Langsam und gemessenen Schrittes ging ich über die große alte Stadtbrücke, die die Moldau überspannte, ich sah nicht die Figuren aus dem Zauberreich, die sie zierten, ich sah nicht das Wasser des Flusses, das unter mir mit stetem Gurgeln dahin strömte und ich achtete nicht auf die Menschen, die mir entgegenkamen. Fest hielt ich das Gesicht auf die andere Seite des Flusses gerichtet, auf die Kleinseite dieser großen Stadt Prag, wo gleich hinter dem Fluss der Palast des Generals Wallenstein lag, des großen Feldherrn Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland. Zum Generalissimus war er vom Kaiser Ferdinand dem Zweiten in Wien ernannt worden, ein Titel, der allein ihm vorbehalten war.
Der Sommer dieses Jahres 1625 hatte viel Regen gebracht, Überflutungen sogar, aber jetzt strahlte die Sonne seit einer Woche mit großer Kraft, obwohl der September sich seinem Ende näherte. Die Bäume hatten wegen der vielen Niederschläge noch nicht einmal angefangen, ihre Blätter zu färben, dick belaubt und dunkelgrün spendeten sie Schatten, als ich jetzt die Brücke verließ und auf die Allee einbog, die zum Palast des Generalissimus führte. Beeindruckend lang und breit war sie, gerade auf den Haupteingang zulaufend, von riesenhaften Eichen gesäumt, unterbrochen allenfalls von ein paar Buchen und Tannen. Mit meinen dünnen Festtagsschuhen hatte ich Mühe, über das holperige Kopfsteinpflaster zu laufen, widerstand aber der Versuchung, neben der Straße auf dem Gras zu gehen, obwohl mein linker Fuß, der leicht behindert ist, mir erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Ich wollte nicht gleich zu Beginn schlecht auffallen, war aber doch erleichtert, als ich hinter mir das laute Hufgeklapper von Pferden hörte, dem das Rollen des von ihnen gezogenen Wagens folgte. Erleichtert trat ich zur Seite auf das Gras und sah mich um. Eine prächtige Kutsche, von vier kohlschwarzen Wallachen gezogen, rollte an mir vorbei, dichte Vorhänge vor den Kutschfenstern verweigerten mir jeden neugierigen Blick auf die Insassen. Ich sah ihr einen Augenblick nach, wie sie über das raue Pflaster dahinglitt, wie die langen starken Federn des Wagens die Unebenheiten ausglichen und wie sie dann in einem schönen Bogen vor dem Haupteingang vorfuhr und hielt. Langsam nahm ich meinen Weg wieder auf und schritt auf das Schloss zu, um die Allee kurz vor dem Haupteingang des Palastes zu verlassen und in einen kleinen Weg nach rechts abzuzweigen, der, wie ich annahm, für die Dienstboten vorgesehen war. Bescheiden hielt ich mich am Rand des Weges, der nicht gepflastert war und ging auf die Nordecke des riesenhaften Gebäudes zu. Tatsächlich, an dieser Seite gab es eine kleine Tür, an die ich vorsichtig klopfte.
„Ja bitte?“ Ein alter Diener in der rotbraunen Livree des Herzogs lugte durch einen kleinen Spalt und sah mich an.
„Was wünschen Sie?“
„Ich heiße Jakob Rheidt und bin zu Seiner Fürstlichen Gnaden um vier Uhr bestellt, um mich als Schreiber zu bewerben.“
„Gut, kommen Sie herein, ich werde Sie dem Kammerdiener melden.“
Mit diesen Worten öffnete er die Tür ganz und ließ mich hinein, um mir gleich dahinter eine schmale Bank zu weisen, auf der ich warten sollte. Hier im Haus, auf dem dunklen Flur, war es angenehm kühl. Ich wusste, ich war zu früh, und richtete mich auf eine längere Wartezeit ein.
2.
Ich gab mich bescheidener als ich mich fühlte. Schließlich war ich vom Rat ausgewählt und abgesandt worden, um als Schreiber des Generals zu wirken.
„Setze sich der Herr und schreibe er, was ich ihm ansage“. Ich hatte nicht sehr lange warten müssen und stand zum ersten Mal vor dem berühmten General Albrecht von Wallenstein. Er war zu dieser Zeit von der Gicht, die ihn in späteren Jahren so plagte, noch nicht allzu sehr befallen, ein nicht großer, sehr vornehmer Herr mit braunen, alles durchdringenden Augen und dunklen Haaren. Sein an sich schon schmales Gesicht wirkte durch den Schnauzbart und den nach unten spitz zulaufendem Kinnbart, der neuerdings sehr in Mode war, noch länger, als es ohnehin schon war. Scharf fasste er mich ins Auge, bevor er mich an den Tisch befahl und mir irgendeinen unbedeutenden Text in die Feder diktierte.
„Der Herr hat eine sehr saubere Schrift“, lobte er mich. Zum ersten Mal hörte ich diese äußerst unpersönliche Anrede, die er auch gegen ihm sehr vertraute Personen gebrauchte.
„Wenn Eure Fürstliche Gnaden mich als Schreiber anstellte, könnte ich Ihre gesamte Korrespondenz führen“, so pries ich mich an, und tatsächlich rief er mich am nächsten Tag zu sich, um mir mitzuteilen, dass ich für ihn arbeiten solle.
Tag für Tag kam ich nun morgens um sechs Uhr pünktlich zu ihm in sein Schloss in Prag, wo er sich in diesem Winter aufhielt. So viel war zu schreiben, dass der General mir einen Monat später befahl, endgültig zu ihm zu übersiedeln, damit ich immer für ihn bereit sei.
Was gab es alles zu tun! Seit dem Frühjahr des Jahres war mein Gebieter als oberster General über das Heer des für die katholische Sache kämpfenden Kaisers eingesetzt und deshalb in lebhafter Korrespondenz mit dem Hof. Auch war er bestrebt, den Überblick über seine reichen Ländereien zu behalten. Zwar hatte er überall Verwalter eingesetzt, die sein Vertrauen genossen und die nach meinem Eindruck ihren Dienst auch vergleichsweise ehrlich verrichteten, aber der Generalissimus war ein pedantischer Wirtschafter, der alles bis in die kleinsten Anschaffungen für die Bediensteten kontrollierte und darüber ausgiebigen Briefwechsel führte, den ich zu erledigen hatte.
Und dann wollte die Armee, die er kurz nach meiner Einstellung aufzubauen begann, verwaltet werden. Auch da gab es zwar die Offiziere, die sich um ihre Bereiche kümmerten. Aber General Wallenstein war auch in militärischen Dingen äußerst penibel, keine Maßnahme durfte ohne Prüfung durch ihn und ohne seine Genehmigung durchgeführt werden.
Langsam arbeitete ich mich in die riesige Korrespondenz ein. Der Krieg, der seit 1618 immer wieder im deutschen Reich aufflammte, war 1625 fast ganz zum Erliegen gekommen. Alle Parteien schienen kriegsmüde, bis auf den Kaiser Ferdinand in Wien, der aber seine Kasse vollkommen verausgabt hatte und deshalb nicht in der Lage war, ein neues Heer aufzustellen. Dennoch wollte er keinen Frieden.
Dem an Bargeld armen, aber kriegslüsternen Kaiser war das Angebot Albrechts von Wallenstein daher hoch willkommen, für den Kaiser und die katholische Sache auf eigene Kosten ein Heer aufzubauen.
„Fünfzigtausend Mann will ich Eurer Majestät rekrutieren“, soll er geprahlt haben und auf die Frage, ob nicht auch zwanzigtausend ausreichend seien, geantwortet haben: „Je größer meine Armee ist, desto leichter schlage ich den Feind. Aber die Soldaten sollen die kaiserliche Schatulle kein Goldstück kosten. Ich bezahle sie allein.“
Das scheint dem Kaiser gefallen zu haben, besonders, dass der General sein Heer in protestantische Länder führen wollte, nicht in katholische, und so gab er nach monatelangen Verhandlungen Wallenstein alle Vollmachten, Soldaten zu werben, Steuern einzutreiben zu ihrer Unterhaltung und Krieg im Namen der katholischen Majestät zu führen. Dazu verlieh er dem Ehrgeizigen den Titel des Generalissimus, um den er gebeten hatte. Eine Armee von vierundzwanzigtausend Soldaten sollte er aufstellen dürfen.
Kurz nachdem ich sein Schreiber wurde, hatte Wallenstein mit dem Aufbau des Heeres begonnen. Als Sammelplatz hatte er die große Ebene fünfzig Kilometer nordwestlich von Prag ausersehen. Von da schwärmten Tausende Werber aus, die junge Männer suchten, die bereit waren, gegen ein Handgeld und das Versprechen eines anständigen und regelmäßig gezahlten Soldes für den Kaiser und den Generalissimus in den Krieg zu ziehen.
Und sie hatten Erfolg, die Werber Wallensteins. Sie waren von bewaffneten Trupps begleitet, deren Schutz sie nötig hatten, führten sie doch eine Menge Goldes bei sich. Jedem, der bereit war, den Fahnen des Generalissimus zu folgen, boten sie einen Monatssold von zwanzig Gulden an, pünktlich am Ende eines Monats zahlbar und ein sofortiges Handgeld von drei Monaten, also sechzig Gulden. Vor allem in den Städten hatten sie Erfolg, in denen sich junge Männer aus den unterschiedlichsten Gründen herumtrieben, Bauernsöhne, deren ältere Brüder den elterlichen Hof geerbt hatten und die in die Stadt geflohen waren auf der Suche nach Lohn und Brot, die sie zu Hause nicht finden konnten. Handwerksburschen ohne Arbeit, ausgespuckt von der vom jahrelangen Krieg zerstörten Wirtschaft und Kriminelle, die froh waren, den polizeilichen Nachforschungen zur Armee entfliehen zu können.
Aber auch auf dem Lande fanden sie bereitwillige junge Männer, die keine