Des Orakels Richterspruch. Clemens Anwander. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Clemens Anwander
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039269
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gehörte ganz bestimmt nicht dazu. »Jasid? Wie das unsägliche, stinkende und ungenießbare Schwein?«, brachte die Hübsche unter ihrem plötzlichen Lachanfall hervor. Jarihm hob den Blick, eben bekam sie zart rosa Backen vor lauter Lachen und hielt sich immer noch den Bauch. Verdammt! Was hatte er da eben gesagt? Jasid? War er denn inzwischen von allen, ihm noch verbliebenen, guten Geistern verlassen? Brachte er vor dieser Schönheit nicht einmal mehr seinen eigenen Namen ohne Fehler heraus? Sei’s drum. Jetzt war es ohnehin zu spät. Er hatte es tatsächlich geschafft, sich als vierter Mann an diesem Abend vor der Fremden zu blamieren. Er hätte sich die Haare raufen können. Die Gesprächspause war inzwischen unangenehm lang geworden. Er fühlte sich gedrängt, endlich wieder das Wort zu ergreifen.

      »Jarihm, ich meine natürlich Jarihm.«, stammelte er. So plump und unelegant hatte er sich seine Gesprächseröffnung wirklich nicht vorgestellt.

      »Ich muss wirklich sagen, dass dies mit Abstand der amüsanteste Versuch ist, meine Aufmerksamkeit zu erregen, den ich heute Abend hier gehört habe.«

      Sie lächelte nun, wischte sich eine Träne, welche sich in ihrem Augenwinkel gebildet hatte weg und schob den Stuhl, auf den sie bis eben noch ihre Beine hoch gelagert hatte, hervor. »Beim Ylyrianum, diese Aufmunterung hab ich gebraucht nach dem Kerl von vorhin … Setz dich! Ich muss dich ja auch dafür belohnen, dass du aufgehört hast mich nur anzustarren und endlich den Mumm aufbringen konntest, herüber zu kommen. Und noch dazu hast du den Vorteil, gut auszusehen.«

      Sie zwinkerte Jarihm zu. Eigentlich mochte er es gar nicht, wenn die Frauen einen solch aktiven Part übernahmen und ihn so direkt ansprachen, aber er hatte sich diese Herausforderung ausgesucht und er würde die Chance, die sich unerwarteterweise ergeben hatte, nicht ungenützt lassen.

      »Herzlichen Dank, das Kompliment darf ich sofort zurückgeben. Übrigens habe ich nicht gestarrt, sondern bewundert. Und ich hoffe, es war nicht der falsche Zeitpunkt, um dich anzusprechen!«

      Jetzt lächelte sie wieder, aber dieses Mal war es kein verletzendes Lachen, wie das vorherige, sondern ein herzliches, das ihn innerlich wärmte.

      »Oh, es war genau die richtige Zeit dafür, besser als du es vermutlich zu hoffen gewagt hast.«

      Jarihm lächelte, während er einer Kellnerin deutete, mehr Wein zu bringen, welche der Bestellung auch sofort nachkam. Jarihm war froh, dass er im „Zum Betrunkenen Elf“ ein gern gesehener Gast war, dem sofort jeglicher Wunsch erfüllt wurde. Was eigentlich nicht weiter verwunderlich war, wie er sich selbst eingestehen musste. Immerhin war sein Vater der Verpächter dieses Betriebes, wie von so vielen anderen auch in dieser Stadt. »Darf ich mein Glas auf deine Schönheit heben und dich fragen, ob du mir offenbarst, was der Kerl, der wohl so schnell keine Dame mehr belästigen wird, zu dir gesagt hat?« Ihr Gesicht wurde schlagartig ernst, die Spuren der vorangegangen Fröhlichkeit wie weggefegt.

      »Du darfst, und obwohl es mir keine Freude bereitet, werde ich es wiederholen.«

      Sie seufzte kurz auf und nahm einen kleinen Schluck ihres Getränks, ehe sie den Faden wieder aufnahm.

      »Nachdem er sich mir genähert hatte, mich dabei angaffend, als ob er am Pferdemarkt von Fdajkar die neuste Ware begutachten würde, sagt er, und ich zitiere wörtlich: „Wenn deine Reitkünste ebenso bestechend sind wie dein Aussehen es vermuten lässt, dann könnte ich mir vorstellen, mit dir ins Geschäft zu kommen!“. Dabei grinste er noch auf solch pubertäre Art, schrecklich. In mir stieg dabei das Grauen auf. Mit diesem Mann wollte ich nichts zu tun haben, und darum habe ich ihn aufgefordert zu gehen. Als er sich dagegen entschied und mir noch dazu auf den Schenkel greifen wollte, so denke ich, hat jeder hier im Raum mitbekommen, was passiert ist.«

      Obwohl Jarihm klar war, dass dieser Spruch genauso fehlplatziert war, wie ein Gurama-Tiger in einer Farm voller Tranjus, konnte er ihm eine gewisse Komik nicht absprechen. Doch etwas sagte ihm, dass sein Gegenüber ihm nicht alles erzählt hatte. Da die Dame aber allem Anschein nach auch nicht vorhatte, dies noch zu tun, entschied er sich, dass es schlauer wäre, diesen Kommentar für sich zu behalten und ihr Recht zu geben. Ernst drein blickend schüttelte er den Kopf und murmelte: »Schlimm wie es heutzutage mit den Sitten der einfachen Bevölkerung aussieht… Bei mir bist du sicher vor solchen Ferkeleien, schließlich geziemt sich ein solches Fehlverhalten für den Besitzer des Handelsimperiums Los Cuervos nicht.«

      Eigentlich war ja sein Vater, Jadsahn de Los Cuervos, der Inhaber eben besagtes Handelsimperiums, aber diese Frau musste ja schließlich nicht alles wissen. Außerdem, so fand Jarihm, war es nur recht und billig, sich einen Titel zu geben, den er eines Tages wahrscheinlich sowieso erben würde. Was konnte schon Schlimmes passieren, wenn er hin und wieder bereits jetzt diesen Namen benutzte, um in der Damenwelt etwas mehr Eindruck zu machen, als es sonst der Fall gewesen wäre? Ganz abgesehen davon, dass er dem Titel viel gerechter wurde als sein kaltherziger Vater.

      »Oh ja, bitte beschütze mich hilflose Schildmaid.«, warf sie lächelnd ein.

      Jarihm schluckte und überlegte, ob er etwa schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten war. Nun war ihm klar, warum der Hüne, mochte er auch noch so kräftig sein, nicht den Hauch einer Chance gehabt hatte in dieser Auseinandersetzung. Sein Gegenüber war eine Offizierin der Armee, welche in jahrelangem Training geschult worden war, und dies, so erzählte man sich, auf skrupellose Art und Weise. Es kursierte das Gerücht, dass nicht einmal die Hälfte diese Ausbildung überstand, und so manch einer kehrte nie zurück. Die Elitisten und Schildmaiden des Königs wurden sowohl an der Waffe als auch waffenlos ausgebildet, um in allen erdenklichen Situationen die größtmögliche Effektivität zu erzielen, was auch erklärte, warum Sucaría dem Hünen ohne eine einzige unnötige Bewegung den Arm gezielt brechen konnte. Der Erfolg dieser Ausbildung konnte sich also sehen lassen, und das auch im großen Stil: Seit das Heer von Sekoya die Elitisten und Schildmaiden als Offiziere hatte, herrschte, von kleineren Grenzscharmützel einmal abgesehen, Frieden mit den umliegenden Ländern. Natürlich gab es immer noch genügend Probleme, vor allem mit den Banditen im südwestlichen Seengebiet und mit den Räubern im Wald von Pyurdi, aber dies war nichts, dem die Armee nicht gewachsen war. Außerdem hatte Jarihm von einem der Karawanenführer, die sein Vater beschäftigte, gehört, dass sich im Herzen des Waldes von Pyurdi, dort wo die Bäume so dicht an dicht standen, dass nicht einmal mehr das Sonnenlicht den Boden berührte, unheimliche Dinge abspielten. Von Waldgeistern und Ähnlichem war da die Rede, aber Jarihm glaubte nicht ein Wort davon. Vielmehr war ihm bereits der Gedanke gekommen, dass die Banditen selbst für das Aufkommen dieser Gerüchte zuständig waren, schließlich gab es kein effektiveres Mittel, um Neugierige vom Betreten des Waldes abzuhalten, als irgendwelche Geistergeschichten. So könnten die Banditen dort in Frieden ihre nächsten Taten planen, und hätten immer wieder eine sichere Unterkunft, wo sie nicht befürchten mussten, in die Armee des Königs zu laufen. Ja, Jarihm war sich sicher, mit dieser Einschätzung vollkommen richtig zu liegen, aber ihm war es ja schließlich egal, was diese Herumtreiber taten, solange die florierenden Geschäfte des Handelsimperiums und somit, in weiterer Folge, ihn selbst, nicht betrafen.

      »Verzeih mir, falls dies unhöflich gewirkt haben sollte. Ich habe lediglich versucht, dir meine Vorzüge darzustellen.«, führte Jarihm das Gespräch wieder fort.

      Sie winkte mit ihrer linken Hand ab und grinste dabei wieder.

      »Ich war niemals anderer Meinung. Ich stelle übrigens gerade fest, dass ich sehr unhöflich bin. Auf deine, nun ja, nennen wir es mal „einzigartige“ Vorstellung hin, habe ich vergessen, dir meinen Namen zu nennen. Ich bin Sucaría, Tochter des Zujcan-Clan.«

      »Also dann, Sucaría, Tochter des Zujcan-Clan, ich darf dir herzlich zum hervorragenden Umgang mit diesem ungehobelten Kerl gratulieren, denn ein derartiges Benehmen musste eine entsprechende Reaktion hervorrufen. Ich hoffe nur, du wirst im Umgang mit mir etwas sanfter zu Werke gehen.«

      Jarihm hob seinen Kelch, um mit ihr anzustoßen. Sucaría lächelte.

      »Solange du dich anständig benimmst, hast du nichts zu befürchten. Außerdem muss ich dir streng genommen sogar dafür danken, dass du dich zu mir gesetzt hast und damit dem Eindruck, ich sei eine der männermordenden Hexen aus den Kluran-Geschichten, entgegenwirkst. Ich habe diese verstohlenen Blicke und das Geflüster schon kaum mehr ertragen.«