Die Schwalben kamen; sie hatten auf ihrer langen Reise dauerhaftere Schrift in den Klippen und in den Wänden des Tempels in Hindostan eingehauen gesehen: große Thaten von mächtigen Königen, unsterbliche Namen, so ganz alte, daß sie jetzt Keiner mehr lesen oder nennen konnte.
Nennenswert! Berühmtheit!
Im Hohlwege bauten die Erdschwalben; sie bohrten Löcher in den jähen Abhang, der Platzregen und der Staubregen bröckelte und spülte die Namen fort, – auch den des Trommelschlägers und seines kleinen, Sohnes.
» Peters Name bleibt doch wohl anderthalb Jahr stehen!« sagte der Vater.
»Narr!« dachte die Brandtrommel; aber sie sagte nur: »Dum, dum, dum! dummelum!«
Es war ein Knabe voll Leben und Lust: »des Trommelschlägers Sohn mit dem rothen Haare.« Er hatte eine liebliche Stimme; er konnte fingen und er sang auch wie der Vogel im Walde. Da war Melodie und doch keine Melodie.
»Er muß Chorknabe werden,« sagte die Mutter; »in der Kirche singen und da unter den schönen, vergoldeten Engeln stehen, die ihm gleichen!«
»Feuerkatze!« sagten die witzigen Köpfe in der Stadt. Die Trommel hörte das von den Nachbarsfrauen.
»Gehe nicht nach Hause, Peter!« riefen die Straßenjungen. »Wenn Du auf dem Boden schläfst, dann ist Feuer im oberen Stockwerke, und dann geht die Brandtrommel!«
»Nehmt Ihr Euch nur vor den Trommelstöcken in Acht!« sagte Peter; und wie klein er auch war, so lief er doch muthig voran und schlug mit seiner Faust den Nächsten vor den Leib, daß er seine Beine verlor, und die Andern nahmen ihre Beine mit sich: ihre eigenen Beine.
Der Stadtmusikant war so vornehm und sein; er war der Sohn eines königlichen Silberwäschers; er mochte Peter gern leiden, nahm ihn zeitweise mit nach Hause, gab ihm eine Violine und lehrte ihn spielen; es war als läge es dem Knaben in den Fingern, er wollte mehr als Trommelschläger, er wollte Stadtmusikant werden.
»Soldat will ich werden!« sagte Peter; denn er war noch ein ganz kleiner Bursche, und es schien ihm das Schönste in der Welt, das Gewehr zu tragen und so gehen zu können: »Eins, zwei! Eins, zwei!« und Uniform und Säbel zu tragen.
»Lerne nur nach dem Trommelfelle zu verlangen, trommelom, komm, komm!« sagte die Trommel.
»Ja, wenn er bis zum General hinaufmarschiren könnte,« sagte der Vater; »aber dazu muß es Krieg werden.«
»Das verhüte Gott!« sagte die Mutter.
»Wir haben Nichts zu verlieren!« sagte der Vater.
»Ja, wir haben da meinen Knaben!« sagte sie.
»Aber wenn er nun als General zurückkommt?« sagte der Vater.
»Ohne Arme und Beine!« sagte die Mutter; »nein, lieber will ich meinen Goldschatz heil behalten!«
»Trom! trom! trom!« Die Brandtrommel ging, alle Trommeln gingen. Es war Krieg. Die Soldaten zogen davon, und der Knabe des Trommelschlägers folgte: »Rothkopf! Goldschatz!« Die Mutter weinte; der Vater sah ihn in Gedanken »berühmt«; der Stadtmusikus meinte, er dürfe nicht in den Krieg gehen, sondern müsse bei der Heimathsmusik bleiben.
»Rothkopf!« sagten die Soldaten, und Peter lachte; aber es sagte auch Einer und der Andere: »Fuchspelz!« Da biß er die Zähne zusammen und sahe fort, – in die weite Welt hinein; er kümmerte sich um das Schimpfwort nicht.
Flink war der Knabe, freudig der Sinn, der Humor gut; »und das ist die beste Feldflasche,« sagten die alten Kameraden.
Und manche Nacht mußte er im Platzregen und Staubregen, bis aus die Haut durchnäßt, unter offenem Himmel liegen, aber die gute Laune verließ ihn nicht, die Trommelstöcke schlugen: »Trommelom! Jedermann auf!« Ja, er war gewiß zum Trommelschläger geboren.
Der Tag der Schlacht begann; die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber der Morgen war da: die Luft kalt, der Kampf heiß; es war Nebel in der Luft, aber es war mehr der Pulverdampf. Die Kugeln und Granaten flogen über die Köpfe hin und in die Köpfe hinein, in den Leib und die Glieder; aber vorwärts ging es. Einer und der Andere sank in die Knie, mit blutender Schläfe, kreideweiß im Gesicht. Der kleine Trommelschläger hatte seine gesunde Farbe noch; er hatte keinen Schaden genommen; er sah noch mit ebenso vergnügtem Gesichte dem Regimentshunde nach, der vor ihm hersprang, so vergnügt, als wäre er die Kurzweil des Ganzen und als schlügen die Kugeln nur vor ihm nieder, um damit zu spielen.
»Marsch! Vorwärts! Marsch!« waren die Kommandoworte für die Trommel; und die Worte hießen nicht: »Zurückweichen!« aber sie konnten sich zurückziehen und darin konnte viel Verstand liegen; und jetzt wurde gesagt: »Zurück!« und da schlug der kleine Trommelschläger: »Marsch! Vorwärts!« er hatte den Befehl so verstanden; die Soldaten gehorchten dem Trommelfelle. Das war ein guter Trommelschlag und gab ihnen, die schon im Weichen waren, den Siegesschlag.
Leiber und Glieder gingen in der Schlacht verloren. Granaten rissen das Fleisch in blutigen Stücken herunter; Granaten zündeten die Strohhaufen zu hellen Flammen an, wohin die Verwundeten sich geschleppt, um dort viele Stunden verlassen zu liegen, verlassen vielleicht für das Leben.
Es hilft Nichts, daran zu denken! und doch denkt man daran; selbst weit davon, in der friedlichen Stadt; auch, der Trommelschläger und seine Frau dachten daran; Peter war ja im Kriege.
»Nun bin ich des Klagens überdrüssig!« sagte die Brandtrommel.
Wieder begann ein Tag der Schlacht; die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber es war Morgen. Der Trommelschläger und seine Frau schliefen, sie hatten von dem Sohne gesprochen; das thaten sie fast jede Nacht; er war ja draußen – »in Gottes Hand«. Und der Vater träumte, daß der Krieg beendet, daß die Soldaten heimgekehrt, und Peter ein silbernes Kreuz auf der Brust trage; aber die Mutter träumte, daß sie in die Kirche getreten und die gemalten Bilder und geschnitzten Engel mit dem vergoldeten Haare gesehen; und ihr eigener, lieber Knabe, ihres Herzens Goldschatz, habe mitten unter den Engeln in weißen Kleidern gestanden und so herrlich gesungen, wie sicher nur die Engel singen können, und habe sich mit ihnen in den Sonnenschein erhoben und seiner Mutter so liebevoll zugenickt.
»Mein Goldschatz!« rief sie und erwachte; »nun hat ihn unser Herrgott zu sich genommen!« Sie faltete ihre Hände, legte ihren Kopf in den Bettvorhang von Kattun und weinte.
»Wo ruht er nun, unter den Vielen im großen Grabe, das sie für die Todten gegraben? Vielleicht auch im tiefen Moorwasser! Niemand kennt sein Grab! Es ist kein Gotteswort darüber gelesen worden!«
Und das Vater unser ging lautlos über ihre Lippen; sie beugte ihr Haupt, sie war so müde, – sie schlummerte ein.
Die Tage zogen vorüber, im Leben wie in den Träumen!
Es war Abend; über der Wahlstätte erhob sich ein Regenbogen, der ben Wald und das tiefe Moor berührte.
Es wird gesagt und ist im Volksglauben aufbewahrt:
Wo der Regenbogen die Erde berührt, da liegt ein Schatz begraben, ein Goldschatz; und hier – lag einer; Keiner, außer seiner Mutter dachte an den kleinen Trommelschläger, und deshalb träumte sie von ihm.
Die Tage zogen vorüber, im Leben wie in den Träumen!
Nicht ein Haar auf seinem Haupte war ihm gekrümmt, nicht ein Goldhaar.
»Trommerom! trommerom, das ist er! das ist er!« konnte die Trommel gesagt und seine Mutter gesungen haben, hätte sie das gesehen oder geträumt.
Mit Hurrah und Gesang, mit grünen Siegeskränzen geschmückt, ging es heimwärts, da der Krieg beendet und Frieden geschlossen war. Der Regimentshund sprang in großen Kreisen voran, um sich den Weg gleichsam dreimal so lang zu machen, wie er war.
Wochen vergingen und die Tage mit ihnen, und Peter trat in die Stube seiner Eltern; er war so