Geheimnis Schiva 2. A. Kaiden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. Kaiden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748577348
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dann hatte er sich nicht einmal bei ihr für die Vorwürfe und sein Verhalten entschuldigt. Was würde nun mit Frau Baumgärtner passieren? Sie würde sie hassen. Bestimmt … Schnell schnappte sie sich ihre Sachen und rannte regelrecht aus dem Gebäude. Die Tränen konnte sie nicht länger zurückhalten.

      *

      „Wieso kommt er jedes Mal mit allem durch?“

      „Lara, es reicht jetzt! So hast du nicht mit mir zu reden!“

      „Aber es stimmt! Stan darf immer alles. Egal was er macht, es ist okay! Es ist zum Kotzen – er hat angefangen, verdammt!“, schrie Lara ihre Mutter an, wobei sich ihre Stimme überschlug.

      „Du gehst jetzt besser auf dein Zimmer, bevor ich mich vergesse!“

      „Ich hab hier unten sowieso nichts mehr verloren!“

      Wütend wirbelte Lara herum und rannte die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Mit einem lauten Knall schlug sie die Tür zu und warf sich auf ihr Bett, wo sie ihr Gesicht ins Kopfkissen vergrub. Die Kirchturmuhr schräg gegenüber von ihrem Haus schlug gerade zweiundzwanzig Uhr und die Glocken hallten unangenehm in ihrem Kopf wider. Dieser blöde Tag wollte einfach nicht enden. Und andauernd wenn sie dachte, schlimmer ginge nicht, dann setzte das Schicksal noch eins drauf. Erst die Sache mit den Werbebriefen, dann die Spielchen von Herrn Stanza, nicht zu vergessen die ständigen Vorwürfe ihres Ausbilders und ihre unfreiwillige Beichte. Kaum war sie daheim gewesen, hatte ihr dämlicher Exfreund nichts Besseres zu tun gehabt, als sie mit seinen ständigen Anrufen und Gestöhne zu quälen. Und jetzt auch noch der Streit mit ihrem Bruder, bei dem ihre Mutter nur die Hälfte mitbekommen hatte, aber natürlich wieder auf der Seite von Stan war – wie immer!

      Verzweifelt schluchzte Lara in ihr Kissen. Wahrscheinlich hatte sie eine falsche Entscheidung getroffen. Damals, als sie den Ausbildungsvertrag sicher in der Tasche gehabt hatte, war sie vor der Wahl gestanden, sich ein Auto zu kaufen oder eine Wohnung zu suchen. Nach langem Überlegen hatte sie sich für den fahrbaren Untersatz entschieden. Hätte sie den Auszug gewählt, hätte sie kein Geld mehr für freizeitliche Vergnügungen gehabt und wer weiß, wann sie sich dann einen Wagen hätte leisten können. Darauf hatte sie nicht verzichten wollen, aber womöglich war es ein Fehler gewesen. In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als das Haus und diesen Ort zu verlassen. Mehr noch: Sie sehnte sich nach einer anderen Welt – sie verzehrte sich nach Schiva.

      Kapitel 3: Montag, 9:30 Uhr

      Sehnsüchtig wanderte ihr Blick auf die Armbanduhr. In wenigen Minuten würde endlich die erste große Pause beginnen. Natürlich war sie froh gewesen, als sie nach dem Vorfall im Betrieb nur noch eine weitere Woche ins Unternehmen gehen hatte müssen und nun der Blockunterricht in der Schule wieder begonnen hatte. Die letzten Tage waren schlimm genug gewesen. Frau Baumgärtner musste einen heftigen Anpfiff bekommen haben, sie hatte ihr nicht mehr in die Augen sehen können und war die gesamte Woche sehr geknickt gewesen. Laras schlechtes Gewissen war auf Hochtouren gelaufen und so lief es noch jetzt.

      Sie hatte nicht viel geschlafen und der Unterricht war staubtrocken. Sie konnte sich nicht auf die Worte des Lehrers konzentrieren und schrieb gedankenverloren die Notizen auf der Tafel ab. Zu allem Unglück war Elena, von der sie gedacht hatte, eine Freundin gefunden zu haben, heute besonders zickig und ließ keine Gelegenheit aus, sie das spüren zu lassen. Lara fragte sich nur, was Elena dermaßen auf die Palme gebracht hatte, wo sie sich am Anfang der Ausbildung doch so gut verstanden hatten. Eigentlich hatte ihre Veränderung angefangen, als sie einen neuen Freund hatte. Seitdem war sie reizbarer gewesen und Lara hatte wohl den Fehler begangen, anderer Meinung zu sein als sie und das auch zu äußern. Nun blaffte Elena sie an, wo sie nur konnte. Sah alles als Angriff und Lara konnte einfach nicht mehr vernünftig mit ihr reden. Zum Glück war Steffi noch da und normal. Sie bremste Elena ab und an in ihrem russischen Temperament. Lara kam gut mit ihr klar. Eine richtige Freundin sah sie in Steffi jedoch nicht. Sie waren einfach zu verschieden und es gab Dinge, mit denen konnte sie sich nicht abfinden. Zum Beispiel, dass Steffi als Au Pair Mädchen gearbeitet hatte und dort mit dem Vater der zu betreuenden Kinder eine Affäre laufen hatte. Und das, obwohl sie in demselben Haus wie seine Frau übernachtet und am selben Tisch gemeinsam gegessen hatten. Lara verstand nicht, dass Steffi die gesamte Schuld dem Vater gab und keine bei sich selbst sah. Steffi war fest der Meinung, dass sie nichts falsch gemacht hatte, da sie zu dem Zeitpunkt Single gewesen war. Lara schüttelte schnell den Kopf. Sie konnte dieses Denken nicht nachvollziehen.

      Als die schrille Schulglocke den Redefluss vom Lehrer unterbrach, und ihre Klassenkameraden aufgeregt aufsprangen und in den Pausenhof stürmten, streckte sie sich müde.

      „Oh weh, du siehst aus, als hätte dich eine Dampfwalze erwischt. Das schreit förmlich nach einem Käffchen“, meinte Steffi und grinste sie von der Seite an. Auf Laras Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und sie nickte dankbar.

      „Kaffee klingt großartig.“

      „Dann lass uns keine weitere Minute verlieren und kurz rüber zur Bäckerei springen. Was sagst du Elena, bist du dabei?“

      Die Russin schaute etwas unzufrieden drein und rümpfte die Nase.

      „Schon wieder? Wie viel Kaffee wollt ihr noch trinken?“

      „Du musst nicht mit, wenn du nicht magst“, entgegnete Lara so freundlich wie möglich, während sie aufstand und ihre Jacke anzog.

      „Pfh … klar, dass du mich nicht dabei haben möchtest!“

      „Das habe ich doch gar nicht gesagt“, murmelte Lara und seufzte. Wieso war jedes Wort bei Elena zu viel? Drückte sie sich tatsächlich dermaßen missverständlich aus? Zum Glück kam ihr Steffi zur Hilfe.

      „Quatsch, natürlich haben wir dich gerne dabei. Wenn du allerdings mitmöchtest, dann hüh. Wir haben nur noch 'ne knappe Viertelstunde zur Verfügung.“

      Elena schien nicht ganz überzeugt und brummelte verdrossen vor sich hin, ließ es jedoch dabei gut sein und schlenderte hinter ihnen her. Lara genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut auf dem kurzen Weg zur Bäckerei auf der anderen Straßenseite. Sie quetschten sich zu dritt durch die lärmende Menschenmasse, die die Kaiserstraße füllte und beeilten sich, ihren Milchkaffee zum Mitnehmen zu besorgen. Danach bummelten sie gemütlich zurück in Richtung Berufsfachschule, blieben allerdings vor dem Gebäude stehen und betrachteten sich die Leute auf dem gegenüberliegenden Platz. Steffi und Elena fanden sofort eine Gruppe, über die sie lästern konnten. Darauf hatte Lara keine Lust. Sie kannte die Leute nicht. Wieso sollte sie sie verurteilen? Klar, manchmal entfleuchte ihr auch ein unfreundlicher Kommentar, doch eigentlich war ihr Motto, Leben und leben lassen. Warum konnten das die meisten Menschen nicht?

      Gedankenversunken schaute sie sich um und versuchte, ihre Ohren auf Durchzug zu stellen. Das schöne Wetter lockte viele Leute auf die Straße. Sie schätzte, dass es sich bei den meisten um Studenten handeln musste. Warum das so war, ließ sich schlecht erklären. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass Studenten einfach etwas anderes ausstrahlten. Ob es am hohen Selbstbewusstsein oder an manch arrogantem Blick und Lächeln lag, vermochte sie nicht zu sagen. Studierende wirkten einfach anders. Ihre Aufmerksamkeit blieb bei einem knuffigen Pärchen hängen, die angeregt über irgendwelche mathematischen Gleichungen diskutierten. Beide gestikulierten wild und trugen dicke Hornbrillen, die emsig hin und her wippten. Sie erinnerten sie an lustige Zeichentrickfiguren und sie konnte sich nicht an ihnen sattsehen, bis sich ihnen ein großer Mann näherte. Lara beschlich ein mulmiges Gefühl, als sie ihn musterte. Und das obwohl sie ihn nicht direkt von vorne sah und die grelle Sonne ihr die Sicht erschwerte. Er trug eine weite, dunkle Jeans, deren Bund für ihren Geschmack etwas zu tief saß. Wurden diese Hosen bei Männern wieder modern? Ihr Blick wanderte weiter und blieb kurz an seinem in Blautönen gehaltenen T-Shirt hängen. Ein greller Schriftzug war auf der Vorderseite, doch aus der Entfernung konnte Lara diesen nicht entziffern. Seinen rechten Arm zierte eine Fülle an Armbändern aus Stoff und Leder. Sie kniff die Augen etwas zusammen, um noch mehr erkennen zu können, während der junge Mann mit dem Pärchen sprach und ihnen ein Blatt entgegenhielt. Wenn sie es richtig erkannte, dann hatte er einen Undercut und seine restlichen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Was faszinierte