»Nun,« sagte Tölpel-Hans, »wenn ich kein Pferd haben kann, so nehme ich den Ziegenbock, der gehört mir so wie so, und tragen kann er mich auch!« – und gesagt, gethan. Er setzte sich rittlings auf den Ziegenbock, preßte die Hacken in dessen Weichen ein, und sprengte davon, die große Hauptstraße wie ein Sturmwind dahin. Hei, Hop! das war eine Fahrt! »Hier komm' ich!« schrie Tölpel-Hans, und sang, daß es weit und breit wiederhallte.
Aber die Brüder ritten langsam ihm voraus; sie sprachen kein Wort, sie mußten sich alle die guten Einfälle überlegen, die sie an den Tag bringen wollten, denn das sollte alles recht sein ausspeculirt sein!
»Hei!« schrie Tölpel-Hans: »hier bin ich! Seht mal, was ich auf der Landstraße gefunden!« – und er zeigte ihnen eine todte Krähe, die er gefunden hatte.
»Tölpel!« sprachen die Brüder, »was willst Du mit der machen?«
»Mit der Krähe! – die will ich der Königstochter schenken!«
»Ja, das thu' nur!« sagten sie, lachten und ritten weiter.
»Hei – Hop! hier bin ich! Seht, was ich jetzt gefunden habe, das findet man nicht alle Tage auf der Landstraße!«
Und die Brüder kehrten um, damit sie sähen, was er wohl noch gefunden haben könnte, »Tölpel!« sagten sie, »das ist ja ein alter Holzschuh, dem noch dazu das Obertheil fehlt; wirst Du auch den der Königstochter schenken?«
»Wohl werde ich das!« erwiderte Tölpel-Hans; und die Brüder lachten und ritten davon; sie gewannen einen großen Vorsprung.
»Hei hopsasa! hier bin ich!« rief Tölpel-Hans; »nein, es wird immer besser! heisa! Nein! es ist ganz famos!«
»Was hast Du denn jetzt gefunden?« fragten die Brüder.
»Oh,« – sagte Tölpel-Hans, »das ist gar nicht zu sagen! Wie wird sie erfreut sein, die Königstochter.«
»Pfui!« sagten die Brüder, »das ist ja reiner Schlamm, unmittelbar aus dem Graben.«
»Ja freilich ist es das!« sprach Tölpel-Hans, »und zwar von der feinsten Sorte, seht, er läuft Einem gar durch die Finger durch!« und dabei füllte er seine Tasche mit dem Schlamme.
Allein die Brüder sprengten dahin, daß Kies und Funken stoben, deshalb gelangten sie auch eine ganze Stunde früher als Tölpel-Hans an das Stadtthor; an diesem bekamen alle Freier Nummern, sofort nach ihrer Ankunft und wurden in Reih' und Glied geordnet, sechs in jede Reihe, und so eng zusammengedrängt, daß sie die Arme nicht bewegen konnten; das war sehr weise so eingerichtet, denn sie hatten einander wohl sonst das Fell über die Ohren gezogen, blos weil der Eine vor dem Andern stand.
Die ganze Volksmenge des Landes stand rings um das königliche Schloß in dichten Massen zusammengedrängt, bis an die Fenster hinauf, um die Königstochter die Freier empfangen zu sehen; je nachdem Einer von diesen in den Saal trat, ging ihm die Rede aus wie ein Licht.
»Das taugt nichts!« sprach die Königstochter. »Fort, hinaus mit ihm!«
Endlich kam die Reihe an denjenigen der Brüder, welcher das Wörterbuch auswendig wußte, aber er wußte es nicht mehr, er hatte es ganz vergessen in Reih' und Glied; und die Fußdielen knarrten und die Zimmerdecke war von lauter Spiegelglas, daß er sich selber auf dem Kopfe stehen sah, und an jedem Fenster standen drei Schreiber und ein Oberschreiber, und Jeder von diesen schrieb Alles nieder, was gesprochen wurde, damit es sofort in die Zeitung käme und für »Einen Silbergroschen« an der Straßenecke verkauft werde. Es war entsetzlich, und dabei hatten sie dermaßen in dem Ofen eingeheizt, daß er glühend war.
»Hier ist eine entsetzliche Hitze, hier!« – sprach der Freier.
»Ja wohl! mein Vater bratet aber auch heute junge Hähne!« sagte die Königstochter.
»Mäh!« da stand er wie ein Mähäh; auf solche Rede war er nicht gefaßt gewesen; kein Wort wußte er zu sagen, obgleich er etwas Witziges hatte sagen wollen. »Mäh!«
»Taugt nichts!« sprach die Königstochter. »Fort, hinaus mit ihm!« und hinaus mußte er.
Nun trat der andere Bruder ein.
»Hier ist eine entsetzliche Hitze!« – sagte er.
»Ja wohl, wir braten heute junge Hähne!« bemerkte die Königstochter.
»Wie be – wie?« sagte er, und die Schreiber schrieben: wie be – wie!
»Taugt nichts!« sagte die Königstochter. »Fort, hinaus mit ihm!«
Nun kam Tölpel-Hans dran; er ritt auf dem Ziegenbocke direct in den Saal hinein. »Na, das ist doch eine Mordhitze hier!« sagte er.
»Ja wohl, ich brate aber auch junge Hähne!« sagte die Königstochter.
»Ei, das ist schön!« erwiderte Tölpel-Hans, »dann kann ich wohl eine Krähe mit braten?«
»Mit dem größten Vergnügen!« sprach die Königstochter; »aber haben Sie Etwas, worin Sie braten können? denn ich habe weder Topf noch Tiegel.«
»Oh, das hab' ich!« sagte Tölpel-Hans. »Hier ist Kochgeschirr mit zinnernem Bügel,« und so zog er den alten Holzschuh hervor, und legte die Krähe hinein.
»Da ist ja eine ganze Mahlzeit,« sagte die Königstochter, »aber wo nehmen wir die Brühe her?«
»Die habe ich in der Tasche!« sprach Tölpel-Hans. »Ich habe so viel, daß ich sogar etwas davon wegwerfen kann!« – und nun goß er etwas Schlamm aus der Tasche heraus.
»Das gefällt mir!« sagte die Königstochter, »Du kannst doch antworten, und Du kannst reden, und Dich will ich zum Manne haben! –aber weißt Du auch, daß jedes Wort, welches wir sprechen und gesprochen haben, niedergeschrieben wird und morgen in die Zeitung kommt? An jedem Fenster, siehst Du, stehen drei Schreiber und ein alter Oberschreiber, und dieser alte Oberschreiber ist noch der schlimmste, denn er kann nichts begreifen!« und das sagte sie nur, um Tölpel-Hans zu ängstigen. Und die Schreiber wieherten und spritzten dabei Jeder einen Tintenklecks auf den Fußboden.
»Ah, das ist also die Herrschaft!« sagte Tölpel-Hans; »nun so werde ich dem Oberschreiber das Beste geben!« und damit kehrte er seine Taschen um und warf ihm den Schlamm gerade ins Gesicht.
»Das war fein gemacht!« sagte die Königstochter, »das hätte ich nicht thun können! aber ich werde es schon lernen!« –
Tölpel-Hans wurde König, bekam eine Frau und eine Krone und saß auf einem Throne, und das haben wir ganz naß aus der Zeitung des Oberschreibers und Schreiberinnungsmeisters – und auf die ist nicht zu bauen!
Die Glockentiefe.
»Ding – dang! Ding – dang!« klingt es aus der »Glockentiefe« herauf in der Odense-Au. – Jedes Kind in der alten Stadt Odense auf der Insel Fünen kennt die Au, welche die Gärten rings um die Stadt bespült und die sich von der Schleuse bis zur Wassermühle unter die hölzernen Ueberbrückungen dahinzieht. In der An blühen gelbe Wasserlilien oder Auknöpfe, und braungefiedertes Röhricht; es wächst dort die schwarze, sammetartige Rohrpompe, hoch und dick; alte geborstene Weiden, gereckt und gestreckt, hängen weit über den Strom hinaus an der Seite der Mönchswiese und der Bleiche; aber dieser gegenüber ist Garten an Garten, einer anders als die anderen, bald mit schönen Blumen und Lauben, glatt und zierlich, wie ein kleiner Puppenstaat, bald nur mit Kohl und anderem Gemüse bewachsen; oder auch ist kein Garten zu erblicken, indem die großen Hollunderbäume sich an den Ufern ausbreiten und weit über die strömenden Gewässer hinaushängen, die hier und da tiefer sind, als daß die Ruderstange ihren Grund erreichen könnte. Dem alten Fräuleinkloster gegenüber ist die tiefste Stelle, Glockentiefe genannt, und dort unten wohnt der alte Wassergeist,