Engelslügen. Samantha O. Collins. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Samantha O. Collins
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742757944
Скачать книгу
dir hätte passieren können!«, legte er nach.

      Eine Weile saßen sie noch auf ihrem Sofa und sie versuchte permanent ihre Hand erneut zum Funkeln zu bringen, hatte aber wenig Erfolg damit. Als er schließlich durch das Fenster verschwand, gab er ihr noch den zarten Hauch eines Kusses auf die Wange und sagte: »Wenn was ist, sag es mir! Ich bin für dich da, vergiss das nie! Und halt dich von dem alten Haus fern!« Sein warmer Atem strich über ihre Wange und ließ sie vor Scham erröten. Soviel Zärtlichkeit war sie von ihm nicht gewohnt. Zum Üben hatten sie sich früher einmal geküsst, dabei war jedoch nie ein Gefühl entstanden. Mit dem zarten Kuss auf ihre Wange, fühlte sie das erste Mal, das ein wenig mehr zwischen ihnen war, als reine Freundschaft.

      Ob es daran lag, dass sie älter und reifer wurde, wusste sie nicht. Es war ihr auch egal, dieses Gefühl inmitten der sonderbaren Ereignisse tat ihr einfach nur gut.

      3

      Gabriel

      Unruhig und mit vielen Grübeleien, verbrachte sie die Nacht. Viele Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Angefangen bei ihrer Kindheit bis zu den aktuellen Geschehnissen. Eines echote aber immer wieder in ihrem Geist, so laut, dass sie es nicht ignorieren konnte - selbst wenn sie es gewollt hätte. Bald schon … werden die Chöre der Engel erklingen. Es ging noch weiter, aber den Rest verstand sie nicht.

      Sie sah im Geiste das Gesicht ihrer Mutter, ihre Lippen bewegten sich jedoch nicht. Auch die Stimme klang verzerrt und sonderlich. Trotzdem tauchte immer das Gesicht ihrer Mutter vor ihrem inneren Auge auf, sobald dieser Satz gesprochen wurde. Die Bilder und Stimmen rissen nicht ab, das war aber nicht das Einzige, dass sie vom Schlafen abhielt.

      Was ist das nur mit Gino? So habe ich doch noch nie für ihn empfunden, geisterte es durch ihre Gedanken. Ihr Rücken juckte höllisch und genau dort, wo sie den Ursprung des fiesen Reizes vermutete, kam sie mit ihren Fingern nicht hin. Seit Wochen schon plagte sie dort ein Jucken, nur diesesmal war es fast unerträglich. Daher wälzte sie sich immer wieder im Bett hin und her, und versuchte so den Juckreiz weg zu schubbern. Wie es Bären an einem Baum machen, um sich so wieder unter Kontrolle zu bekommen. Zu allem Überfluss, schrie irgendwo in der Nachbarschaft ein Baby, das wohl Hunger hatte, es den Eltern aber wie es schien egal war. Das Geheule eines Hundes ein paar Straßen weiter, ließ sie endgültig nicht mehr an Schlaf denken.

      Missmutig stand sie schließlich auf, hinterließ ihrer Tante eine Notiz, dass sie diesen Tag auch nicht in die Uni gehen würde, und verließ das Haus. Sie schlich so leise wie möglich, um niemanden zu wecken. Auf den einen Tag kam es ihr auch nicht mehr an, der danach kommende Tag wäre ohnehin ihr Geburtstag und ein Samstag dazu. Da spielte es keine Rolle, wenn sie mal zwei Tage, nicht in der Uni sitzen würde. Der Mond stand hoch oben in voller Pracht am Himmelszelt und tauchte das Ambiente der leeren Straße in ein seltsames Licht. »Vielleicht sollte ich den Mond anheulen«, murmelte sie vor sich hin. Sie musste ihres absurden Gedanken wegen grinsen.

      Wie magisch angezogen führte sie ihr Weg direkt zu der alten verlassenen Villa, die sie am Vortag das letzte Mal besucht hatte. Sie hatte das Gefühl als würde eine fremde Macht ihr den Weg vorgeben. Denn plötzlich fand sie sich an den Stufen zum Untergeschoss wieder. Langsam schlich sie die Treppe hinunter, immer darauf bedacht, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen, um niemanden auf sich aufmerksam zu machen.

      Die Stufen waren mit feinsten Glassplittern, Steinchen und kleinstem Gehölz übersät. Daher ließ es sich nicht vermeiden, das eine oder andere Mal ein Knirschen unter ihrer Fußsohle durch die Stille zu schicken. Fast ohrenbetäubend laut war es in Anbetracht der völligen Ruhe des Anwesens.

      Erst als sie die letzte Stufe erreichte, erinnerte sie sich an die Wunde, die das Wesen ihrem Oberarm zugefügt hatte, und hielt instinktiv die Hand darauf. Ein leichtes Kribbeln ließ sie überrascht die Jacke ausziehen und den Blusenärmel hochziehen. Eine fast vollständig verheilte Wunde machte sie stutzig. Seltsam, wie kann das sein? Das ging ja echt verdammt schnell. Eilig zog sie ihre Jacke wieder über, die Temperaturen schienen sprichwörtlich in den Keller zu rutschen und ließen sie frösteln. Ihr Atem wurde in kleinen Dunstwölkchen sichtbar. Goldene Linien schimmerten durch ihre Haut. Fein zogen sie sich geschwungen um ihre Finger, Handflächen und den Arm hinauf.

      Ein Flirren im hinteren Teil des großen Raumes erregte ihre Aufmerksamkeit. Es sah so ähnlich aus, wie Luft, die über heißem Wüstenboden flackert. Das letzte Mal, als sie vergleichbares sah, war sie mit ihrer Mutter kurz vor ihrem Tod in Ägypten. Ihre Mutter hatte geglaubt, dass Olivia von diesem Urlaub weniger angetan sein könnte, da es nur die zweite Urlaubswoche an den Strand zum Baden ging. Doch es war genau andersherum, Olivia war traurig, als sie die vielen Tempel, Grabanlagen und Obelisken hinter sich ließen, um an das Meer zu fahren. Sie war so fasziniert von der alten Kultur, den Hieroglyphen und den atemberaubend schönen Malereien. Ihre Mutter versprach ihr, den nächsten Urlaub wieder dorthin zu planen, leider kam es nicht mehr dazu. Einige Monate später schlug das Schicksal zu und riss ihre Mutter aus dem Leben. Ihrer Tante Heather fehlte das Geld für teure Touren in die Ferne.

      Während ihrer letzten gemeinsamen Reise hatten sie einen Ausflug in die Sahara unternommen. Mit dem Bus fuhren sie von Assuan zu einem kleinen Dorf, kurz vor der Wüste. Unterwegs platzte ein Reifen, doch freundliche Anwohner brachten alle Passagiere sicher zum Sammelort für eine Kurzsafari in die Sahara. Vom Kamel aus waren solche Luftverzerrungen, wie sie sie jetzt im Keller sah, häufig zu sehen. Nur in diesem kalten Gemäuer war keine Hitze wie in der Wüste, die für solche Luftspiegelungen verantwortlich war. Nicht einmal hell genug war es. Kurz schloss sie die Augen. Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein? Oder werde ich verrückt? Nein verrückte glauben nicht das sie verrückt sind! Oder doch? Als sie die Augen wieder öffnete, war das Flimmern an anderer Stelle wieder zu sehen.

      Geh nicht näher ran, sprach ihre innere Stimme. Doch sie konnte nicht anders und ging leichten Fußes, Schritt für Schritt weiter voran.

      »Halt!«, hielt sie eine feste tiefe dunkle Stimme auf, als sie die Hälfte des Weges zum Flimmern hinter sich gebracht hatte.

      Olivia blieb stehen. »Hallo?«, rief sie in die Dunkelheit. Angst machte sich in ihr breit. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Das war eine ganz ganz ganz blöde Idee! Zitternd wartete sie auf eine Antwort. »Es tut mir leid, ich glaube, ich habe mich verlaufen. Ich bin sofort wieder weg. Lassen sie sich nicht stören!«, versuchte sie der Situation zu entkommen. Schnell drehte sie sich um, und wollte gerade losrennen, als der Fremde zu sprechen begann.

      »Olivia, warte!«, ließ sie die Stimme zusammenfahren.

      Wo bin ich hier reingeraten? Woher kennt er meinen Namen? Verdammt! »Wer sind sie? Und woher wissen sie, wie ich heiße?«, ihre Stimme klang fester als ihr zumute war.

      »Mein Name ist Gabriel, wir sind uns gestern hier begegnet. Erinnerst du dich?«, seine Stimme klang stolz und warm, aber auch dunkel.

      Wie komme ich hier am schnellsten wieder raus? Man wie konnte ich nur so doof sein alleine hierher zu gehen? Plötzlich sah sie die giftgrünen Augen.

      »Ja. Aber von begegnen kann weniger die Rede sein! Was aber noch nicht erklärt, woher du meinen Namen kennst«, diesmal klang ihre Stimme zittrig.

      Gabriel lachte. »Weil ich eigentlich dich finden sollte und nicht du mich!«

      Schlagartig rutschte Olivias Herz in die Hose und der Drang so schnell es nur ginge, wegzulaufen wurde immer stärker. Ihr linkes Bein begann auf dem Absatz kehrt zu machen. Ihr restlicher Körper wollte der Bewegung folgen, doch sie blieb wie angewurzelt stehen.

      »Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun. Vorausgesetzt du tust mir auch nichts!«, in seiner Stimme klang so etwas wie Erheiterung mit.

      »Ok. Was auch immer du glaubst gestern gesehen zu haben, das sah sicher nur heftiger aus, als es tatsächlich war!«, erklärte Olivia schnell, da sie sich sicher war, dass er nur einer der Schaulustigen des vergangenen Konflikts mit Page sein konnte und sie wohl ebenfalls beobachtet hatte, wie sie hierher verschwunden war. Ob das der Kerl ist, der das Video Online gestellt hat?