Von Jerusalem bis Rom. Martin Renold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Renold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847699521
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lassen, und er wolle nicht, dass man ihm Wortbruch vorwerfen könne. Wie er ihm bereits erklärt habe, regle sich die Sache nach einiger Zeit von selbst.

      Saul respektierte das, obwohl er meinte, man müsse das Übel mitsamt den Wurzeln ausreißen, und die Wurzeln seien schließlich die Apostel.

      Umso leidenschaftlicher ging Saul gegen die andern vor, und ich tat es ihm gleich. Wir wussten, dass viele dem Tod überantwortet wurden.

      Als die meisten geflohen waren und wir kaum mehr jemand gefangen nehmen konnten, gingen wir zum Hohenpriester.

      »Wir haben unsere Arbeit in Jerusalem getan, so gut wir konnten«, sagte Saul. »Aber viele sind geflohen. Wir wissen nicht, wohin sie gegangen sind. Es scheint, dass die meisten nach Norden gezogen sind. Wir nehmen an, dass sie unser Land verlassen haben.«

      Saul glaubte nicht, dass sie sich in Samaria oder Galiläa aufhielten. So weit reichte nämlich die jüdische Gerichtsbarkeit.

      »In Damaskus gibt es eine große jüdische Gemeinde«, fuhr Saul fort. »Es ist wahrscheinlich, dass sie dort Zuflucht suchen. Ich bitte darum, dass Ihr mir Briefe an die Synagogen mitgebt, in denen Ihr bittet, Männer und Frauen, die der neuen, verderblichen Lehre anhangen, nicht aufzunehmen, sondern mir zu übergeben, damit ich sie gefesselt nach Jerusalem zurückbringen kann, wo sie dann abgeurteilt werden können.«

      Der Hohenpriester war einverstanden, ließ Briefe an die Vorsteher der Synagogen in Damaskus aufsetzen und überreichte sie Saul.

      Wir rüsteten uns für den weiten Weg. Außer Saul und mir waren noch fünf berittene Soldaten, die Ketten und Seile mitführten, um die Gefangenen sicher nach Jerusalem zurückschleppen zu können. Wir zogen in Betracht, in Damaskus Wagen zu kaufen, auf denen wir sie dann anketten würden. So verließen wir Jerusalem und zogen hinab gegen Jericho. Von dort ging es weiter im Jordantal hinauf zum See Genezareth.

      An der Grenze zu Syrien wurden wir kurz aufgehalten. Syrische Zöllner und römische Grenzwächter kontrollierten uns. Da Saul von seinen Vorfahren her römischer Bürger war und weil die uns begleitenden Soldaten nicht als solche zu erkennen waren, gab es keine Schwierigkeiten.

      Wir ritten durch enge Täler, in denen die Hitze manchmal fast unerträglich war. Auch die Pferde schwitzten. Wir waren froh, als wir die Berge hinter uns hatten, zur Linken den gewaltigen Hermon, und vor uns bereits die Stadtmauern von Damaskus sahen.

      Zwei unserer Begleiter ritten ein Stück vor uns, die drei andern hinter uns.

      Saul hatte mir unterwegs einiges aus seinem Leben erzählt, wie er im Elternhaus mit seinen Schwestern aufgewachsen sei und einen Beruf erlernt habe. In Jerusalem habe er sich zum Rabbi ausbilden lassen. Als Pharisäer habe er mit scharfen Augen beobachtet, was dieser Jesus gelehrt und an Wundern getan habe. Als er gekreuzigt worden sei, habe er geglaubt, nun sei die Gefahr, dass sich diese Irrlehre weiterverbreite, vorbei. Als es aber hieß, er sei auferstanden und behaupte, der Messias zu sein, und als diese Sekte entstand und immer größer geworden sei, habe er nicht länger zusehen können. Als gesetzestreuer Jude könne er nicht zulassen, dass die Thora derart missachtet werde.

      Ich versprach Saul, ihm, so lange er es wünsche, zur Seite zu stehen und ihm bei der Vernichtung dieser schädlichen Lehre und ihrer Anhänger zu helfen

      Jetzt, im Anblick der Mauern von Damaskus, besprachen wir noch einmal unser Vorgehen.

      »Diese Sektierer werden sich wundern«, sagte er gerade noch, als auf einmal vor uns ein helles Licht aufleuchtete. Es schien mir im ersten Augenblick, als ob ein Blitzstrahl direkt vor Sauls Pferd niedegehe. Doch es konnte kein Blitz sein, denn es folgte kein Donner. Und das helle Licht verschwand nicht, sondern blieb und schien wie eine leuchtende Wolke vor uns zu schweben. Sauls Pferd hatte sich aufgebäumt, meines hatte erschrocken einen Sprung nach link getan, so dass ich mich nur mit Mühe auf ihm halten konnte. Als ich mein Pferd beruhigt hatte und es wenden konnte, sah ich, dass Saul am Boden lag. Sofort sprang ich von meinem Hengst, ging hin und neigte mich über ihn. Die beiden Reiter hinter uns hatten aufgeschlossen und hielten an. Alle kümmerten sich sofort um unsere Pferde. Meins ließ sich von einem der Soldaten am Zügel halten. Sauls Pferd hatte die Flucht ergriffen, war dann aber weit draußen auf einer Weide stehen geblieben und ließ sich von den zwei anderen Begleitern nach einigem Zureden zu uns zurückführen. Jene zwei Reiter, die recht weit vorausritten, merkten vorerst noch nichts. Erst als sie das Getrappel unserer Pferde eine Weile nicht mehr gehört hatten, schauten sie sich um. Da sie über uns diesen hellen Glanz erblickten, blieben sie stehen, wendeten ihre Pferde und ritten nun langsam zu uns zurück.

      Das Licht war so hell, dass wir den Blick zu Boden wandten.

      Wir alle waren sehr erschrocken.

      Saul lag immer noch am Boden und rührte sich nicht. Doch er fragte: »Wer bist du, Herr?«

      Wir schauten uns um, um zu sehen, mit wem er spreche, doch wir konnten niemanden sehen.

      Saul schien auf eine Stimme zu hören, die wir aber nicht vernahmen. Nach einer Weile fragte er: »Was soll ich tun?«

      Wir schauten uns verlegen an, denn wir wussten nicht, richtete er diese Frage an uns oder an jemand, den wir nicht sehen konnten. Da war niemand, weit und breit niemand.

      Als mich das Licht geblendet hatte, war ich erschrocken. Ich hatte gar nicht mehr nach Saul geschaut, ob er etwas gebrochen hatte. Doch nun neigte ich mich wieder über ihn. Er griff mit dem Arm in die Höhe, als ob er eine Hand suche, die ihm aufzustehen helfen könnte. Ich ergriff seine Hand und zog ihn in die Höhe, während er sich noch mit der andern Hand am Boden abstützte.

      Er blickte seltsam drein und sagte: »Geht zurück nach Jerusalem, eure Aufgabe hat sich erledigt. Ich werde allein in die Stadt gehen.«

      Dabei schaute er uns gar nicht an.

      »Jonas«, sagte er nach einer Weile. »Bleib du hier und führe mich in die Stadt hinein.«

      Ich gab den Soldaten ein Zeichen, sie sollten aufsitzen und zurückreiten. Als sie weggeritten waren, fragte Saul: »Sind sie alle weg?«

      Da wurde mir klar, dass Saul sein Augenlicht verloren hatte.

      Ich nahm unsere beiden Pferde, band sie zusammen und führte sie und Saul, in die Stadt.

      »Bring mich in die Gerade Straße«, bat mich Saul, »und frag dort nach einem Mann namens Judas. Er wird uns aufnehmen.«

      Ich zögerte, denn das war nicht der Mann, zu dem wir gehen wollten. Dieser Judas war in unserem Plan nicht vorgesehen.

      Saul musste meine Gedanken erraten haben, denn er sagte: »Es ist schon gut so. Führ mich zu ihm!«

      Ich war zum ersten Mal in Damaskus und musste mich durchfragen. In der Geraden Straße kam uns ein Mann entgegen. Er blieb einen Moment stehen und kam dann geradewegs auf uns zu.

      »Saul?«, sagte er in fragendem Ton. »Ja, du bist es. Komm in mein Haus.«

      Saul schien ihn an seiner Stimme zu erkennen.

      »Bist du es, Judas?«, fragte er. »Zu dir wollte ich kommen. Der Herr hat mich geschickt.«

      »Von welchem Herrn sprichst du?«, fragte Judas.

      »Das erkläre ich dir später«, antwortete Saul.

      »Ich bin Jonas, sein Begleiter«, sagte ich zu Judas. »Saul ist erblindet. Er kann dich nicht sehen.«

      Judas führte uns beide in sein Haus und wollte uns bewirten. Doch Saul sagte: »Gib Jonas etwas zu essen und zu trinken. Wir haben eine lange, beschwerliche Reise hinter uns. Ich aber mag nichts zu mir nehmen.«

      Während ich aß, fragte Judas: »Was ist geschehen?«

      Saul erzählte, ein helles Licht habe ihn auf einmal umstrahlt und ihn so geblendet, dass er vom Pferd gestürzt sei. Dann habe er die Stimme von Jesus gehört.

      »›Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‹, fragte er mich. Ich fragte ihn: ›Wer bist du, Herr?‹ Er sagte: ›Ich bin Jesus, den du verfolgst. Doch steh auf, denn ich bin dir erschienen, dich zu