Des Meisters Bartel verlorener Ring. Thomas Spyra. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Spyra
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847657354
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doch in Windsheim zu versuchen eine eigene Werkstatt zu eröffnen. In Nürnberg gab es davon schon viel zu viele. Die Zunftherren würden sicher keinen neuen Meister, noch dazu einen Fremden, mehr zulassen.

      Christoph war 1695 in Quedlinburg, der im nördlichen Harz gelegenen Königspfalz und Freien Hansestadt, geboren. Die Stadt wurde besetzt und stand nun seit 1698 unter brandenburgisch-preußischer Verwaltung.

      Seit er auf seiner Wanderzeit im Fränkischen angelangt war und bei Meister Brunner seine Gesellenjahre abgedient und die Fertigkeiten eines Meisters erlangt hatte, drängte es ihn nach einer eigenen Werkstatt. Er hatte einiges ansparen können, nicht viel, aber es würde für den Anfang reichen, dachte er. Zurück nach Hause zog es ihn nicht. Das Leben in einer freien Reichsstadt fand er angenehmer. Hier herrschten keine absoluten Fürsten wie in seiner Heimatstadt. Jeder konnte sich etwas aufbauen, wenn er sich anstrengte und die richtigen Verbindungen besaß. Er musste sich beeilen, bald würde es dunkel werden und dann werden die Stadttore wie in jeder befestigten Stadt geschlossen. Er eilte auf das nächste Tor hinter einem kleinen See zu, entrichtete seinen Obolus bei der Stadtwache und fragte auch gleich nach einer geeigneten Herberge für die Nacht. Dort hinter der Kapelle Marie am See, im Gasthaus Zum Birnbaum, soll man billig und gut unterkommen, wies ihm einer der Soldaten den Weg.

      Am nächsten Morgen, nach einem reichlichen und preiswerten Frühstück machte er sich auf und ging zum Rat der Stadt. Der Gehilfe des Stadtschreibers hörte sich sein Begehren an und brummte, er solle am nächsten Tage wieder kommen, der Herr Schreiber sei im Moment beschäftigt.

      Am nächsten Tag hieß es wieder das Gleiche, der Herr Stadtschreiber sei zu beschäftigt.

      Christoph hatte viel Zeit und bummelte durch die belebte und geschäftige Stadt. Der Sohn des Stadtmaurermeisters Krauß, Johann Michael, den er zufällig traf, begleitete ihn und erklärte ihm voller Stolz einiges. Er schwärmte davon, dass er später auch einmal so große und schöne Häuser bauen möchte wie sein Vater.

      Windsheim, kein Vergleich zu Nürnberg, auch Quedlinburg seine Heimatstadt, sowie die Städte Leipzig, Weimar und Bayreuth, die er auf seiner Wanderschaft kennengelernt hatte, waren größer und interessanter. Doch es war ein sauberer und überschaubarer Ort. In einer guten Stunde konnte man ihn bequem zu Fuß umrunden. Überall vor den Toren der aufstrebenden Stadt legten Arbeiter die Sümpfe trocken, bereiteten neue Äcker vor oder bauten neue Häuser.

      So hatten die Bürger sich vor fast neun Jahren ein neues schlossartiges Rathaus bauen lassen. Viel zu groß für so eine kleine Stadt. Alles im neuzeitlichen Markgräflich-Ansbacher Baustil, nach italienischer Mode. Mit einem riesigen »Kaisersaal« von 27 Ellen in der Länge und 11 1/2 Ellen in der Breite und Höhe. Vielleicht kam der Kaiser ja wieder einmal vorbei. Man sparte auch nicht mit reichem Stuck und vielen Verzierungen. Nach den Plänen des bekannten Baumeisters Gabriel de Gabrieli wurde durch den Ansbacher Maurermeister Michael Aspacher und dem Graubündner Polier Giovanni Rigaglia der Bau errichtet.

      Auch die Seekapelle, an der er gestern Abend vorbei kam, war wieder wunderschön instand gesetzt worden. Vor ungefähr 300 Jahren hatte man die gotische Kapelle an einem damals noch vorhandenen See errichtet. Zwei Frauen erzählten ihm im Vorbeigehen, dass vor einem guten Jahr erst die Wiedereinweihung gefeiert worden war. Den Turm hatte man sehr aufwendig wieder mit bunten Ziegeln eingedeckt.

      Der Stadtmaurermeister hatte lange mit den Ziegelbrennern an den Farben herumexperimentiert. Wie bei einem Tonkrug wurden die Farben mit Engoben, das sind dünnflüssige Tonschlicker, aufgebrannt.

      Auf seine Frage, woher der Reichtum der Stadt käme, erklärten sie ihm, dass es um die Stadt Windsheim viele Gips- und Alabastergruben gäbe. Im weiten Land ringsum wurde das begehrte teuere Baumaterial verkauft. Besonders der neue Baustil des Barock, mit vielem Stuck und künstlichem Marmor ließ die Kassen klingeln. Die Kaufmannsfamilie von Keget handelte hauptsächlich damit und wurde dadurch reich.

      In Ansbach ließ der Markgraf viele neue Gebäude und ein prunkvolles Schloss erbauen. Auch in Würzburg und Bamberg gaben die Fürstbischöfe Unmengen an Geld für neue Residenzen und Paläste aus. Der Würzburger Baumeister Balthasar Neumann arbeitete gerne mit viel Stuck und Marmor aus Windsheimer Gipsgruben.

      Der große Krieg war nun schon seit über 80 Jahren zu Ende gegangen und hatte viel Leid und Armut für alle gebracht. Jetzt lebten zwar wieder über 2.000 Einwohner in 510 Haushalten, aber immer noch stand etwa ein Drittel der Wohnhäuser in Windsheim leer.Nun war wieder Überfluss vorhanden, man konnte wieder im Prunk schwelgen. Zumindest die reichen Bürger und Fürsten. Das eine oder andere Gebäude wurde abgerissen, um mehr Platz in der Stadt zu bekommen. Die armen Bauern und Handwerker jedoch mühten sich wie jeher um ihr tägliches Brot.

      Nach einigen Tagen, die Geldkatze von Christoph wurde immer schmaler, sollte er endlich zum Herrn Bürgermeister vorgelassen werden.

      Wieder im Rathaus angekommen, musste er allerdings vom hochmütigen diensteifrigen Stadtschreibergehilfen vernehmen, dass nur wohlhabende Meister das Bürger- und Zunftrecht in Windsheim erlangen könnten. 60 Gulden Bürgeraufnahmesteuer waren zu bezahlen und ein Vermögen von mindestens 6oo Gulden musste nachgewiesen werden. Soviel hatte er sich bei aller Bescheidenheit in den letzten acht Jahren in Nürnberg nicht zusammensparen können.

      »Wenn ihr das nicht zahlen könnt, so müsst ihr es, wo anders versuchen. Hungerleider haben wir genug in Windsheim«, erklärte ihm der arrogante Schreibergehilfe.

      Mutlos verließ er das Rathaus und trank sich im nahen Brauereiwirtshaus einen gewaltigen Rausch mit dem guten, süffigen, dunklen fränkischen Bier an. Der gutmütige Wirt hatte Mitleid mit ihm und ließ ihn hinterm Stall ausschlafen. Als Fremder am Tag betrunken, da hätten ihn die Stadtschergen sicher gleich ins Gefängnis geworfen.

      Am nächsten Morgen holte er seine Sachen aus dem Gasthaus Birnbaum, frühstückte noch ausgiebig, und machte sich wieder auf die Wanderschaft.

      Mit schnellen Schritten aus der Stadt hinaus. Hinter dem Seetor bog er um den Wallgraben nach Süden ab, Richtung Rothenburg oder Dinkelsbühl, er wusste nicht so recht, wo er hin sollte. Durch Gärten und Felder kam er nach kurzer Zeit an einen Weiher. Eine Bank neben einem Steinkreuz lud hier zum Verweilen ein. Er setzte sich. Von hier hatte er einen herrlichen Blick über den See zur Stadt Windsheim.

      »Hier wäre ich gerne geblieben«, murmelte er vor sich hin. Das neu errichtete Rathaus und auch der Turm der Seekapelle glänzten im Sonnenlicht. Die waren schon reich, diese Städter. Aber was soll´s? Woanders kann es auch schön sein.

      Er zog sein Pfeiferl aus der Tasche hervor und spielte sich ein lustiges Lied. Nach einer kleinen Weile stand er auf und zog fröhlich seines Weges. Nach Rothenburg hatte er sich entschieden. Vielleicht wartete dort das Glück auf ihn.

      Nicht weit vor ihm zog ein klappriger Gaul, an den Zügeln gehalten von einer zerlumpten Gestalt, einen eisernen Pflug hinter sich her. Die Furchen wanden sich alle krumm von einem Ende des Ackers zum Anderen. Offensichtlich beherrschte die Person das Pflügen nicht so richtig. Sein Weg führte ihn an dem Feld vorbei. Er hörte ein jämmerliches Schluchzen, nur unterbrochen von Befehlen an das Pferd. Dieses interessierte sich dafür nicht, es verfolgte stur seinen eigenen Weg.

      »Was ist mit euch, kann ich euch helfen«, rief er hinüber.

      »Nichts, lasst mich in Ruhe, Herr«, antwortete eine kindliche Stimme heulend.

      Besorgt sprang er über den Ackerrain hinüber und sah ein Mädchen, das sich redlich mit dem Pferd und dem schweren Pflug abmühte.

      »Warum pflügst du hier so alleine?«, wollte Christoph wissen.

      »Jemand muss es ja machen«, brummte das Kind ärgerlich vor sich hin.

      »Komm lass dir helfen, ich habe Zeit.«

      Erschrocken über dieses Angebot eines Fremden, Mutter hatte immer gesagt, sie solle vorsichtig sein mit Leuten, die sie nicht kannte, wehrte sie ab.

      Sie wendete den Pflug wieder und dabei fiel das schwere Arbeitsgerät um. Nun war es ganz vorbei mit ihrer Kraft. Sie ließ sich auf die letzte