Die Tage gehen und die Tage kommen immer weiter zur Klarheit und Freude, und dann, ja, das ist gesagt und geschrieben, dann kommt ein Tag, wo es mit mir vorbei, aber nicht ganz vorbei ist! Ich muß niedergerissen werden, um mich neu und besser zu erheben, ich muß aufhören, aber doch fortleben! Ein ganz Anderer werden und doch derselbe bleiben! Das ist für mich schwer zu begreifen, wie aufgeklärt ich auch sein mag bei Sonne, Mond, Stearin, Thran und Talg! – Mein altes Zimmer- und Mauerwerk soll sich aus dem Schutte erheben.
Ich will hoffen, daß ich die alten Gedanken behalte: den Vater in der Mühle, die Mutter, Große und Kleine, die Familie; denn ich nenne das Ganze, Eins und doch so Viele, die ganze Gedanken-Gesellschaft, – weil ich muß und es nicht lassen kann!
Und ich muß auch »Ich selber« bleiben, mit der Gurgel in der Brust, den Flügeln auf dem Kopfe, der Gallerie um den Leib, sonst könnte ich mich selbst nicht kennen, und die Andern könnten mich auch nicht kennen und nicht sagen: »Da haben wir ja die Mühle auf dem Hügel, stolz anzusehen, und doch gar nicht stolz!«
Das sagte die Mühle, ja sie sagte noch viel mehr, aber dies war das Wichtigste.
Die Tage kamen, gingen und der jüngste Tag war der letzte.
Da ging die Mühle in Feuer auf; und die Flammen hoben sich hoch, schlugen heraus und hinein, naschten Balken und Bretter und fraßen sie auf. Die Mühle fiel, und es blieb nur noch ein Aschenhaufen zurück. Der Rauch fuhr über die Brandstätte hin, der Wind trug ihn fort.
Das, was lebendig in der Mühle gewesen, blieb, und das, was dabei gewonnen, gehört nicht hierher zu dieser Begebenheit.
Die Müllerfamilie, eine Seele, viele Gedanken und doch nur einer, baute sich eine neue, eine prächtige Mühle, womit ihr gedient sein konnte, so ganz glich sie der alten, und man sagte: Da steht ja die Mühle auf dem Hügel, stolz anzusehen! Aber diese war besser eingerichtet, mehr zeitgemäß, damit es vorwärts gehe. Die alten Hölzer waren wurmstichig und schwammig, lagen in Staub und Asche; der Mühlenkörper erhob sich nicht, wie sie geglaubt hatten; sie nahmen es nur wörtlich, und man soll nicht alle Dinge wörtlich nehmen.
Das Geldschwein.
In der Kinderstube lag eine Menge Spielzeug umher; auf dem Kleiderschranke stand die Sparbüchse, welche von Thon und beim Töpfer gekauft war, und zwar in der Gestalt eines kleinen Schweines; sie hatte natürlicherweise eine Spalte im Rücken und mit einem Messer war diese Spalte so erweitert, daß auch harte Thalerstücke durchschlüpfen konnten, und es waren schon außer vielen Groschen zwei solcher durchgeschlüpft. Das Geldschwein war dermaßen vollgestopft, daß es nicht mehr klappern konnte, und das ist das Höchste, wozu ein Geldschwein es zu bringen vermag. Da stand es nun oben auf dem Schranke, hoch und erhaben, und blickte herab auf Alles, was sich sonst in der Stube befand; es wußte gar wohl, daß es mit dem, was es im Magen hatte, den ganzen Kram hätte kaufen können, und das nennt man ein gutes Bewußtsein haben.
Daran dachten gleichfalls die Andern, wenn sie es auch nicht aussprachen; es gab ja manches Andere zu besprechen. Der Commodekasten war halb ausgezogen und dort zeigte sich eine große hübsche Puppe, wenn sie auch etwas alt und im Halse genietet war; sie schaute hinaus und sagte: »Jetzt wollen wir Menschen spielen, das ist doch immer Etwas!« und nun gerieth Alles in Aufruhr, selbst die eingerahmten Schildereien an der Wand kehrten sich um und zeigten, daß sie auch eine Kehrseite hatten, aber sie thaten es keineswegs um zu protestiren.
Es war tief in der Nacht, der Mond schien durch die Fensterscheiben und verlieh die billigste Beleuchtung. Das Spiel sollte nun beginnen, und Alle, selbst der Kinderwagen, der doch jedenfalls zu dem gröberen Spielzeuge zählte, wurde zur Betheiligung aufgefordert.
»Jeder hat seinen besonderen Werth!« sagte der Wagen, »wir können nicht alle von Adel sein! Es müssen welche da sein, die was schaffen, wie man sagt.«
Das Geldschwein war der Einzige, an den eine schriftliche Einladung erging, es stand zu hoch und man war der Ansicht, es würde die mündliche Aufforderung nicht annehmen; es antwortete auch nicht und sagte nicht ob es sich einstellen würde, und es stellte sich nicht ein; wenn es mit dabei sein solle, müsse es das Spiel vom Hause aus genießen, darnach könnten sie sich richten, und das thaten sie auch.
Das kleine Puppentheater wurde nun so aufgestellt, daß das Geldschein gerade hineinschauen konnte; sie wollten mit Komödie anfangen, und später sollte Theegesellschaft und Verstandesübung sein, doch begannen sie mit dieser letzteren sofort; das Schaukelpferd sprach vom Training und Vollblut, der Kinderwagen von Eisenbahnen und Dampfkraft – schlug das doch Alles in ihr Fach und es gehörte also dazu, daß sie davon sprachen. Die Stutzuhr sprach von Politik – tik – tik! sie wußte was die Glock' geschlagen, wenn man sich auch zuflüsterte, sie ginge nicht richtig; der Rohrstock stand steif und stolz da, sich auf seine messingene Zwinge und seinen silbernen Knopf etwas einbildend, war er doch beschlagen oben und unten; auf dem Sopha lagen zwei gestickte Kissen, hübsch und dumm – und nun ging die Komödie an.
Alle saßen und schauten dem Spiele zu, und es wurde gebeten, man möge knallen, klatschen und lärmen, je nachdem man Vergnügen habe. Aber die Reitgerte sagte, sie knalle nie für die Alten, immer nur für die Jungen, die noch keinen Bräutigam hätten. »Ich knalle für Alles,« sagte die Knallerbse. »Irgendwo muß man doch sein!« meinte der Spucknapf; das waren nun so die Gedanken, die Jeder hegte, während er der Komödie zuschaute. Das Stück taugte nichts, aber es wurde gut gespielt; sämmtliche Spielende kehrten die bemalte Seite dem Publikum zu, sie waren so gemacht, daß man sie nur von dieser Seite und nicht von der Kehrseite sehen durfte; und Alle spielten ausgezeichnet, über die Lampen hinaus, der Draht war ein wenig zu lang, aber dann thaten sie sich auch um so mehr hervor. Die genietete Puppe »war ganz hin« so sehr »hin«, daß sie an der genieteten Stelle am Halse wieder aus einander ging, und das Geldschwein war in seiner Weise dermaßen entzückt, daß es den Entschluß faßte, Etwas für einen der Künstler zu thun, ihn in seinem Testamente zu bedenken als Denjenigen, welcher mit ihm zusammen in der Familiengruft beigesetzt werden solle, das heißt wenn es erst so weit wäre.