Geheimnis Schiva 2. A. Kaiden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. Kaiden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748577348
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hielt sie kurz am Handgelenk fest.

      „He, wo willst du hin? Es wird jeden Moment läuten.“

      „Ich bin sofort zurück“, murmelte Lara und wand sich aus ihrem Griff. Eine Straßenbahn ratterte vorüber und versperrte ihr für einen kurzen Moment die Sicht. Sie befürchtete schon, dass er verschwunden war, sobald das öffentliche Verkehrsmittel weg war, jedoch hatte sie Glück. Er war noch da. Sie schaute flüchtig nach links und rechts, dann überquerte sie zügig die Schienen. Der junge Mann wandte sich von dem Pärchen ab und drehte sich in ihre Richtung. Lara stockte der Atem. Ihre Beine weigerten sich, weiterzulaufen, und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Das konnte nicht sein. Sie blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, aber das Bild blieb dasselbe. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke und sie starrte geradewegs in seine tiefschwarzen Augen. Ein Schauer schüttelte sie und ließ sie zusammenzucken.

      „Lara! Lara, die Glocke hat geläutet! Verdammt, was machst du denn da?“, schrie Steffi von der anderen Straßenseite.

      „Wegen dir kommen wir noch zu spät!“, fügte Elena wütend hinzu.

      Lara drehte sich nicht zu ihnen um, als sie ihnen antwortete: „Ich komme nach. Geht ihr schon mal vor!“

      Sie wollte ihn auf keinen Fall entkommen lassen. Eilig hetzte sie hinter ihm her, als er drohte, in der Menschenmasse zu verschwinden. Er hatte einen schnellen Schritt und die vielen Leute machten es ihr nicht einfach, ihm zu folgen. Nur langsam holte sie auf. Wie konnte das sein? Wie konnte er hier sein? Er hatte seine Haare geändert, doch das Gesicht und vor allen Dingen seine Augen waren dieselben.

      „Aua, kannst du nicht aufpassen!“, fuhr sie eine alte Frau an, die sie versehentlich bei ihrer Verfolgungsjagd unsanft angerempelt hatte.

      „Es … ich … es tut mir wahnsinnig leid, das wollte ich nicht.“

      „Das sollte es auch, junge Dame!“

      „Ja, sorry“, murmelte Lara und sah sich hektisch um, doch vergebens. Sydney war weg.

      Kapitel 4: Mittwoch, 7:45 Uhr

      Sie fühlte sich gerädert und dem Ende nahe. Am liebsten würde sie sich ein Loch graben und dort verbuddeln, für den Rest ihres Lebens dort verharren. Die Erinnerungen an Schiva verfolgten sie hartnäckig und hatten sie keinen Schlaf finden lassen. Sie war sich ganz sicher, Sydney gesehen zu haben. Hier, in ihrer Welt! Wie war das nur möglich? Natürlich hatte sie versucht, nach Schiva zu gelangen, doch ihre Bemühungen und Hoffnungen waren umsonst gewesen. Die Versiegelung schien noch immer intakt zu sein. Es war ihr nicht gelungen, so oft und so sehr sie es auch versucht hatte. Letztendlich hatte sie nach Stunden aufgegeben, allerdings konnte sie die Begegnung in der Stadt nicht vergessen.

      Die Bahn hielt quietschend an und Lara stand kurzentschlossen auf und stieg aus. Sie war ein paar Haltestellen zu früh dran, aber sie hatte nicht vor, pünktlich zur Schule zu kommen. Sie hatte keine Lust und außerdem fühlte sie sich nicht in der Lage, die erste Stunde AWL zu überstehen. Es würde sicherlich nicht groß auffallen, wenn sie diese verpasste. Herr Raab kontrollierte abgesehen davon nie die Anwesenheit. Einen besseren Freifahrtschein gab es also nicht. Was sie jetzt brauchte war erst einmal eine schöne heiße Tasse Milchkaffee und einen warmen Schokomuffin. Bei dem bloßen Gedanken lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie hoffte nur, dass sie keiner ihrer Mitschüler sah und verpetzte. Schnell nahm sie die nächste Seitenstraße und flüchtete in das Café. Sie hatte es damals per Zufall mit Elena gefunden, als sie eine Abkürzung zum Bahnhof gesucht hatten. Es war nicht sehr groß, jedoch gemütlich und urig eingerichtet. Der Kaffee und die Kuchen schmeckten einfach traumhaft und trotz, dass es immer gut besucht war, konnte man ungestört reden und sich verständigen, ohne sich dabei anschreien zu müssen. Leider war das in den meisten Lokalen nicht der Fall. Das Café war eine wahre Goldgrube und genau das brauchte Lara jetzt.

      Sie hatte Glück, denn es war nur noch ein Tisch frei, obwohl der Laden gerade erst geöffnet hatte. Erleichtert nahm sie Platz und gab ihre Bestellung auf, als die Kellnerin an ihrem Tisch erschien. Lara schloss für einige Sekunden die Augen und lauschte den Geräuschen um sie herum. Das Zischen und Blubbern der Kaffeemaschine. Das Klappern von Geschirr. Freudiges und erwartungsvolles Stimmengewirr. Sie atmete den Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee und heißer Backware tief ein. Ein Grummeln ihres Magens machte ihr bewusst, dass sie hungriger war, als sie gedacht hatte. Als ein Klirren direkt vor ihr erklang, öffnete sie träge die Augen und lächelte die Bedienung dankbar an. Genüsslich machte sie sich über ihr Frühstück her und betrachtete dabei die am Geschäft vorbeiziehenden Leute. Lange konnte sie sich auf sie allerdings nicht konzentrieren. Schon nach wenigen Minuten verselbstständigten sich ihre Gedanken wieder und trugen sie nach Schiva. Wie es Grandma wohl ging? Was war aus Mark und den anderen geworden? Hatte Sydney alles im Griff? Was hatte er hier zu suchen? Hatte sie sich womöglich geirrt und er war es nicht gewesen? Nein, unmöglich. Diese Augen waren einfach unverkennbar. Er musste es gewesen sein! Doch wie kam er hierher? Was war mit der Sperre?

      „Sag mal, ist hier noch frei?“

      Lara fuhr erschrocken zusammen und bevor sie antworten konnte, setzte sich der junge Mann ihr auch schon gegenüber. Er war einen halben Kopf größer als sie und trug ein Kopftuch, das seine schulterlangen, rotbraunen Haare nur zu einem Drittel verbarg. Er hatte einen leicht braunen Teint und seine moosgrünen Augen funkelten sie belustigt an. Irgendwie erinnerte er sie an jemanden, doch sie wusste nicht, an wen. Er bestellte einen Kaffee und ein Stück Käsekuchen. Danach lehnte er sich lässig in die Lehne zurück und bedachte sie mit einem breiten Grinsen. Sein Blick gefiel ihr nicht. Unsicher rückte sie auf ihrem Stuhl hin und her.

      „Was … was ist?“

      „Nichts. Wieso?“, gab er frech zurück und fixierte sie weiterhin mit seinen Augen, sodass sie schwer schlucken musste. Wer war der Typ und was wollte er von ihr?

      „Wieso starrst du mich so an?“

      In gespieltem Erstaunen hob er eine Braue und beugte sich vor, um seine Unterarme auf dem Tisch abzustützen.

      „Ach, stimmt ja. Das ist der Teil, wo wir uns gegenseitig vorstellen, nicht? Dann mach ich mal den Anfang. Ich heiße Hieronymus.“

      „Ähm …“, begann Lara zögernd. Der Typ war ihr irgendwie unheimlich. Sie konnte sich nicht helfen. „Ich bin …“

      „Ah, verrate es mir nicht, Süße. Ich hab einen guten Sinn für Namenserkennung.“

      Lara zuckte zusammen. Mit einem Mal wusste sie, an wen sie Hieronymus erinnerte. Niemand hatte sie mehr Süße genannt, seit Ruben tot war.

      „Mmh … ist es zufällig Lucie?“

      Ihre Kehle fühlte sich staubtrocken an und sie nahm hastig einen Schluck von ihrem Milchkaffee und schüttelte den Kopf.

      „Oh, okay. Dann ist es bestimmt Tanja.“

      Abermals zuckte sie zusammen. Der Namen ihrer toten Freundin jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Die Kellnerin kam und brachte seine Bestellung, die er mit einem flüchtigen Flirt entgegennahm. Er probierte seinen Käsekuchen und schloss genussvoll die Lider.

      „Mmh … einfach köstlich. Ach ja, wo war ich?“, er schlug die Augen auf und nagelte sie wieder mit seinem Blick fest. „Stimmt, deinen Namen! Okay, wenn es nicht Lucie und auch nicht Tanja ist, dann bleibt eigentlich nur noch einer übrig.“

      Er musterte sie von oben bis unten und griente über das ganze Gesicht. Ein mulmiges Gefühl beschlich Lara. Sie hatte nur die Hälfte ihres Muffins gegessen, doch ihr war der Hunger gänzlich vergangen.

      „Tja Süße, ich schätze, du heißt Lara. Hab ich Recht?“

      „Woher … woher weißt du das? Kennen wir uns?“

      Sie sank unbehaglich auf dem Stuhl zusammen.

      „Mmh? Wissen? Kennen? Ne, ich hab geraten. Du siehst einfach aus wie eine Lara.“

      Er nahm einen großen Schluck von seinem Kaffee und ließ sie dabei nicht aus den Augen. Sie war sich sicher: Hieronymus spielte ein Spiel mit