Engelslügen. Samantha O. Collins. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Samantha O. Collins
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742757944
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aus Folklore und Rock. Immer mehr Besucher wurden von der Musik in den Park gelockt.

      Noch bevor sich seine Worte in ihren Gedanken nachformen konnten und sie sich die Geschichte des brennenden Dornenbusches in ihre Erinnerung rufen konnte, stand der Himmel in Flammen. Lichterloh züngelte ein orangeroter Schein über den Nachthimmel.

      2

      Gefilmt

      Blau strahlte der Himmel über der Stadt, nur wenige Wolken störten den majestätischen Anblick. Der Boden war bis zum Mittag vollständig getrocknet. Die Luft war klar, roch aber wie üblich nach den Abgasen der Autos, die an der Hauptstraße vor Olivias Wohnung an einer Ampel starr auf Grün warteten. In der letzten Nacht hatte sie geglaubt ihren Verstand zu verlieren, als sie den Himmel in Flammen stehen sah. Es kam ihr vor, als würde ihr Traum plötzlich wahr werden. Stattdessen gab es ein paar Blocks entfernt eine Gasexplosion, bei der drei Menschen starben. Ein Leck in einem Gastank führte zu dem Unglück. Während sie zur Schule lief, fuhren noch immer Löschfahrzeuge mit Blaulicht durch die Straßen.

      Zwei Tage noch und sie konnte ihren 18ten Geburtstag feiern. Melancholisch dachte sie an die acht Jahre, die sie nun schon bei ihrer Tante lebte. In ein paar Monaten würde sie wegziehen müssen, um irgendwo einen einjährigen Praktikumsplatz zu finden. Diesen brauchte sie für ihr weiteres Medien- und Journalismus Studium und sie hatte auch schon einige Bewerbungsgespräche bei unterschiedlichen Blättern hinter sich gebracht. Ihre Chancen standen gut, bei dem angesehenen National History Magazine einen Platz zu bekommen. In der Schule war sie bereits die Herausgeberin der Schülerzeitung und Jahrgangsbeste in fast allen Fächern, die sie belegte. Journalistisch konnte ihr am College niemand das Wasser reichen, selbst die älteren Studenten hatten kein so feinfühliges Geschick für Wörter wie sie.

      Früher glaubte sie, sie könnte sich damit etwas beliebter machen, aber auch das schlug fehl. Sie konnte es nicht lassen, unangenehme Fragen zu stellen, welche somit für de einen oder anderen Skandal sorgten. Die Schülerzeitung selbst war erfolgreich, nur mieden die Schüler sie seither noch mehr als je zuvor. Alles fing damit an, dass bei ihr Jahre früher als bei den anderen Mädchen, die Menstruation einsetzte und ihre Brüste wuchsen. Die Kinder ihrer Klasse verspotteten sie anfangs als abnormal später als Freak, da sie sich auch keine neuen Klamotten leisten konnte.

      Olivia merkte nicht, dass sie zufällig und völlig in ihren Träumereien versunken auf die Tasche von Page trat. Ausgerechnet Pages Tasche! Sofort sprang ihre Rivalin auf und begann mit ihren gängigen Beschimpfungen.

      »Du Trampel …«, schrie sie und richtete sich auf. Gerade als sie Olivia wie so oft vor die Brust schupsen wollte, blieb Olivia wie ein Baum in der Erde verwurzelt stehen und ließ sich nicht umwerfen. Erschrocken versuchte es Page gleich darauf noch einmal und scheiterte erneut.

      Olivia hob ihre Hände und versetzte Page ebenfalls einen Stoß, der diese ein paar Meter weiter nach hinten beförderte. Fassungslos starrte Olivia auf ihre Hände und sah zu Page auf, die sich ebenfalls verblüfft aufrappelte. Unter Olivias Haut zeichneten sich feine Linien ab, die schwungvoll golden schimmerten und ebenso schnell verschwanden, wie sie erschienen waren. Olivia bekam einen Schreck. Hatte sie sich das gerade nur eingebildet?

      Ringsherum bildete sich ein kleiner Pulk und eifrig wurden Smartphones gezückt, um das Geschehen auf Video zu bannen. Die Zuschauer standen da, als hofften sie regelrecht darauf, gleich Blut sehen zu können.

      Angewidert von der Meute erwachte Olivia aus ihrer Starre. Sie bahnte sich hastig einen Weg durch die Gaffer und lief in die Richtung zurück, aus der sie noch vor ein paar Minuten gekommen war. An den Fahrradständern vorbei rannte sie den schmalen Weg zur Hauptstraße hinunter und über eine Brücke zu einer kleinen Nische, in einem verfallenen Haus. Dort hatte sie sich schon einmal vor Page und ihrer Meute versteckt und es erschien ihr auch diesmal als der geeignetste Rückzugsort.

      War ich das? Wie um alles in der Welt ist so etwas möglich? Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie entsetzt auf ihre Hände starrte, die vor Aufregung zitterten.

      Nur langsam ließ die Anspannung nach, lautlos richtete sie sich auf. Sie verspürte den Drang, das alte Gemäuer näher zu untersuchen, auch um sich noch weiter diesem verblödeten Tag zu entziehen. Sie war zwar schon häufiger hier gewesen, aber nur in der Nische, um sich vor ihren Verfolgerinnen zu verstecken.

      Das alte Haus, welches wohl vor der Jahrhundertwende errichtet wurde, stand schon, seit sie es kannte, zur Hälfte in sich zusammengefallen an dieser Stelle. Beachtung fand es selten, selbst Graffitikünstler mieden es, nur auf der Vorderseite des Gebäudes fanden sich ein paar Schmierereien. Verwunschen sei es, oder von der Dunkelheit in Besitz genommen hatte ihre Tante einmal erzählt.

      Behutsam lief sie zu einer Steintreppe, die in das Kellergeschoss führte. Leise nahm sie eine Stufe nach der anderen, bis sie in einem großen Gewölbe stand. Anders als von außen vermutet, befand sich unter dem Haus eine fünf Meter hohe Kuppel aus alten verwitterten Marmorplatten und vielen Säulen. Kurz stellte sie sich vor, wie das zur Glanzzeit des Hauses ausgesehen haben mochte. Die Kronleuchter von der Decke hängend und den glänzenden hellen Steinboden zum glitzern bringend, sah sie die Vergangenheit vor sich. Ihre Fantasievollen Vorstellungen wurden durch einen überraschenden Huster, der aus dem hinteren Teil des Kellers kam, unterbrochen.

      Wie ein Suchscheinwerfer drehte sie sich ängstlich im Kreis, um die Herkunft des Geräusches zu ermitteln. Durch das Gewölbe, das jeden Ton verstärkte und von einer Ecke zur anderen brach, war es unmöglich den Ursprung genauer zu lokalisieren. Ihr normaler Impuls, sich so schnell wie möglich umzudrehen und davon zu laufen, verkehrte sich ins Gegenteil. Ungeahnt neugierig aber auch mit vor Aufregung schneller werdendem Puls, wagte sie sich weiter vor in die Dunkelheit des Raumes. Je weiter sie in die Finsternis vortrat, umso mehr konnte sie erkennen. Sie hatte zwar schon immer sehr gut im Dunkeln sehen können, aber so gut das war neu. Immer deutlicher erkannte sie die Konturen der Säulen und auch die Wände wurden zunehmend schemenhaft sichtbar.

      Unerwartet schoss etwas an ihr vorbei und streifte sie am Oberarm. Der Schmerz überwältigte sie in Sekundenbruchteilen und ließ sie laut aufheulen. Das, was auch immer gerade hier mit ihr war, stoppte abrupt. Olivia biss sich auf die Lippe, um den Schmerz in ihrem Arm zu unterdrücken und drehte sich so schnell sie konnte zu dem Wesen um, dass gerade ihren Arm mit einem unglaublichen Schmerz bedacht hatte.

      Sie sah in giftgrün leuchtende Augen. Noch bevor sie den Rest des Wesens mit ihrem Blick auch nur im Ansatz abtasten konnte, verschwand es so schnell wie ein Blitzlicht über die Treppe. Was zum Teufel war das? Scheiße tut das Weh!

      Sie blieb noch eine ganze Weile in der Hausruine. Zorn flammte in ihr auf und der Schmerz in ihrem Arm wurde stärker. Wutentbrannt stieß sie einen Schrei aus und ihre linke Hand begann zu funkeln. Erschrocken starrte sie darauf, hob die Hand ein wenig höher und mit einem Knistern entlud sich Energie auf die Wand vor ihr. Ein blauer Blitz bahnte sich von ihrem Zeigefinger in eine Marmorplatte und hinterließ ein kleines Loch.

      Mit offenem Mund schaute sie immer wieder vom Loch in der Wand zu ihrer Hand, die zwischenzeitlich alle Anzeichen ungewöhnlicher Aktivitäten eingestellt zu haben schien. Nach einem kurzen Moment, in dem sie den Schock halbwegs verdaute, untersuchte sie die Zerstörung an der Wand genauer und ihr Blick glitt weiter voran. Unzählige kunstvoll gearbeitete Bilder zierten sie. Vor dem Bildnis eines Engels mit dem Kopf eines Menschen in der Hand blieb sie fasziniert stehen. Sie hob ihren Finger und wollte die Linien um die Schwingen nachfahren, doch sie verwischte damit die Farbe.

      Feuchte Farbe? Das heißt … Nein, das kann nicht sein. Hat das Wesen das gemacht? Oder war es ein Mensch? Nein dafür war es zu schnell! Aber wie und warum? Es sieht so unglaublich schön aus. Warum hat der Engel einen abgetrennten Kopf in der Hand? Die Gedanken überschlugen sich in Olivias Kopf und sie trottete Gedankenverloren nach Hause.

      »Olivia, was ist denn mit dir los? Du machst schon wieder so ein betrübtes Gesicht. Hattest du wieder Ärger mit den Mädchen?«, wollte ihre Tante wissen.

      »Ja … Nein. Ach ich schlafe zurzeit nur nicht sonderlich gut«,