Adolescentia Aeterna. Bettina Kiraly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina Kiraly
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783961731985
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Sie sah nichts als ihre wohlbekannten Züge. Sie entdeckte einige Falten weniger, eine Blässe, die von der Übelkeit herrührte, Dunkelheit in ihren Augen. Aber keine Anzeichen, dass sie ein Kind unter dem Herzen tragen könnte.

      Ihr Blick wanderte zu dem Test neben sich. Sie starrte darauf, ohne etwas zu erkennen. Dann drang die Wahrheit in ihr Bewusstsein.

      »Gib mir noch einen Test«, bat sie Mimi. Sie öffnete nur kurz die Tür, um den Test an sich zu reißen. Auch diesmal erhielt sie das gleiche Ergebnis.

      Zwei Striche. Zwei Striche! ZWEI STRICHE!!!

      Mit Entsetzen im Herzen schluchzte sie auf und schlug die Hände vors Gesicht. Sie glitt zu Boden. Was würde Jul sagen, wenn er davon erfuhr? Sie wusste nicht einmal, was sie selbst davon hielt.

      Ein Baby! Die Übelkeit drohte zurückzukehren, und sie schluchzte neuerlich auf.

      »Komm raus, Eva. Was sagt der Test?«

      Eva stand auf und öffnete die Tür. »Zwei Striche«, murmelte sie, ohne Mimi anzusehen.

      »Und wir freuen uns ganz sicher nicht darüber?«

      Sie hob den Kopf. »Wäre Jul ein normaler Mann und ich dieselbe Frau wie vor einem halben Jahr …«

      Mimi zog Eva in ihre Arme und strich ihr beruhigend über den Rücken.

      Die Macht begann in Eva zu pulsieren. Der Farbenwirbel bestand heute aus Abstufungen von grau und jeder Menge schwarz. Schwärze, die auch ihr Herz umklammerte. Schock, Unsicherheit und Panik übertönten die leise Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sie sich immer ein Kind gewünscht hatte. Doch nicht so!

      Sie taumelte, als ihre Seele diesen Schrei ausstieß. Ihre Arme umfingen Mimi, damit sie nicht fiel.

      »Langsam, Süße. Setz dich erst mal.« Mimi führte Eva zur Couch. »Nimm einen Schluck Tee.«

      »Der ändert auch nichts an der Tatsache, dass sich ein fremdes Wesen in mir eingenistet hat, ohne sich um meine Wünsche zu scheren.«

      »Du musst Jul sofort Bescheid sagen.«

      Eva schüttelte den Kopf. »Vielleicht … vielleicht bekomme ich es nicht.«

      »Blödsinn, Eva. So bist du nicht.« Mimi drückte Evas Hand.

      »Aber ein Kind geboren aus der Macht? Kann mein Körper durch die Machtübernahme überhaupt noch ein Baby austragen? Als ich eine normale Frau war, habe ich bereits bewiesen, dass ich Probleme damit habe.«

      »Fang nicht an, nach Ausreden zu suchen.«

      »Ich muss alle Möglichkeiten bedenken. Es wird kein Kind sein, wie du es auf Spielplätzen sieht. Es wird … anders sein. Vielleicht ein Monster. Und sollte es wie durch ein Wunder keine Vorbelastung durch die Macht davontragen, wird es niemals ein Leben wie die Normalsterblichen führen können. Jul und ich werden nicht altern oder zumindest in keinem Tempo, mit dem wir Lehrer und Eltern anderer Kinder täuschen können.«

      Mimi wirkte besorgt. »Du machst dir um etwas Sorgen, das sich vielleicht von alleine ergibt.«

      »Sollte ich Mutter werden … und ich sage absichtlich sollte … dann muss dieses Kind für mich wichtiger sein, als mein eigenes Leben. Ich muss mich darum kümmern, dass es glücklich und zufrieden aufwachsen kann. Das ist der Job einer Mutter.«

      »Du wirst das toll machen.«

      »Aber wenn das Schicksal gegen mich arbeitet? Wenn einfach nichts in meinem Leben verläuft wie bei anderen?« Evas Herz schmerzte mehr, als sie ertragen konnte. Tränen bahnten sich einen Weg über ihr Gesicht.

      Mimi hob Evas Kopf an, damit sie sie ansehen musste. »Ich verstehe diese Ängste. Aber was denkst du wirklich?«

      Ein Kind, das Juls goldenen Blick zeigte, wenn es glücklich lachte. Sein wunderschönes, perfektes Gesichtchen, das zu ihr hochsah. Die süße Stimme, wenn es: »Ich hab dich lieb, Mama«, sagte.

      »Ich kann nicht«, schluchzte sie auf. »Ich kann die Hoffnung nicht zulassen, dass es eine normale Schwangerschaft, ein normales Baby, ein normales Leben geben könnte.«

      »Dann warte ab, was bei der Untersuchung beim Frauenarzt herauskommt«, schlug Mimi vor.

      Ihre pragmatische Freundin schaffte es, die Welt ins rechte Lot zu bringen. Eva nickte. »Du hast recht.«

      Mimi reichte ihr ein Taschentuch. »Weißt du eigentlich, welch ein großes Glück du hast? Inzwischen ist deine Familie angewachsen. Du bist nicht mehr alleine. Es gibt unzählige Onkel und Tanten, die sich darum reißen werden, dein Kind zu verwöhnen. Du kannst deinem Baby sogar einen Großvater präsentieren.«

      Nach einem Elefantentröter ins Taschentuch schaffte Eva ein Lächeln. »Da muss jede Menge erklärt werden, aber ich glaube, die Jungs würden sich freuen. Anun auch. Solange es ein Mädchen wird.«

      »Und Jul?«, meinte Mimi. »Was wird Jul erst sagen?«

      »Ich habe keine Ahnung.«

      Mimi klopfte Eva auf die Schulter. »Blödsinn. Er wird begeistert sein. Er liebt dich über alles. Dieses Kind ist ein Teil von dir und von ihm. Wie könnte er sich nicht überschlagen vor Glück?«

      »Das werden wir sehen, wenn er zurückkommt.«

      »Du musst es ihm sofort sagen. Du rufst ihn an, gleich, nachdem du einen Termin beim Frauenarzt vereinbart hast.«

      Die Panik kehrte zurück. »Ich kann ihm doch nicht am Telefon sagen, dass er vielleicht Vater wird. Er würde sofort heimkommen wollen.«

      »Das wäre nicht die schlechteste Lösung. Du brauchst jemanden, der dir den Kopf zurechtrückt.«

      Jul wieder an ihrer Seite. Seine Reaktion auf die Neuigkeit, die alle Unklarheiten ausräumte. Eine verlockende Vorstellung. »Vielleicht befindet sich in dieser verdammten Prophezeiung ein Hinweis darauf, ob diese Schwangerschaft möglich ist. Ich brauche alle Informationen, die ich bekommen kann, bevor ich mich entscheide.«

      »Du kannst nicht ernsthaft überlegen, dieses Wunder abzutreiben! Gott scheint der Meinung zu sein, dass du trotz allem bereit für ein Kind bist.«

      »Gott hat damit nichts zu tun. Auf der Verpackung der Pille fehlt der Hinweis, dass sie bei übernatürlichen, alterslosen Männern anscheinend nicht wirkt.«

      »Ich werde diese Änderung gerne vorschlagen, wenn du mir versprichst, nichts Unüberlegtes zu tun.«

      »Das geht klar«, antwortete Eva schnaubend. »Ich werde meine Gedanken in den nächsten Tagen ohnehin nicht abschalten können.«

      »Ich werde dafür sorgen, dass du die richtigen Dinge bedenkst.«

      Eva ertappte Mimi bei einem raschen Seitenblick auf die Uhr. Sie riss die Augen auf. »Gott, tut mir leid. Du musst wieder zur Arbeit, und ich nehme dich so in Beschlag, dass du hungrig zurückkehrst.«

      »Das ist jetzt nicht wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass du deine Panik in den Griff kriegst.«

      Eva stand auf und zog Mimi hoch. »Unsinn. Du kommst bereits zu spät.«

      »Ich nehme mir den restlichen Tag frei. Ich sage meinem Chef einfach, ich hätte mich bei dir angesteckt.«

      »In diese Verlegenheit wirst du niemals kommen.«

      »Nein. Aber wenigstens kann ich bald Tante spielen.«

      Eva verzog das Gesicht. »Autsch! Zu früh für Scherze.« Sie hinderte Mimi daran, sich wieder zu setzen.

      »Na, komm. Es ist kein Weltuntergang.«

      »Du hast recht«, bestätigte Eva. »Und deshalb machst du dich jetzt auf den Weg ins Büro. Ich werde schon nicht aus dem Fenster springen.«

      Mimi wirkte nicht glücklich. »Ich überlege mir etwas. Jetzt ruh dich erst mal aus.«

      Und dann war Eva endlich allein. Sie legte sich zu einer Kugel zusammengerollt ins Bett