Die Windsheimer bauten weiter. Christoph hatte sich ganz gut eingelebt. Er bekam den Auftrag einen Umhang, zur feierlichen Enthüllung am 13.November, für die Kaiserstatue auf dem Weinmarkt zu nähen. Hier hatte man im Sommer den neuen Brunnen errichtet. Genauso wie die Nürnberger einen hatten.
Das Wasser im alten Brunnen war immer so schnell verschmutzt, und das Denkmal für den Stadtgründer Widegast, in der Mitte des Brunnens, war aus so schlechtem Sandstein, sodass es bereits seit einigen Jahren wieder brüchig war. Der neue, sogenannte schöne Brunnen, wurde mit einem Gitter und mit einer Mittelsäule versehen, auf der oben eine Statue von Kaiser Karl dem VI. platziert wurde.
Es war ein Donnerstag, die Kinder hatten sich alle mit ihren Lehrern eingefunden und sangen einige Lieder. Meister, die es sich leisten konnten, hatten sich freigenommen. Die Herren vom Rat waren alle anwesend und nahmen die Einweihung feierlich vor. Der Herr Dekan segnete den Brunnen und auch die Statue des Kaisers. Warum man unbedingt den Karl hatte darauf stellen wollen, ließ sich nicht so richtig ergründen.
Der Ratsherr von Keget hatte alles gestiftet, na ja, so konnte er auch bestimmen, wer darauf stehen sollte. Vielleicht zum Andenken, weil der Kaiser den Windsheimern ihre Stadtprivilegien vor rund zehn Jahren erneuert und bestätigt hatte.
Der Bevölkerung war dies sowieso egal. Hauptsache es lief wieder frisches, sauberes Wasser in das große achteckige Brunnenbecken.
Anno 1730 - Neuer Lebensabschnitt
In den fast drei Jahren, seit er nun schon hier in der Reichsstadt wohnte, war einiges geschehen.
Mehrere Blitze schlugen am 10. Mai 1728 bei einem plötzlichen und heftigen Gewitter um Mitternacht in die Spitalkirche ein. Der Dachstuhl der Kirche brannte lichterloh. Mit lautem Getöse stürzte der obere Teil des Turmes ein. Erst neigte sich die Spitze und dann brach der Glockenstuhl zusammen. Die in die Sakristei fallenden drei Glocken bimmelten ohrenbetäubend, bis sie unten zerschellten. Der Bevölkerung gelang es jedoch den Brand in der Kirche zu löschen bevor das Dach und die Decke in sich zusammenfielen.
Schlimmer noch war, dass mehrere Scheunen und Stallungen in der Nachbarschaft bis auf die Grundmauern niederbrannten. Ein Großteil der Vorräte und viele Schafe des Hospitals fielen dem Feuer zum Opfer.
Wieder einmal hatte es die Ärmsten und die Kranken der Stadt getroffen.
Besonders der Umsicht des Oberrichters Georg Wilhelm von Keget war es zu verdanken, dass viele mithalfen, die beschädigten Gebäude des Hospitals so schnell wie möglich wieder instand zu setzen. Gerade die Armen und Kranken brauchen unsere Hilfe, meinte er immer wieder.
Mithilfe vieler Spenden aus der Bevölkerung konnte der Schaden bis zum kommenden Wintereinbruch wieder behoben werden. Lediglich für eine neue Uhr und für die Glocken reichte es noch nicht.
Dank weiterer Stiftungen wurde dann im Laufe des Jahres 1729 eine neue Uhr eingebaut. Sogar für eine Orgel reichte das Geld noch. Der Orgelbauer Johann Christoph Wiegleb aus Wilhermsdorf baute eine kleine, aber sehr schöne Orgel ein. Auch die Decke wurde neu gestaltet. Johann Friedrich Maucher fertigte und vergoldete dann die herrliche neue Stuckdecke.
Am 4. und 5. Juli 1729 verwüstete ein fürchterliches Hagelwetter fast die gesamte Ernte. Nun hatten weite Kreise der Bevölkerung Hunger zu leiden. Wer keine Vorräte aus dem letzten Jahr hatte, und das waren Viele, für den wurde es bereits ein harter Sommer. Der Rat der Stadt beschloss, für die am stärksten Betroffenen die Zehntabgaben zu erlassen und verteilte sogar Mehl und Getreide aus den städtischen Vorräten. Ab und zu konnten dann die armen Handlanger und Tagelöhner auch noch ein Stück Fleisch in der Freibank ergattern.
Langsam war es Winter geworden, ein milder Winter, Gott sei Dank. Zu Weihnachten fiel etwas Schnee, das neue Jahr kam ohne großes Spektakel daher und es ging mit Riesenschritten bereits auf den Sommer 1730 zu.
In diesem Juli stand ein großes Fest an. Vor 200 Jahren hatte die Stadt die Augsburger Konfession, das Bekenntnis zum evangelischen Glauben, öffentlich angenommen und trat damit offiziell an die Seite der evangelischen Reichsstädte und Landesfürsten.
Fast wären ja die Reichsstädte Nürnberg und Windsheim nicht mit dabei gewesen. Die Abgesandten Heppstein für Nürnberg und Hagelstein für Windsheim trafen sich in Roth, um gemeinsam zum Reichstag nach Augsburg zu reisen. Aber irgendwie kamen sie nicht so recht voran und verfuhren sich auch einige Male. Dem Nürnberger brach kurz vor der Stadt Abenberg mitten auf weiter Flur eine Wagenachse. Leider hatten es die Wagenlenker versäumt, Ersatzteile mitzunehmen. So musste erst ein Wagnermeister mit einer neuen Achse aus Schwabach geholt werden.
In Abenberg, einer befestigten Stadt südlich von Nürnberg, hatten sie sich mit dem Vertreter der Reichsstadt Weißenburg verabredet, um dann gemeinsam weiter zu reisen. Dies war in solch unruhigen Zeiten bestimmt ein großer Vorteil. Über Eichstätt und Neuburg nach Augsburg ins Schwäbische sollte es dann weitergehen.
Als sie nach einer regnerischen Nacht aufbrechen wollten, gab es ein neues Problem. Der Burgvogt von Abenberg, ein Lehnsmann des Markgrafen von Ansbach, verlangte einen hohen Wegezoll für die Überquerung eines kleinen Flusses, der nur an der südlichen Brücke passierbar war. Man wurde sich nicht einig. Endlich konnte der Ritter den Vertretern von Reichsstädten eins auswischen. So lange schon hatte er auf so eine Gelegenheit gewartet.
Die Freie Reichsstadt Nürnberg hatte vor einigen Jahren seinem Vater einige Besitzungen entrissen und ihn nur geringfügig dafür entschädigt. Meinte er zumindest, die Nürnberger waren da ganz anderer Ansicht. Sein Vater soll einer der gefürchtetsten Raubritter gewesen sein der die Handelszüge der Nürnberger Patrizier immer wieder überfiel, und so hatten sie sich doch nur das geholt, was ihnen als Entschädigung zustand.
Aber das half den Bürgermeistern nur wenig. Der Weg nach Süden war versperrt, und so mussten sie einen Umweg von fast einem Tag über Windsbach und Spalt in Kauf nehmen. Von den Schergen des Bischofs, nahe der Stadt Eichstätt, wurde dann der Tross an der Weiterfahrt gehindert. Der katholische Bischof wollte die evangelischen Vertreter von, in seinen Augen, abtrünnigen Städten daran hindern, rechtzeitig auf dem Reichstag zu erscheinen. Nur mit List und unter Zahlung von einigen Gulden setzte sie ein Flößer bei Nacht über die Altmühl.
Nach diesen vielen Hindernissen kamen dann die Vertreter der drei Städte erst zehn Tage nach der Übergabe der Confession in Augsburg an. Allerdings waren auch die Abgeordneten der Städte Heilbronn und Kempten zu spät gekommen. Der kaiserliche Minister ließ sie alle ermahnen, sich auf keinen Fall mit den anderen protestierenden Ständen zu vereinigen. Die Gesandten der fünf Städte ließen sich aber nicht abbringen und unterzeichneten nachträglich die Erklärung im Beisein des Kaisers und der übrigen Stände.
Der Windsheimer Rat gab nun heute aus diesem Anlass zur Erinnerung drei verschiedene Medaillen heraus, eine große für die Honoratioren, eine mittlere für die Gymnasiasten und eine kleine für die Schüler der deutschen Schule. Die Große zeigte auf der Vorderseite eine Stadtansicht und die Umschrift in Lateinisch: Herrliche Dinge werden in dir gepredigt, du Stadt Gottes (Psalm 87, Vers 3) und das Datum 15. Juli 1730. Auf der Rückseite reichten sich zwei Frauen die Hände, die Eine stellte die Wahrheit und die Andere die Stadt Windsheim, mit Bürgerkrone und Reichsadler auf dem Schild, dar. Die anderen Medaillen waren nicht ganz so aufwendig gearbeitet.
Albrecht und sein einige Jahre älterer Freund Michael waren ganz stolz auf ihre Medaillen, die sie vom Schulmeister überreicht bekamen. Natürlich hatten sie nur die Kleine erhalten. Vorne mit dem Windsheimer Adler und die Zahl 1730, hinten mit soviel lateinischen Abkürzungen, die sie nicht lesen konnten. Der Herr Lehrer hatte es ihnen zwar erklärt, aber bereits zu Hause hatten sie es schon wieder vergessen.
Auf alle Fälle ging es um die Confessio Augustana.
Am Morgen des 24. Juni, das war ein Samstag, der Rat hatte für alle arbeitsfrei und Kirchgang angeordnet, begann das Fest mit vielem Glockengeläute. Der Hospitalpfarrer Georg Seyboth hielt die Predigt in der Stadtkirche St. Kilian. Er sprach