H. Nitschke
Hugo DonellusDonellus, Hugo (Doneau, Hugues) (1527–1591)
(1527–1591)
D., frz. Hugues Doneau, wurde am 23.12.1527 in Chalons sur Saone geboren. Er entstammte einer angesehenen Familie. Sein Jurastudium begann er in Toulouse bei Jean Coras und Arnaud du Ferrier, und setzte es 1551 in Bourges bei Eguinarius Baro und Franciscus Duarenus fort. Noch in dem selben Jahr erhielt er die Doktorwürde und eine Professur. In der Bartholomäusnacht 1572 floh der Calvinist D. unter Lebensgefahr mit Hilfe seiner Schüler aus der Stadt und rettete sich in die Schweiz. In Genf wurde er von dem pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. an die Universität Heidelberg berufen, an der er seit 1573 tätig und deren Rektor er auch zeitweise war. Als nach dem Tod Friedrichs III. dessen Sohn und Nachfolger die |119|Pfalz im Sinne der lutherischen Konfession reformierte, nahm D. einen Ruf aus Holland an und ging mit seiner Frau Suzanne Mondekens, die er 1573 in Heidelberg geheiratet hatte, 1579 nach Leiden. 1587 ergriff er Partei für den Grafen von Leicester, der Holland England unterwerfen wollte, und geriet dadurch in Konflikt mit den Generalstaaten. Er mußte im folgenden Jahr das Land verlassen und kehrte nach Deutschland zurück, diesmal auf einen Lehrstuhl an der reichsstädtischen Nürnberger Universität in Altdorf. Dort starb er 3 Jahre später am 4. Mai 1591.
„Es giebt in der juristischen Gelehrtengeschichte wenig Persönlichkeiten, bei deren Betrachtung man mit gleicher Verehrung verweilt wie bei der des Donellus“ (Stintzing). Mit D. erreicht der juristische Humanismus (mos gallicus, → AlciatAlciatus, Andreas (1492–1550)) in Frankreich einen Höhepunkt. Dabei vertritt D., anders als sein großer Zeitgenosse → CujasCujas, Jacques (Cuiacius, Jacobus) (1520–1590), dem er auch wenig persönliche Sympathie entgegenbrachte, nicht die antiquarische historisch-philologische, sondern die systematische Richtung, als deren bedeutendster französischer Repräsentant er angesehen werden kann. Sein Hauptwerk sind die seit 1589 (z.T. posthum) erschienenen „Commentarii de iure civili“. D. legt in diesen „Commentarii“ eine Gesamtdarstellung des Zivilrechts auf der Grundlage des römischen Corpus iuris civilis, vor allem der Digesten, vor. Dabei löst er sich völlig von der Bücher- und Titelfolge der Digesten und stellt den Rechtsstoff in einer frei gewählten Ordnung dar, was vor ihm in Frankreich wohl nur Franciscus Connanus (in einem allerdings Fragment gebliebenen Werk) gewagt hatte und was in Deutschland gleichzeitig – nach einigen Vorläufern – → Johannes AlthusiusAlthusius, Johannes (1557–1638) unternahm. Diese systematische Ordnung diente für D. allerdings nur zu Darstellungszwecken; der erst im späten 18. und 19. Jahrhundert (→ SavignySavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861)) aufkommende Gedanke eines „inneren Systems“, das auch Erkenntniszwecken, nämlich einer deduktiven Beweisführung aus Axiomen dient, liegt D. wie allen seinen Zeitgenossen noch fern. Gleichwohl nimmt D.s Werk durch seine Vollständigkeit und durch die bis dahin unerreichte gedankliche Durchdringung des Stoffes wohl unbestritten eine Sonderstellung unter allen vergleichbaren Versuchen des 16./17. Jh.s ein.
D. gliedert die „Commentarii“ in zwei Teile, von denen der erste das Recht selbst („ius nostrum“) und der zweite die Art und Weise behandelt, es zu behaupten („ratio iuris nostri obtinendi“). Es wird also, modern gesprochen, zunächst das materielle Privatrecht und dann das Prozeßrecht dargestellt. Bei jenem unterscheidet D. zwischen dem, was uns gehört und dem, was uns geschuldet wird („quod proprie nostrum |120|est et quod nobis debetur“); so ergibt sich die Reihenfolge Personen-, Sachen-, Obligationenrecht und, nimmt man den zweiten Teil dazu, im ganzen das Institutionensystem personae – res – actiones, das mehr oder weniger modifiziert fast allen systematischen Versuchen dieser Zeit zu Grunde liegt.
Noch wichtiger als dieses äußere System sind einzelne Lehren des D., mit denen er die Entwicklung des Privatrechts vorangetrieben hat und von denen hier nur einige genannt werden sollen. Seine Theorie des Besitzes ist von → SavignySavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) als „vortrefflich“ bezeichnet worden, ja als „die einzige, in welcher der eigentliche Zusammenhang desselben mit dem ganzen System des Zivilrechts erkannt und entwickelt ist“. D. betonte, was in der frühen Neuzeit umstritten war, daß der Besitz kein Recht ist, er sah für ihn als entscheidend den Willen zum Eigenbesitz an und betrachtete deshalb die „Detention“ etwa des Mieters nicht als Besitz. Damit nahm er wesentliche Punkte der Lehre → SavignysSavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) vorweg. Ähnliches gilt für die Doktrin vom abstrakten dinglichen Vertrag. D. knüpfte den Eigentumserwerb nicht mehr, wie es das römische Recht tut, an das Vorliegen eines Titels (etwa einen Kaufvertrag), sondern ließ die Übergabe und die bloße Vorstellung der Parteien genügen, es liege ein Titel vor. → SavignySavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) ging dann noch einen Schritt darüber hinaus, indem er das Übereignungsgeschäft in jeder Hinsicht von dem schuldrechtlichen Titel unabhängig machte – eine Lehre, die sich freilich nicht überall in Europa und auch in Frankreich gerade nicht durchgesetzt hat. D. hat auch die Rechtsfigur der beschränkt dinglichen Rechte entdeckt. Besonders bemerkenswert und in die Zukunft weisend sind Überlegungen, die D. zum Mitbegründer der Theorie des „Persönlichkeitsrechts“ machen: er stellte wohl erstmals dem Recht an äußeren Sachen das Recht jedes einzelnen an seiner Person gegenüber, das er in die Einzelrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Ansehen untergliederte.
D. hat die Rechtswissenschaft der Folgezeit zunächst wohl weniger beeinflußt, als seinem Rang entsprochen hätte; das gilt vor allem für die verflachende Rechtsliteratur des deutschen „Usus modernus“ (→ StrykStryk, Samuel (1640–1710)). Im 19. Jahrhundert hat → Savigny D.sSavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) System, das nach seinem Urteil „beste und fast einzig brauchbare“, geradezu wiederentdeckt und D.s Ruhm neu begründet.
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