Des Orakels Richterspruch. Clemens Anwander. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Clemens Anwander
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039269
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seine Fassade nicht fallen. Sucaría hatte nicht nur eindeutig Interesse an ihm, was sie ihm auch deutlich zu verstehen gab, sie sehnte sich auch nach Gesellschaft, die sie hier nicht mehr bekommen würde. Außer natürlich von ihm. Dies galt es auszunutzen, und in Jarihms Kopf formte sich bereits ein grober Plan, wie dies vonstattengehen sollte. Er nahm das Gespräch sofort wieder auf.

      »Ich bin mir zwar sicher, dass du dir dessen auch bewusst bist, aber darf ich dir nochmals meine Komplimente bezüglich deines ganzen Auftretens machen? Dein bildhübsches Antlitz und deine kecke Art haben mich vollkommen verzaubert. Ich darf mit Fug und Recht behaupten, dass du die vollkommenste Frau bist, die mir je über den Weg gelaufen ist, und ich hätte es wohl mein Leben lang bereut, wenn ich nicht den Mut gehabt hätte, dich anzusprechen.«

      Obwohl Jarihm wusste, dass er mit diesen Komplimenten sehr dick aufgetragen hatte, ganz davon zu schweigen, dass auch einiges davon nicht ganz der Wahrheit entsprach, verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Sucaría schoss das Blut in die Wangen, und sie nahm abermals schnell einen Schluck ihres Weines, um dies zu kaschieren - doch es war bereits zu spät. Jarihm hatte es genau gesehen und freute sich wie ein Kind, dass seine Bezirzungen offensichtlich genau ins Schwarze getroffen hatten. Nachdem sie das Glas wieder abgesetzt hatte, ergriff sie wieder die Initiative. »Deine Worte ehren mich, Jarihm de Los Cuervos, doch ich denke, ich sollte demnächst aufbrechen. Mein Heimweg ist lange, mein Sold beinahe verbraucht und mein Kopf auf Grund des Weines schwer.«

      Dies konnte Jarihm natürlich nicht zulassen, würde ihr Weggang doch verhindern, dass er seine weiteren Pläne mit ihr, in dieser Nacht noch umsetzen würde können. Doch dies galt es vorsichtig zu tun, zu lebhaft war noch das schmerzverzerrte Gesicht des Hünen vor seinem geistigen Auge.

      »Bevor du gehst«, begann Jarihm das Gespräch, »möchte ich dir noch ein Angebot unterbreiten. Sag, Schildmaid des Königs, wie viele Geld trägst du noch bei dir?«

      Sucaría griff in ihre Tasche, förderte eine Handvoll Münzen zu Tage und zählte diese innerhalb eines Atemzugs ab.

      »Lediglich drei Silber- und fünf Bronzemünzen, warum fragst du? Schlägst du mir etwa vor, mir meinen Sold auf horizontale Weise aufzubessern?«

      Dabei zog sie ihre rechte Augenbraue in die Höhe und blickte Jarihm direkt in die Augen. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er fühlte sich in diesem Moment unheimlich bedroht. Er zwang sich seinen schneller werdenden Atem zu kontrollieren.

      »Aber wo denkst du nur hin? Hab ich nicht eben bereits erwähnt, dass ich zu solchen Ferkelein nicht fähig bin? Allerdings, so denke ich mir, hast du sicher schon einmal Pajam gespielt, oder irre ich mich da?«

      Sucarías Grinsen wurde breiter.

      »Jarihm de Los Cuervos, willst du mir im Ernst vorschlagen, mit dir um meinen verbliebenen Sold Karten zu spielen? Dann sollte ich dich nämlich warnen: In so manch langen Nächten in einer langweiligen Wachstube habe ich mir schon die Zeit mit diesem Spiel vertrieben. Bist du sicher, dass du dieses Risiko eingehen willst?«

      Jarihm grinste diabolisch, während er aus einer seiner rückseitigen Hosentaschen das Kartenspiel herausfischte. Genau mit so etwas hatte er bereits gerechnet. Die Soldaten des Königs waren bekannt dafür, stundenlang Pajam zu spielen, und er war sich daher sicher gewesen, Sucaría für eine Partie begeistern zu können. Er selbst beherrschte es natürlich beinahe perfekt, doch an dem heutigen Abend hatte er nicht vor zu gewinnen. Es ging einzig und allein darum, Sucaría länger hier zu behalten und sie zu verführen. Und das würde ihm wohl gelingen, wenn er lediglich schlecht genug spielte. Aus Erfahrung wusste er nämlich, dass er für Frauen wohl zum Erbarmen aussah, wenn er verlor und sie dadurch den Drang verspürten, ihn trösten zu müssen. Kombinierte man dieses Bedürfnis noch mit deren gefüllten Taschen und somit bester Laune, dann ergab sich daraus oft genug die Art von Lust, auf die er es abgesehen hatte. Er mischte, teilte aus und nahm seine zehn Karten auf die Hand. Er hatte eine gemischte Fünfer-Zahlenkombination auf der Hand, die er im Normalfall höchstwahrscheinlich durchbringen hätte können, hätte er drei Karten getauscht. Seine Niederlage vor Augen, behielt Jarihm jedoch sein gesamtes Blatt und ließ seinen hohen Multiplikator ungeschützt, setzte jedoch trotzdem fleißig Münzen. Sucaría war eine gute Spielerin. Sie realisierte, dass er einen Fehler gemacht hatte, ließ sich aber nicht die geringste Regung anmerken. Ohne zu zögern nützte sie ihre Chance eiskalt aus und gewann die erste Runde haushoch. In der nächsten Runde, in der er eigentlich die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Einsatz wieder zu gewinnen, passierte in etwa dasselbe. Damit hatte sie das erste Spiel gewonnen, und er schob, betrübt drein blickend, eine beträchtliche Anzahl Münzen über den Tisch. Sie nahm diese an sich und sah ihn dabei mitleidig an.

      »Also für einen Hobbyspieler bist du nicht übel, doch mit mir kannst du es noch lange nicht aufnehmen. Doch ärgere dich nicht, dafür gebe ich die nächste Runde aus.«

      Mit diesen Worten gab sie der Kellnerin zu verstehen, den Weinnachschub nicht abreißen zu lassen. Während die beiden so vor sich hin spielten, wurde die Nacht immer länger und als Jarihm aufblickte, stellte er zufrieden fest, dass sie inzwischen alleine waren. Er hatte zwar inzwischen über fünf Goldstücke verloren, doch das war ihm reichlich egal. Aus der Schatzkammer seines Vaters konnte er sich im Prinzip so viel Gold nehmen wie er wollte, die lächerlichen Schlösser stellten schon lange kein ernsthaftes Hindernis mehr für ihn dar. Einmal hatte er sogar über 100 Goldstücke auf einmal entwendet, und es war seinem Vater nicht aufgefallen. Jarihm hatte gerade wieder ein Spiel verloren, als Sucaría zu gähnen begann. Dies sah Jarihm als Zeichen, um endlich auch einmal auf Sieg zu spielen.

      »Wie ich sehe, bist du inzwischen reichlich müde geworden?«

      »Das kann man wohl sagen«, brachte sie unter einem weiteren herzhaften Gähnen hervor.

      »Da ich weiß, dass du einen langen Heimweg hast, würde ich dir gerne ein Angebot machen. Ich habe im Obergeschoß dieses Hauses einen eigenen Raum, in dem ich normalerweise meine Handelsgäste unterbringe. Dementsprechend luxuriös ist er natürlich auch ausgestattet. Ich biete dir ein letztes Spiel. Wenn du gewinnst, darfst du, natürlich kostenlos, dort nächtigen. Wenn ich gewinne, darfst du ebenfalls dort nächtigen, doch wirst du dann nicht alleine sein, wenn du verstehst, was ich meine.«

      Sie zog erneut eine Augenbraue in die Höhe, offensichtlich überlegend, was sie nun tun sollte. Jarihm zwang sich ruhig zu atmen. Das Gefühl, das er hatte, wenn er solche Fragen stellte, erinnerte ihn immer daran, wie es war, wenn man im Hochsommer in eine eiskalte Quelle sprang. Ungewiss, ob es einen umbringen, oder ob man danach erleichtert weiterziehen würde. Plötzlich ging ein Ruck durch die Schildmaid und sie erhob sich von ihrem Stuhl. Jarihm rutschte das Herz in die Hose, doch er zwang sich ebenfalls aufzustehen. Gewiss würde sie ihm Ähnliches antun wie diesem anderen Kerl, vielleicht sogar etwas noch Schlimmeres. Sie trat auf ihn zu bis sie so knapp vor ihm stand, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. Er konnte sehen, wie sie sich anspannte. In blinder Panik schloss er die Augen. Wartete auf die Schmerzen. Doch nichts passierte. Vorsichtig blinzelte er mit seinem linken Auge. Sie hatte sich nach immer nicht wegbewegt, ihr verführerisch fruchtiges Parfüm, das sie nach Cassis duften ließ, fand den Weg in seine Nase. Sie beugte sich zu seinem Ohr, hauchte mehr als sie sprach.

      »Und ich dachte schon du würdest überhaupt nicht mehr fragen!«.

      Sanft drehte sie sich von ihm weg und zog ihn an seiner Hand in Richtung Treppe.

      Royale Schwärze

      Naileen betrachtete sich im Spiegel, steckte sich zur Krönung eine einzige, himmelblaue Lilie in ihr pechschwarzes Haar und war mit dem Ergebnis äußerst zufrieden. Sie war schon seit jeher hübsch gewesen, aber dank der königlichen Schneider, die ihr die exquisitesten Stoffe speziell an ihren Leib anpassten und der begnadeten Dienerin Ruika, die ihr zwar dezent aber wirkungsvoll mit Zinkoxid den vornehmen, blassen Teint verschaffte, um mit Hilfe von Koschenille und Sandelholz ein intensives Rot auf ihre Lippen zauberte, war sie einfach atemberaubend schön. Und dies fand nicht nur sie selbst. Schon bevor sie von Degaar umworben worden war, hatten sich etliche Männer um sie bemüht, deren Wollust ihnen direkt ins Gesicht geschrieben gewesen war. Sie hatte lediglich