fahren nur bis zum Potsdamer Bahnhof, dort steigen wir aus.«
»Dann mußt du doch dem Manne sagen, daß er uns dorthin fährt.«
»Ist schon gut, Pommerle.«
Man war hinauf in den oberen Teil des Wagens gestiegen. Es war hier ziemlich besetzt, und Pommerle drängte sich dicht an die Tante. Aber kaum hatte es seinen Platz eingenommen, da sprang es schon wieder auf.
»Tante – Tante,« rief es erregt, »dort hinter dem Glas stehen Frauen!«
Pommerle wies auf das Schaufenster eines großen Konfektionsgeschäfts. »Müssen die den ganzen Tag so ruhig dastehen?«
»Setz dich doch hin, Kind!«
Das