VIRDULA Endlosgeschichten Band 1. Jay H. Twelve. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay H. Twelve
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844292756
Скачать книгу
und Besan musst du im Wind reffen.“

      Als Edy an Deck in seiner neuen Kleidung auftauchte, erfasste er die Situation sofort und half Erol an den Jib Winschen. Für die drei Segler war es faszinierend zuzuschauen, wie die Vorsegel wie von Geisterhand sauber abrollten. Als das Großsegel zu flattern anfing, sprang Erol zur Großmastwinsch und ließ es frei fallen. Er schaute hoch und wunderte sich, wie sich das Segel ordentlich auf dem Baum zusammen faltete. Erst dann nahm er die dünnen Führungsleinen wahr, die wie ein dreieckiges Spinnennetz am Baum befestigt waren. So etwas hatten die Jungs noch nicht gesehen, deshalb waren sie froh, das große Segel nicht an Deck aufsammeln zu müssen.

      Unweit vom Jetty legte gerade eine große Motoryacht ab. Die Leute die am Pier standen und winkten, sahen den stattlichen Trimaran auf sich zu kommen, der den gleichen Pier ansteuerte. Don und Edy warfen gerade noch rechtzeitig die Fender über die Reling, bevor die Yacht sanft am Pier anlegte. Don warf den Leuten am Pier die Achterleine zu und sah Edy zum Bug rennen. Innerhalb von wenigen Minuten war die Yacht vertäut und die Motoren abgeschaltet. Edy war schon mit der Gangway beschäftigt, vertäute sie an der Reling und ging an Land.

      „Edy, denk dran, wir warten hier bis Punkt zwölf Uhr. Ansonsten gilt alles wie vereinbart“, rief Don ihm noch nach, als er bereits die Böschung zur Straße hinauf kletterte.

      „Ich denke es wird Zeit, etwas Leckeres zum Mittagessen vorzubereiten. Die Seeluft macht mich immer hungrig“, schlug Erol vor und fasste Alida bei der Hand.

      „Denk daran, die Gäste essen nur Koscheres. Vielleicht vier gebratene Hähnchen, Bratkartoffeln oder Reis mit Salat würde allen gut schmecken“, suggerierte Don, denn er aß selbst gern knusprige Hähnchen.

      Don suchte mit dem Fernglas den Pier und Umgebung nach einem Telefonhäuschen ab. Die dunkelrot-sattgrünen, mit Royal Post’ Wappen geschmückten Häuschen waren - so wie in England - nicht zu übersehen. Er entdeckte jedoch keines. Zurück im Deckhaus informierte er Erol und Alida, dass er jetzt Samuel anrufen werde. Er verabschiedete sich von den beiden und ging die Sinbad Street entlang, in Richtung Sandgate Yachtclub. An der Ecke zur Railway Street entdeckte er ein Telefonhäuschen. Er wählte Samuels Telefonnummer, die er sich gut eingeprägt hatte. Nachdem das Telefon mehrfach klingelte, meldete sich eine männliche Stimme:

      „Hier bei Samuel und Söhne.“ Die Stimme klang ruhig, als ob der Anruf schon erwartet wurde.

      „Möchten Sie meinen Vater sprechen?“

      Don schwieg und horchte auf die Nebengeräusche, die er deutlich wahrnehmen konnte. Er hörte eine Stimme rufen:

      „Papa, da ist jemand für dich am Telefon.“

      Die Spannung bei Don löste sich, als er Samuels Stimme vernahm.

      „Don, mein lieber Freund, bist du es?“

      „Guten Morgen, Samuel, ich hoffe ihr seid alle gut gelaunt, um heute eine Angeltour zu machen?“, begann Don das Gespräch und lauschte erneut auf die Nebengeräusche in Samuels Laden. Er hörte eine Unterhaltung, kurze Sätze in deutscher Sprache, was ihn sehr verwunderte.

      „Wir haben auf deinen Anruf gewartet, es ist alles fertig gepackt. Wir warten nur noch auf unseren jüngsten Sohn, der aber bald kommen wird“, erwiderte Samuel. Seine Stimme klang gelassen und freundlich, was Don sichtlich beruhigte.

      „Samuel, mein Freund, ein Taxi wird Punkt elf Uhr vor deinem Laden anhalten. Der Fahrer weiß Bescheid und wird euch zum Anlegeplatz bringen. Bis bald, Samuel.“

      Er unterbrach die Verbindung ohne eine Antwort abzuwarten. Als Don zum Schiff zurückkehrte, erwartete ihn Alida schon ungeduldig. Don sah sie von weitem und winkte ihr zu.

      „Samuel wartet schon darauf abgeholt zu werden. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Nur der jüngste Sohn ist noch auf dem Weg zum Laden.“

      Als Edy die Sandgate Railway Station erreichte, stiegen gerade einige Fahrgäste aus, aber kein Taxi war zu sehen. Er eilte zum Schalter überlegte als Alternative mit der Bahn zur Stadtmitte zu fahren. In Sydney kannte er sich einigermaßen mit der U-Bahn aus, deshalb wusste er, dass man so schneller vorankam, als mit dem Auto. Aber Sydney hatte eine andere Infrastruktur als Brisbane, das sah er schon aus dem Stadtplan. Der Bahnbeamte am Schalter gab ihm den Tipp bis Bowen Hills mit der U-Bahn zu fahren, was etwa zwanzig Minuten dauern würde, von dort ein Taxi zur Innenstadt zu nehmen. Den Rat befolgte Edy. Kurze Zeit später setzte sich der Zug mit beachtlicher Beschleunigung in Bewegung.

      Sein Abteil war gähnend leer, darum ging er noch einmal in Gedanken alle Instruktionen durch, die er von Don erhalten hatte. An den folgenden Haltestellen füllte sich das Abteil allmählich, meistens mit jungen Menschen. Die Miniröcke waren gerade in Mode gekommen. Die prallen Schenkel der jungen Damen machten es ihm schwer sich zu konzentrieren. Schließlich gab er auf und ließ die Natur walten, reduzierte seine Aufmerksamkeit lediglich auf die Ansage der Bahnstationen. Seiner Phantasie hatte er zu viel Zügel gelassen. Die Endstation kam immer näher. Er stand auf, eilte zum Ausgang, wartete an der Tür als er spürte, dass die Erregung langsam nachgab.

      Mehrere Taxis warteten auf Kundschaft. Edy schrieb sich zuerst die Telefonnummer der Taxifirma auf, ehe er das erste Taxi bestieg. Dem Fahrer gab er die grobe Richtung an wohin er fahren wollte, wusste aber nicht wie das Kaffeehaus hieß. Der Fahrer meldete sich nach einer Weile, erklärte ihm, dass sie sich nun auf der gewünschten Straße befänden. Er wollte wissen, wo er anhalten sollte. Edy bat ihn nach einem Kaffeehaus zu suchen, worauf der Fahrer gleich Bescheid wusste. Sie fuhren noch über die nächste Kreuzung, bis das Taxi vor einem Kaffeehaus stehen blieb. Er bezahlte den Fahrer, stieg aus und suchte nach Samuels Laden. So wie es Don beschrieben hatte, entdeckte er das Geschäft gleich auf der anderen Straßenseite. Er bat den Taxifahrer Punkt elf Uhr genau vor dem gegenüberliegenden Juwelierladen auf vier Gäste zu warten. Edy gab ihm einen Zettel mit der Bitte, die Gäste bis zum Sandgate Yachtclub zu fahren. Eine Zehndollarnote als Anzahlung unterstrich seine ehrliche Absicht.

      Das Taxi fuhr ab und Edy ging in das Kaffeehaus. Das Lokal war fast leer, abgesehen von zwei Männern, die an der Bar gelangweilt ihren Mokka tranken. Ein Kühlschrank mit Glastür stand neben der Bar. Im Kühlschrank sah er verschiedene Torten und einige süße orientalische Spezialitäten liebevoll arrangiert. Nachdem Edy ausgiebig die Süßigkeiten angeschaut hatte, beobachte er in der Spiegelung der Glastür die zwei Männer an der Bar. Er ging zur Theke, bestellte eine Käsesahnetorte, dazu einen Cappuccino, zahlte gleich und ging zu einem Fenstertisch.

      Die Straße war recht belebt, meistens von Touristen die dem Sunshine Coast Trubel entronnen waren, um etwas Entspannung im Einkaufszentrum zu finden. Der Mann hinter der Bar rief jemandem in der Küche etwas zu, als die zwei Männer gerade von ihren Barhockern herunter rutschten. Sie schlenderten gelassen dem Ausgang entgegen. Edy fielen zum ersten Mal die Kleidung und insbesondere die Schuhe auf. Die Hosen entsprachen der Mode der fünfziger Jahre, eng, schwarz und kurz, wobei die spitzen Halbstiefel mit Schnürsenkeln stramm um die Fußgelenke geschnürt waren.

      „Eigenartig“, dachte er. „So etwas habe ich das letzte Mal in Wien gesehen.“ Eine leise Alarmglocke bimmelte in seinem Kopf. Die Art und Weise, wie die Männer die Straße überquerten und in eine Seitenstraße verschwanden, kam ihm wohl bekannt vor. Unterdessen brachte die Bedienung seine Bestellung und unterbrach so für einen Moment seine Gedanken.

      „Ach, verzeihen Sie bitte, Sie haben auch orientalische Süßigkeiten im Schrank, wohnen hier viele Orientale?“ fragte er die schwarzhaarige Bedienung.

      „Sie meinen Juden, nicht wahr, mein Herr?“ antwortete die Frau. Ohne eine Antwort abzuwarten fragte sie:

      „Sie sind nicht aus Brisbane, nicht wahr?“

      „Ich bin neu hier, erst vor einer Woche aus Sydney angekommen“, antwortete Edy.

      „Aber aus Sydney sind Sie auch nicht gebürtig, das erkenne ich an Ihrem europäischen Akzent“, konterte sie klugerweise.

      „Da haben Sie ins Schwarze getroffen, ich bin aus Dalmatien, wenn Sie wissen, wo das ist.“

      „Und ob ich das weiß, mein Herr, ich bin aus Graz, wenn Sie wissen,