Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811488625
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Maßnahmen entfallen, lässt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nicht sofort erkennen, weil es sich auf sekundärrechtliche Zusammenhänge konzentriert.

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      Keine Nullsummenbetrachtung

      Damit wird deutlich, dass für die Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union,[55] so die Formulierung in Deutschland[56] und in Österreich[57], bzw. von Souveränitätsrechten, in der Sprache des EuGH 1963 in der Rs. Van Gend & Loos[58], eine dingliche Betrachtungsweise im Sinne einer „Weggabe“ von rechtlich-politischer Gestaltungsmacht („Souveränitätstransfer“), den Vorgang nur unzureichend erklärt. Es geht nicht um die Aufteilung eines abgegrenzten Kompetenzbestandes. Es ist nicht so, dass das, was auf der mitgliedstaatlichen Ebene an Gestaltungsmacht verschwindet, spiegelbildlich auf der europäischen Ebene erscheint und umgekehrt.[59] Auch das in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG zum Vertrag von Lissabon bemühte Bild des Mitgliedstaatenkompetenzbestandes als einer Salamiwurst, von der ein Stück nach dem anderen abgeschnitten werde,[60] liegt neben der Sache. Die europäische Kompetenzordnung lässt sich nicht mit kommunizierenden Röhren oder einem Nullsummenspiel erklären.[61] Richtig verstanden ergibt sich die unionale Kompetenzordnung aus einer Verschränkung rechtsetzender und rechtsvernichtender, letztlich immer aus dem Primärrecht abgeleiteter und sich ergänzender Grundsätze und Maßnahmen.

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      Neu entstehende Rechtsmacht

      So lässt sich auch erklären, dass durch die Mitwirkung an der europäischen Integration bestimmte Kompetenzen überhaupt erst entstehen, die so zuvor auf Mitgliedstaatenebene gar nicht vorhanden sein konnten.[62] Kein Mitgliedstaat hat alleine die Rechtsmacht, unionsweite Regelungen zu treffen. Im Zusammenwirken mit den anderen Mitgliedstaaten entsteht indessen ein Anteil an einer solchen Rechtsmacht.

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      Verfassungsunmittelbare Öffnung

      Besser als die Vorstellung einer dinglichen Übertragung und die Betonung der Bedeutung des Zustimmungsgesetzes als Brücke (Brückentheorie[63]) passt aus Sicht eines kooperativen Verfassungspluralismus[64] zu den soeben beschriebenen Kompetenzphänomenen und zu der auf Unionsebene entstandenen Hoheitsgewalt[65] die Konzeption einer verfassungsunmittelbaren Öffnung der nationalen Verfassungsordnung.[66] Auch Art. 23 GG lässt sich als genuine Öffnungsklausel interpretieren.[67] Die Vorschrift öffnet die mitgliedstaatliche Rechts- und Verfassungsordnung bereits auf Verfassungsebene für das europäische Recht, sie macht die Verfassung permeabel.[68] Der verfassungspluralistischen Hypothese folgend kennzeichnet Permeabilität aber umgekehrt auch das Primärrecht, welches in bestimmten Bereichen ein Durchgreifen bzw. Einfließen nationalen Verfassungsrechts erlaubt.[69]

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      Unterschiede in der Kompetenzbeschreibung

      Der Orientierung an „sachbezogenen Themenblöcken“[70] der Gesetzgebung im deutschen Kompetenzdenken stehen finale oder funktional ausgerichtete[71] unionale Kompetenzzuweisungen gegenüber. Aus deutscher Sicht besteht die Schwierigkeit darin, in der Diskussion über die europäische Kompetenzordnung Sachmaterien und Kompetenzthemen in Übereinstimmung zu bringen, insbesondere wenn Sachmaterien sich einzelnen Kompetenzthemen nicht eindeutig zuordnen lassen.

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      Inkongruenz der Kompetenzbeschreibungen

      So können für das Funktionieren des Binnenmarktes bedeutsame Regelungsbereiche sowohl dem Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Nr. 11 GG als auch dem Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer nach Art. 74 Nr. 4 GG unterfallen. Unionskompetenzen und nationale Kompetenzen lassen sich daher nicht als zueinander kongruente Bereiche beschreiben. Eine funktional gefasste Kompetenz der Union kann in eine Vielzahl von sachthematisch definierten Kompetenzbereichen auf Mitgliedstaatenebene einwirken. Umgekehrt kann ein auf mitgliedstaatlicher Ebene sachthematisch beschriebener Kompetenzbereich von einer Vielzahl von Rechtsakten der Union überformt werden, die auf eine entsprechende Vielzahl funktional angelegter Unionskompetenzen zurückgehen. Eine klare Aufgabentrennung nach sachbezogenen Regelungsbereichen ist deswegen zwischen Union und Mitgliedstaaten nicht erreichbar,[72] wie auch die entsprechenden Arbeitsgruppen des Verfassungskonventes letzten Endes einsehen mussten. Deswegen führt auch die Frage nach der Kompetenzsituation für das Allgemeine Verwaltungsrecht,[73] für das Verwaltungsprozessrecht oder für das Verwaltungsverfahrensrecht im Europarecht letztlich nicht weiter – weil die unionale Kompetenzordnung sich nicht an derartigen Schubladen orientiert.

      europäische Kompetenzordnung

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      Elemente der Kompetenzordnung

      Einen Überblick über die Kompetenzordnung der Europäischen Union ermöglichen seit dem Vertrag von Lissabon Bestimmungen zu Kompetenzkategorien und Kompetenzbereichen der EU in Art. 2 bis 6 AEUV (dazu I., II.). Für ein umfassendes Bild der Kompetenzverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten ist es aber erforderlich auch Kompetenzkategorien und Kompetenztitel jenseits von Art. 2 bis 6 AEUV in den Blick zu nehmen (dazu III.) und sich die Vielzahl von negativen Kompetenzbestimmungen im Europarecht zu vergegenwärtigen (dazu IV.).

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      Vorgeschichte

      Die Gründungsverträge aus den 1950er Jahren enthielten in ihrer ursprünglichen Fassung keine Auflistung der Kompetenzen, wie sie beispielsweise das Grundgesetz bereit hält, sondern beschränkten sich auf eine Beschreibung von Tätigkeitsfeldern und weit über den Vertrag verstreuten Kompetenzgrundlagen.[74] Überlegungen, die europäischen Tätigkeitsfelder transparenter zu fassen und in einer allgemeinen Auflistung oder Kompetenzcharta sichtbar zu machen, sind in der Folge immer wieder angestellt worden.[75]

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      Post-Nizza-Prozess

      Die Erklärung zur Zukunft der Union in der Schlussakte der Konferenz von Nizza vom Dezember 2000[76] wies die „Frage, wie eine genauere, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten geschaffen und ihre Einhaltung überwacht werden kann“ sowie eine „Vereinfachung der Verträge, mit dem Ziel, diese klarer und verständlicher zu machen“ als Aufgaben für eine Vertragsreform nach dem Vertrag von Nizza (sog. „Post-Nizza-Prozess“ ) aus. Ein Jahr später, im Dezember 2001, erteilte der Europäische Rat von Laeken ein entsprechendes Mandat an einen „Konvent zur Zukunft Europas“, u. a. auch für eine „bessere Aufteilung und Festlegung der Zuständigkeiten in der Europäischen Union“ Vorschläge zu erarbeiten.[77]

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      Verfassungskonvent

      Diskutiert wurden in der Folge mehrere Modelle, u. a. auch die Schaffung eines echten Kompetenzkatalogs nach dem Vorbild von Art. 71 ff. GG,[78] so die vor allem von deutscher Seite erhobene Forderung,[79] durch deren Umsetzung einer angeblichen schleichenden Kompetenzverschiebung von den Mitgliedstaaten zur EU hin Grenzen gesetzt werden sollte, bis hin zur Zurückdrängung unionalen Handelns.[80] Diese Lösung konnte sich indessen nach intensiven Beratungen in gleich zwei Arbeitsgruppen des Konvents[81] für den Vertrag über eine Verfassung für Europa (Verfassungsvertrag) nicht durchsetzen.[82] Der Umbau der Kompetenzordnung nach deutschem Muster wäre zu sehr ein Systemwechsel mit ungewissen Folgeeffekten gewesen, für dessen Notwendigkeit sich unter den Mitgliedstaaten schlicht keine Mehrheit ergab. Das Ergebnis war letztlich eine überwiegend deklaratorische Listung von Kompetenzprinzipien und -bereichen, die sich seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Dezember 2009[83] in Art. 2 bis 6 AEUV findet.

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      Lesehilfe