Krähentanz. Philipp Schmidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Philipp Schmidt
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Год издания: 0
isbn: 9783957770462
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und Mäntel wölbten sich an den Hüften. Sie trugen Waffen.

      »Mein Name ist Svain«, sagte jener, der ihm die Überfahrt angeboten hatte, während er den Jungen ein Stück mit sich schob, bis sie ein altes Weib erreichten, das ihn wie selbstverständlich an die Hand nahm. Sobald die beiden außer Sicht waren, stellte Svain die anderen vor. »Allesamt Freunde von mir«, schloss er. Und weil er Kraehs Blick zuvor bemerkt hatte, erklärte er, sie trügen Waffen zu ihrem Schutz, da man nie wisse, was der Fluss einem bringe, besonders des Nachts.

      Kraeh tat die Rede mit einem »Aye« ab und folgte den wenig Vertrauen erweckenden Burschen die Straße hinab, welche zum Ufer führte.

      Ein breiter Kahn, unstet im Wasser auf und ab schwappend, erwartete sie, ein gutes Stück von den letzten regulären Anlegestellen entfernt. Nur jene, die für die Pacht eines bewachten Ankerplatzes nicht aufkommen konnten, banden hier ihre Boote an Felsblöcke, die sonderbar einsam ihren stummen Dienst verrichteten und dabei einem, der nicht gesehen werden wollte, jede Menge Schutz böten. So dachte Kraeh, den Blick auf den siebten im Bunde gerichtet. Nachdem dieser von Svain gegrüßt worden war und das Halteseil losgebunden hatte, sprang der junge Mann ins brackige Wasser, das ihn bis zur Brust umspülte, und hielt das Boot gerade. Die Strömung schien nicht stark und den Übrigen gelang ein trockener Einstieg. Kraeh war froh, den Balanceakt hinter sich zu haben, da keiner der Burschen daran gedacht hatte, ihm eine Hand zu reichen. Schon wollte er nachfragen, als der zweite Passagier unvermittelt vor dem Bug und hinter Svain, der als Anführer das Boot als Letzter betreten würde, auftauchte. Svain musste ihn die ganze Zeit über gesehen haben, zumindest wirkte er nicht überrascht.

      Zwei Dinge schossen Kraeh durch den Kopf. Wieso hatte er selbst ihn nicht früher bemerkt? Er hatte doch extra auf die Umgebung geachtet. Und woher, bei den enthaupteten Nornen, kannte er den Mann? Ein lang geschnittenes, schwarzes Cape gab nicht viel von seiner Statur preis, verdeckte auch die Haare, irgendetwas aber an seinen Bewegungen war unverkennbar. Sie waren zu genau, sparsam und allzu exakt ausgeführt. Sein Satz in den Kahn, dem es wohl selbst nicht aufgefallen war, dass er nun das Gewicht eines weiteren Reisenden tragen musste, so schnell und sacht zugleich war er zugestiegen, war formvollendet. Der Mondschein gab ebenmäßige Züge unter einem struppigen Bart preis.

      »Ah …«, staunte Kraeh, im selben Moment vergegenwärtigend, dass es vielleicht von Vorteil war seine Bekanntschaft mit Arduhl zu verhehlen. »Ah ja, dann kann’s ja losgehen«, rettete er die Situation. Arduhl setzte sich ohne ein Anzeichen, ihn wiederzuerkennen, Kraeh gegenüber auf die wenig bequemen Querstreben, die das Boot anstelle von Bänken durchzogen.

      Der junge Mann zog sich triefend auf den Kahn und Svain gab ihm mit seinem Sprung genug Schub, um abzulegen. Die beiden stakten sie mit zwei langen Stangen ein gutes Stück vom Ufer weg. Sobald die Strömung stärker und der Grund tiefer wurde, ließen sie davon ab und Svains Bande wickelte Ruder aus einer Kuhhautplane und begann, den Kahn mit kräftigen Zügen auf den Fluss hinauszuschippern.

      Die Überfahrt würde eine Weile dauern. Kraeh streckte sich aus, so gut es ging. Jede Faser in ihm lechzte nach Ruhe und Erholung. Meine Güte, dachte er, bin ich alt geworden. Seine vor Müdigkeit tränenden Augen fielen zu; er ließ es geschehen. Sie öffneten sich erst wieder, als sie bereits auf der anderen Seite, in einen von Wasserpest bedeckten Seitenarm einliefen. Es war einer der wenigen im Einzugsgebiet Brisaks, welcher nicht der Flussbegradigung unter Brans Regentschaft zum Opfer gefallen war. Die ausladenden Wurzeln eines überhängenden Baumes diente ihnen als Anlegestelle. Der Kahn wurde vertäut und sie kletterten, an den klitschigen Wurzeln Halt suchend, an Land. Kraehs Magen fühlte sich flau an. Seine aus der Erschöpfung herrührende Konzentrationsschwäche hatte der unruhige Schlaf in dem Gasthaus nicht vertreiben können und sie war ihm nur allzu deutlich bewusst, als die sieben Burschen sich, sichtlich nervös, im Halbkreis um ihn und Arduhl herum gruppierten.

      »Hier ist der Rest«, sagte Arduhl in seinem fremdländischen Akzent und warf Svain ein klimperndes Beutelchen zu.

      Der Angesprochenen ließ es, ohne einen Blick darauf zu werfen, in einer Tasche verschwinden.

      »Wir wollen das Doppelte. Und sein Schwert.«

      Kraeh erinnerte sich, wie beim Erwachen sein Mantel von Lidunggrimms Scheide gerutscht war. Schon wieder Ärger wegen der kostbaren Klinge! Früher hatte sie einmal den Zweck gehabt, Ärger zu beseitigen …

      Arduhl blieb stumm. Er schien ebenso wenig überrascht von der Wendung wie Kraeh selbst, nur hätte Kraeh, wäre er alleine gewesen, eher auf eine schnelle Flucht gebaut. Svain und seine Jungs hatten von Anfang an geplant, sie aus der Stadt zu bringen, um sie hier im mehr oder minder rechtlosen Raum in Ruhe auszunehmen. Waren eigentlich alle Menschen schlecht oder hatte er in der letzten Zeit einfach nur Pech? Der Südländer trat vor Kraeh, seine Hände waren unter den Falten seines Capes verschwunden. Auch die der anderen wanderten zu ihren Hüften.

      Auf einmal überschlugen sich die Ereignisse. Kraeh bemerkte die Bewegung am Rande seines Blickfeldes zu spät, um dem Knüppel ganz auszuweichen. Er traf ihn hart an der Schulter und schmetterte ihn mit dem Rücken gegen den Stamm des Baumes, durch dessen karge Krone das Mondlicht den Platz des Geschehens beleuchtete.

      Als er sah, wie jener, der den Schlag gegen ihn geführt hatte, von der Wucht seines Hiebes leicht aus dem Gleichgewicht geraten, in Arduhls Schwert lief, das dort auf wundersame Weise wie aus dem Nichts aufgetaucht war, entschied er sich, dem Folgenden als Zuschauer beizuwohnen und seine Zurückhaltung nur aufzugeben, falls es nötig werden würde – wozu es nicht einmal im Ansatz kommen sollte.

      Arduhls Bewegungen waren ein Liebesgeständnis an seine Klinge. Sie berührte die anderen Waffen nicht, sie waren es nicht wert, nur ihre Besitzer bekamen ihren Kuss zu spüren. In unglaublicher Schnelligkeit und Präzision tauchte sie in sie ein und wieder hinaus. Noch nie hatte Kraeh bei einem Schwertkampf so wenig Blut fließen sehen. Einer nach dem anderen, der den Kuss empfing, sackte in sich zusammen; den Boden noch nicht ganz erreicht, fiel schon der Nächste. Es war, wie einem Künstler des Todes zuzusehen.

      Als er mit ihnen fertig war, wischte Arduhl den Stahl an Svains Weste sauber.

      »Hast du ein Ziel, alter Mann, oder suchst du nur nach einem raschen Tod?« In seiner Stimme schwang ein Hauch von Verachtung mit.

      »Ich bin auf dem Weg nach Erkenheim, zu einer alten Bekannten.«

      Arduhls Miene zeigte auch jetzt kein Erstaunen, er schürzte nur die Lippen und bedeutete dem Alten – wie selbstverständlich davon ausgehend, dass sie gemeinsam reisen würden – vorauszugehen. Kraeh massierte sich die geprellte Schulter und kam mühsam auf die Beine. Er orientierte sich kurz am Nordstern und schlug dann eine ungefähre Richtung in den schlüpfrigen Untergrund des Auenwaldes ein.

      Lidunggrimm schnurrte in ihrer Scheide, enttäuscht, den Tanz verpasst zu haben. Kraeh beruhigte sie in Gedanken matt: Unser Tag wird kommen.

      * * *

      Sie waren nicht lange gegangen, als Kraeh nicht mehr weiterkonnte. Wenig erfreut gestand Arduhl ihnen eine Rast bis zum Morgengrauen zu. Der Alte erstaunte ihn dadurch, einen Schlafplatz zu finden, der frei von Schlick und Schlingpflanzen war, über die man immerfort stolperte und deren Dornen Schlitze und Löcher in Arduhls Lederstiefel gerissen hatten, durch die nun die kühle Nässe seine Füße heimsuchte. Er war die rauen Höhen der Gebirge von Morak und die trockene Einsamkeit der Mura-Steppen gewohnt; diese klamme Sumpflandschaft aber, in der sie sich befanden, zehrte an seinen Nerven. Er wrang den Stoff aus, den er um seine Füße zu wickeln pflegte, und folgte dann mit kleinmütigem Widerwillen, den er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dem im Plauderton vorgebrachten Rat des Alten. Angewidert sah er seinen Händen dabei zu, wie sie die Stiefel dick mit dem Fett beschmierten, das er sonst gebrauchte, um seine Schwertscheide geschmeidig zu halten. Schließlich hängte er Stofflappen und nun matt glänzendes Schuhwerk an einem niedrigen Ast auf, dass der Wind damit spielen konnte.

      Da der Alte auf die Frage, ob er in diesen Gebieten aufgewachsen sei, schon nicht mehr antwortete, bettete Arduhl seinen in die Kapuze gehüllten Kopf auf einen umgestürzten Baumstamm und schloss, obwohl er keine Müdigkeit verspürte, die Augen. Alles ist lediglich eine Sache des Willens, vergegenwärtigte