Im Netz des Lemming. Stefan Slupetzky. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Slupetzky
Издательство: Bookwire
Серия: Lemming-Kriminalromane
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783709939116
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„So was weiß man eben, wenn man nicht von gestern ist. Jetzt scrollen Sie endlich weiter, Wallisch.“

      Was der Lemming ohnehin bereits getan hat. „Schauen Sie her: Dreiviertel sechs, das muss die Nachricht sein.“

      An Broodalkiller – öffentlich

       von Mama 77

       14. Mai 2019, 17:43

       Nur, damit ihr wisst, mit wem ihr es zu tun habt: „Broodalkiller“ ist kein anderer als die Hasenfratze Mario Rampersberg: das Krüppelkind des Asylanten-Propagandaregisseurs und selbst ernannten Gutmenschen Kurt Rampersberg. Die Islamistenfreunde seines Vaters haben dem kleinen Trottl vor zwei Jahren die Mutter totgefickt. Schon irgenwie gerecht, dass ihn der Alte jetzt allein am Hals hat. Teilt die Nachricht fleißig weiter!

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      „Mein Gott“, flüstert Polivka, und dann, nach einer langen Zeit des Schweigens, noch einmal: „Mein Gott …“

      Der Lemming nickt nur stumm. Vor seinem inneren Auge erscheint Marios Gesicht, aus dem das Blut gewichen ist, seine entsetzten Augen – zu entsetzt zum Weinen. Ein paar kurze Zeilen haben seine Kinderseele ausgelöscht wie einen Wassertropfen, der auf einer heißen Herdplatte verdampft. Wie hätte denn der Bub diesen monströsen Angriff auch an sich abperlen lassen können? Nicht einmal den abgeklärtesten Erwachsenen ließe eine solche Nachricht kalt.

      „Und dann auch noch ein öffentlicher Kommentar“, sagt Polivka, „damit ihn alle seine Freunde lesen können. Wer um Himmels willen tut so was, wem bringt das was, ein Kind fertigzumachen?“

      „Eines, das an seinem Schicksal ohnehin schon schwer zu tragen hat“, ergänzt der Lemming. „Das Gesicht verunstaltet, die Mutter umgebracht, von seinen Schulkollegen ignoriert … Was ich nur überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist der Satz mit seinem Vater. Warum Asylanten-Propagandaregisseur und Islamistenfreunde?“

      „Wissen Sie das nicht? Haben Sie noch nichts von seinem neuen Film gehört?“ Der Chefinspektor seufzt und lässt sich wieder auf das Sofa sinken. „Dass Sie mit dem Internet nicht viel am Hut haben, weiß ich schon, seit wir uns kennen, Wallisch. Aber lesen Sie auch keine Zeitung?“

      „Doch, aber ich schaff es manchmal nicht bis zum Kulturteil“, antwortet der Lemming schuldbewusst. „Was ist mit diesem Film?“

      „Der ist vor einer Woche in den Kinos angelaufen. Und anscheinend ist er völlig anders als die altbekannten Wald- und Wiesenfilme, die der Rampersberg davor gedreht hat. Schon allein der Titel: Regen des Hasses, Traufe des Zorns.“

      „Ein Spielfilm?“

      „Eine Dokumentation. Es geht um einige Asylbewerber aus Afghanistan, um junge Männer, die nach Österreich geflohen sind.“

      „Ausgerechnet“, wirft der Lemming ein.

      „Ja, ausgerechnet. Jedenfalls, der Rampersberg begleitet sie auf ihren Wegen durch die Ämter und Behörden, filmt sie ohne große Kommentare auf der Straße und in ihren Unterkünften. Und jetzt kommt die Überraschung: Wenn man den Kritiken glauben darf, beschreibt er sie als ungebildete, zum Teil verrohte, aber auch allein gelassene, gedemütigte Menschen, junge Leute, deren Selbstwert eh schon angekratzt ist und die an der kalten Abneigung des saturierten Westens endgültig zerbrechen. Kurz gesagt, der Film bezieht eindeutig Stellung für die Flüchtlinge, und seine Botschaft lautet: Geht auf diese Menschen zu und kümmert euch um sie. Was dann der Rampersberg am Schluss auch selber tut. Er bietet einem der Afghanen vor der Kamera eine Unterkunft in seiner Wohnung an.“

      „Das ist … erstaunlich, nach dem Mord an seiner Frau.“

      „Nach Meinung unserer Medien ist es nicht nur erstaunlich, sondern provokant und pietätlos. Deshalb haben sie in den Zeitungen auch mehr über den Geisteszustand vom Kurt Rampersberg geschrieben als über die Qualität des Films. Zum Beispiel in der Reinen Wahrheit, so in der Art ‚Warum bringt ein Mann, der seine Frau auf die abscheulichste, brutalste Art verloren hat, so viel Verständnis für gerade jene Menschengruppe auf, aus der der Täter kommt?‘ Und in dem rosafarbenen Blatt, Sie wissen schon …“

      „Die Regel“, nickt der Lemming. „Nein, Das Mittelmaß …“

      „Der Maßstab, Wallisch.“ Polivka verdreht die Augen. „Dort haben sie einen Kommentar mit den sinnigen Worten Rampersbergs Stockholm-Syndrom übertitelt. Dann kommt noch das Internet dazu: Was sich seit ein paar Tagen in verschiedenen sozialen Netzwerken und Foren abspielt, können Sie sich gar nicht vorstellen. Eine Flut des Hasses, die sich da über den Rampersberg ergießt.“

      „Ein Scheißsturm.“

      „Was?“

      „Ein Scheißsturm“, insistiert der Lemming. „Den Begriff hab ich letzthin im Fernsehen aufgeschnappt.“

      „Ein Shitstorm, Wallisch. Aber abgesehen von der Bezeichnung trifft es das punktgenau.“

      „Wenn mir ein solcher Scheißsturm um die Ohren pfeifen tät, ich würd es nicht einmal bemerken. Das passiert doch alles nur im virtuellen Raum.“

      Polivka sieht den Lemming an. „So wie der Selbstmord eines elfjährigen Buben?“

      Auf dem Schaltpult liegt Marios Handy im Schimmer der Bildschirme. Die beiden Männer betrachten es schweigend.

      „Eigentlich“, murmelt der Lemming dann, „ist mir vollkommen wurscht, worum es in dem Film geht oder wen der Rampersberg in seiner Wohnung aufnimmt. Vielleicht hat er religiöse Gründe oder Freunde in Afghanistan, vielleicht haben er und seine Frau sich schon vor ihrem Tod für Asylanten engagiert. Vielleicht ist er auch einfach nur ein guter Mensch. Egal. Die Frage ist doch, was sein Sohn dafür kann. Und wer diesen unsäglichen Dreck geschrieben hat!“ So leise er am Anfang noch gesprochen hat, so laut kommen ihm jetzt die Worte aus dem Mund. Der Lemming hat sich warmgeredet, heißgeschimpft. Er ballt die Fäuste, seine Lippen zittern.

      „Das“, sagt Polivka, „ist tatsächlich die Frage. Aber eines steht schon jetzt fest: nämlich, dass nicht Sie die Antwort darauf suchen werden, sondern ich.“

      „Aber …“

      „Nichts aber, Wallisch. Oder muss ich Sie daran erinnern, dass man Sie vor zwanzig Jahren aus dem Polizeidienst rausgeschmissen hat? Sie bleiben hier und zählen in aller Ruhe Ihre Zebrastreifen oder Sie erschrecken Bären oder was Sie sonst so tun im Dienst, und ich geh auf die Jagd nach dieser Drecksau. Haben wir uns verstanden?“

      „Wo wollen Sie beginnen?“, weicht der Lemming Polivka mit einer Gegenfrage aus.

      „Begonnen hab ich schon. Bei Ihnen, Wallisch. Aber leider sind Sie keine heiße Spur. Ich muss also mit unserem IT-Experten reden …“

      „Ihrem was?“

      „Unserem Internetversteher. Aber vorher werd ich noch dem Herrn einen Besuch abstatten, der Sie bei uns denunziert hat, und ihm für den Fall, dass er noch einmal meine Zeit vergeudet, ein paar Watschen antragen. Ist das in Ihrem Sinne?“

      „Absolut, Herr Chefinspektor. Und …“ Der Lemming zögert.

      „Was und?“

      „Halten Sie mich auf dem Laufenden?“

      „Damit Sie mir ins Handwerk pfuschen können?“ Polivka steht auf. „Wir werden sehen. Es wird sich alles weisen, Wallisch.“

      Dass auf einen so verhängnisvollen Dienstag ein so katastrophaler Mittwoch folgen kann. Vom Regen in die Traufe, oder besser: von der Traufe in das Schlammbad. Ja, es ist ein Schlammbadmittwoch. Nicht einmal das Bier schmeckt heute auch nur halbwegs gut.

      „Herr Ober, bringen S’ mir ein Viertel Weißen!“, ruft der Lemming grimmig.

      „Zwei!“, fügt Chefinspektor Polivka kein bisschen freundlicher hinzu.

      Auch Polivka ist heute im Morast gelandet,