Später erfuhren wir, dass sich an die dreitausend von ihnen taufen ließen.
Die folgenden Tage waren in Jerusalem, vor allem auf dem Tempelberg, weiter von Aufruhr und großer Hektik geprägt. Nicht nur wegen der sommerlichen Hitze herrschte in Jerusalem eine aufgeheizte Stimmung. Die Köpfe der Hohepriester und der Rabbiner glühten. Ihnen gefiel nicht, was ihnen zugetragen wurde. Sie hatten nach der Kreuzigung Jesu geglaubt, es sei nun Ruhe eingekehrt. Seine Jünger waren von der Bildfläche verschwunden. Sie hatten wohl aus Angst die Stadt verlassen. Aber dann hieß es auf einmal, der Gekreuzigte sei von den Toten auferstanden. So ein Unsinn! Da und dort waren die Männer gesehen worden, einmal am Toten Meer, dann wieder in Galiläa, vor kurzem nun auch in Jerusalem.
»Sie verführen das Volk«, sprachen sie untereinander. »Viele lassen sich betören und verkaufen alles, was sie haben, ihre Häuser, ihre Äcker und bringen das Geld diesen Verführern.«
Viele der führenden Juden fürchteten, dass eine jüdische Sekte entstehe. Als gesetzestreuer Jude konnte ich eine solche Abspaltung nicht gutheißen. Mein heimliches Mitgefühl für den armen Gekreuzigten war das eine, aber dass seine Anhänger nun einen solchen Aufruhr verursachten und ihren Irrglauben verbreiten und den jüdischen Glauben verfälschen wollten, verurteilte ich. Das war nichts für mich. Da musste ich unseren Rabbinern Recht geben.
Ich erfuhr später, dass die Apostel das Geld verteilten und jedem davon gaben, was er nötig hatte, oder Nahrung davon kauften, um damit die Elendesten zu speisen.
Die Zahl der Anhänger dieser Sekte aber schien nun von Tag zu Tag zu steigen.
Ich war die ganze Zeit mit ein paar Männern in Bereitschaft, um jederzeit einzugreifen, wenn vom Hohen Rat der Befehl dazu kommen würde.
Eines Tages gingen Petrus und Johannes zum Tempel hinauf.
»Jesus hat mir einmal gesagt, ich würde ein Menschenfischer werden«, sagte Petrus zu Johannes. »Als Jesus noch unter uns weilte, liefen uns die Leute von selbst zu, wenn er auftrat und zu ihnen predigte. Manche ließen sich taufen, andere hörten interessiert zu, aber dann hörten wir nichts mehr von ihnen. Erst jetzt, seit der Heilige Geist über uns gekommen ist, weiß ich, was Jesus gemeint hat, als er sagte, ich werde Menschen fischen. Ich und wir alle müssen nun unaufhörlich von ihm reden und seine Lehre unter den Juden verbreiten, bis alle an den Auferstandenen glauben.«
»Du hast recht«, antwortete Johannes, »wir dürfen nicht warten, bis die Leute zu uns kommen. Wir sind schon eine große Gemeinschaft. Wir müssen zu den Menschen gehen und ihnen die frohe Botschaft Jesu bringen. Wir haben den Auferstandenen gesehen und müssen Zeugnis ablegen davon, damit alle es glauben. Und wenn ganz Jerusalem unsere Botschaft angenommen hat, dann sollten wir uns trennen und im ganzen Land verteilen und die Menschen lehren, bis jeder Jude weiß und glaubt, dass Jesus der Messias ist.«
So miteinander redend, erreichten sie den Tempelplatz.
Am Schönen Tor saß wie jeden Tag ein Lahmer und bettelte. Auch den beiden Jüngern streckte er bittend seine Arme entgegen. Doch Petrus sagte zu ihm: »Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das will ich dir geben.«
Er fasste den Lahmen an den Händen und sagte zu ihm: »Im Namen Jesu Christi aus Nazareth steh auf und geh umher!«
Als die Umherstehenden sahen, wie der Lahme, den sie schon seit undenklichen Zeiten hier betteln gesehen hatten, sich erhob und in den Tempel hineinging, um Gott zu preisen, wunderten sie sich.
Petrus sprach nun auch zu ihnen und verkündete ihnen das Evangelium von Jesus Christus. Und auch Johannes sprach mit den Menschen.
Am folgenden Tag riefen mich die Ältesten und die Rabbiner, die von der Wundertat erfahren hatten, zu sich. Sie erteilten mir den Befehl, diese zwei Irrlehrer Petrus und Johannes zu ihnen zu bringen. Ich ging mit drei von meinen Leuten in die Stadt hinab, um die beiden zu suchen. Da und dort trafen wir auf kleinere Gruppen, die wir als Anhänger dieser jüdischen Sekte ansahen. Wir fragten nach Petrus und Johannes, aber niemand konnte oder wollte uns sagen, wo wir sie finden könnten. Schließlich stießen wir auf eine größere Schar von Menschen, die einige Männer umringten, von denen wir, nachdem wir eine Weile zugehört hatten, annehmen mussten, dass sie Jünger von jenem Jesus seien.
Ich ging auf einen von ihnen zu und fragte: »Bist du Johannes?«
»Was willst du von ihm?«, fragte er zurück.
»Wenn du Johannes bist, muss ich dich und Petrus mitnehmen«, antwortete ich.
»Nein, ich bin nicht Johannes«, gab er zurück.
»Ich bin Johannes«, sagte nun ein anderer, der uns gehört hatte. »Was wollt ihr von uns?«
»Ihr müsst mit uns zum Tempel gehen. Die Rabbiner wollen euch sprechen.«
Ich war darauf gefasst, dass er sich widersetzen würde, und hatte zwei meiner Begleiter neben ihm postiert. Doch er schien sich nicht wehren zu wollen, sondern rief einem andern zu: »Petrus, komm, die Rabbiner wollen mit uns reden.«
Dieser Johannes war noch ein sehr junger Mann, beinahe ein Jüngling. Der andere, der nun zu uns trat, war älter, ein kräftiger Mann. Doch auch er kam widerstandslos mit.
Wir führten sie nun zum Tempel. Da waren Pharisäer und Sadduzäer versammelt. Die befragten die beiden Apostel, mussten sie jedoch schon bald wieder laufen lassen, da sie nichts Unrechtes an ihnen finden konnten. Sie verboten ihnen aber bei Strafe, weiterhin im Namen Jesu zu den Leuten zu reden. Doch Petrus und Johannes sagten: »Sollen wir euch denn mehr gehorchen als Gott?«
Ich dachte: »Ist das Mut oder Frechheit oder vielleicht einfach Dummheit? Sich so den Gelehrten und Hütern des Gesetzes Mose zu widersetzen.«
Aber schließlich ging mich das ja auch nichts an. Ich führte die beiden hinaus und ließ sie laufen. Sie hielten sich jedoch nicht an das Verbot. Und durch sie und die andern Jesus-Jünger geschahen weiterhin viele Wunder.
Nun bekam ich den Befehl vom Hohenpriester selbst, alle diese Unruhestifter gefangen zu nehmen und sie ins Gefängnis zu bringen. Dafür musste ich natürlich Verstärkung mitnehmen. Man sagte mir, in welchem Haus ich diese Männer finden würde. Einer der ganz radikalen Pharisäer, Saul, hatte sie schon vor einiger Zeit ausfindig gemacht.
Wir fanden tatsächlich alle in dem Haus. Es waren auch Frauen bei ihnen, von denen einige in ein Wehgeschrei ausbrachen. Doch sie wurden von den Männern beruhigt. Es würde ihnen nichts geschehen, der Herr sei doch mit ihnen.
Dann ließen sie sich abführen.
Es war bereits später Nachmittag. Wir brachten sie ins Gefängnis und schlossen sie ein.
»Bewacht sie gut!«, mahnte uns noch jener Saul, der mit uns gekommen war, um alles zu überwachen.
Ich überprüfte alle Schlösser und teilte die Wachen ein. Um Mitternacht wurde die erste Wache abgelöst, nach fünf Stunden die zweite. Jede Wache bestand aus zwei Mann. Ich war die ganze Nacht anwesend.
Als ich nach Tagesanbruch den Befehl gab, die Türen vorsichtig aufzuschließen und den Gefangenen Wasser und Brot zu bringen, waren die zwei Zellen, in denen ich sie untergebracht hatte, leer.
Ich konnte das nicht verstehen. Es musste während der zweiten Wache geschehen sein. Denn als ich alle Wächter fragte, stellte sich heraus, dass zu einer bestimmten Zeit alle Wächter, die vor den Zellen wie auch jene vor dem Hauptportal, kurz eingenickt waren. Alle gaben es auf mein Drängen zu, aber jeder behauptete, in der kurzen Zeit ihres Einnickens könnten die Männer unmöglich aus dem Gefängnis ausgebrochen sein. Es war auch tatsächlich nichts zu sehen, das auf einen Ausbruch hingedeutet hätte. Die Schlösser waren, als ich das Frühstück bringen ließ, vollständig verriegelt, so wie wir sie am Abend zuvor verschlossen hatten.
Am nächsten Tag gingen die Apostel, so nannten sie sich, wieder in den Tempel, um zu predigen.
Einerseits bewunderte ich ihren Mut. Ausgerechnet im Tempel, unter den Augen der Gesetzeslehrer und Priester,