Kel hat mir sehr viel von der Prinzessin erzählt. So wie er sein Leben für sie geben würde, so kann sie auch über meines verfügen. Über die Leben der anderen auch.
Kel ich habe bereits die königlichen Truppen inspiziert, wie du gesagt hast. Was ich da sah, macht mir echt Angst. Ich denke, dass du Recht hattest. Wir sollten versuchen auch in den dunklen Ländern Männer zu finden, denn diese Truppen hier sind für einen richtigen Kampf nicht geeignet.
Ich habe Linal dazu bekommen, sie zu trainieren und zu drillen. Aber ich weiß nicht, ob es ausreicht, um aus dieser Trachtengruppe richtige Krieger zu machen. Daher sollten wir so bald wie möglich aufbrechen.“
Je länger Einar sprach, desto ernster wurde sein Ton. Kel-Nor schaute ihn an.
„Entschuldige Ricarda, dass unser Spaziergang so schnell unterbrochen wurde, aber die Zeit scheint wirklich zu drängen. Wir müssen zu Johanna. Sie wird leider schneller in ihre Rolle gedrängt, als mir lieb ist.“
Nun schaute er zu Einar.
„Einar mein Freund. Ich werde Whin mit in die dunklen Länder nehmen. Ich möchte, dass du hier am Hofe verbleibst und die Prinzessin und ihre Familie beschützt. Dein Leben für Ihres.“
„Mein Leben für Ihres. Das verspreche ich. Kel du kannst dich auf mich verlassen. Wer der Prinzessin oder ihrer Familie etwas antun will, der muss erst einmal an mir vorbei.“
Einar grinste breit. Kel-Nor wandte sich zu Ricarda.
„Nun ist mir wohler. Einar würde ich bedenkenlos mein Leben anvertrauen.“
In einiger Entfernung fuhr eine Kutsche in Richtung Schloss. Einar pfiff laut und die Kutsche stoppte ihre Fahrt. Es waren Johanna und Katja, die auf dem Weg ins Schloss waren. Nun änderte die Kutsche ihre Richtung und kam auf sie zu. Auf dem Kutschbock saß ein Mann, der bei dem Anblick von Kel-Nor anfing zu grinsen.
„Na, Du alter Schwerenöter. Wie ich sehen konnte, scheinst Du dich ja mächtig ins Zeug gelegt zu haben.“
Tom schaute den Mann und dann Einar an.
„Sag mal, gab es eigentlich nichts Wichtigeres zu tun als sich Gedanken über mich zu machen?“
Und dabei musste er laut loslachen.
In diesem Moment öffnete sich die Tür der Kutsche und Johanna und Katja schossen aus ihr hervor. Sie nahmen ihre Mutter in die Mitte und schauten auf Kel-Nor.
„Prinzessin, ich sollte nicht nur auf Euch aufpassen, sondern auch prüfen, ob Ihr es wert seid, den Thron von Jar zu betreten. Ich hatte damals nicht viele Erwartungen, aber Sie haben mehr, als nötig wäre. Ihr seid nicht nur die Prinzessin von Jar, Ihr seid Jar.“
Kel-Nor hatte sie bei seiner Rede an den Schultern gefasst und ihr tief in die Augen geschaut. Sie blickte Kel-Nor mit aller Liebe an, die sie hatte. Nun bemerkte sie auf einmal, was hinter Kel-Nor los war. Ihr Kutscher und der große rothaarige Hüne, der mit Tom und ihrer Mutter gekommen war, knieten am Boden und hatten ihre mächtigen Schwerter vor sich aufgestellt. Auf einmal kniete Kel-Nor ebenfalls. Auch er zog sein Schwert und stelle es vor sich auf.
„Prinzessin, wir werden Euch nicht Königin nennen, aber wir werden Euch unser Leben geben. Wir, die Wanderer, werden alles tun, um Euch zu dienen. Unsere Schwerter und unser Leben sollen Euch gehören.“
Nach diesen Worten küssten alle drei Männer die Knäufe ihrer Schwerter. Ricarda und Katja sahen mit großen Augen auf sie und ganz besonders auf Kel-Nor. Dann blickten alle auf Johanna. Diese stand mit freudigem Gesicht vor diesen und hob auf einmal die Hand und bat sie wieder aufzustehen.
„Nein, ich will nicht Eure Königin sein.“
Sie schaute zu Kel-Nor.
„Dir, mein Lieber, will ich eine gute und dich liebende Freundin sein. Und Euch will ich eine gute Freundin sein. Mein Schloss und mein Reich sollen auch das Eure sein.“
Die Männer erhoben sich und steckten ihre Schwerter wieder ein. Kel-Nor ging zu Johanna und nahm sie fest in den Arm. Einar stand mit merkwürdigem Gesicht da.
„Ich wollte mein Leben für Euch geben, weil Kel mein Bruder ist. Aber nun werde ich es tun, weil Ihr es mehr als wert seid.“
Er verbeugte sich tief vor Johanna. Diese küsste Einar liebevoll auf die Stirn.
„Sei mir mein Bruder, wie Du es für Kel-Nor warst. Und Du, Whin von den Nordländern, auch Du sei mir mein Bruder.“
Der Mann verbeugte sich tief vor Johanna und auch ihn küsste sie auf die Stirn.
„Mein Schwert und mein Leben sollen Dein sein, Schwester.“
Johanna strahlte.
„Dieser Tag ist ein wahrer Segen für mich und mein Reich. Ich habe die Wanderer nicht als Verbündete - ich habe sie als Freunde. Nein, mehr noch - als Brüder. Dieser Tag wird in die Geschichte von Jar eingehen.“
Sie sah zu Katja, die etwas abseits stand. Sie schaute etwas wehmütig.
„Was hast du, Katja? Du siehst aus, als ob dir etwas über die Leber gelaufen ist. Freust du dich denn nicht?“
Nun sah sie, wie Kel-Nor Katja zu sich winkte. Sie stellte sich neben ihn und er nahm liebevoll ihre Hand.
„Prinzessin, ich muss sofort los. Ich muss in die dunklen Länder. Dort gibt es Männer und Frauen, die bereit sind für Euch zu kämpfen. Auch, wenn Euer Volk sie als Barbaren und Wilde bezeichnen, so haben sie eine hohe Kultur und vor allem sind sie ein Volk, das durch die ständige Bedrohung durch Malos kämpfen kann.
Ich denke, es könnte mir gelingen sie als Verbündete zu gewinnen. Ich muss gehen, aber ich lasse Euch Einar als persönliche Wache hier. Er wird Euch beschützen wie kein anderer. Ich werde mit Whin reisen. Und die kleine Dame neben mir weiß, dass auch sie mit muss.“
Ricarda und Johanna schauten erst verdutzt zu Kel-Nor und dann auf Katja. Ricarda wirkte erregt als sie sprach.
„Was hat Katja damit zu tun. Sie ist doch erst elf. Du kannst doch kein kleines Mädchen mit auf eine so gefährliche und lange Reise nehmen? Nein, dafür werde ich nie meine Zustimmung geben.“
Kel-Nor wollte etwas sagen, aber Katja trat vor, nahm die Hand ihrer Mutter und sah sie sehr ernst an.
„Mama, hier geht es nicht um mich oder darum, wie alt ich bin. Hier geht es um Hanna. Es wird so sein, dass Kel-Nor jemanden aus der Familie braucht, der für Johanna spricht.
Dich braucht Hanna hier, denn sie braucht eine Vertraute, die immer für sie da ist. Ich dagegen kann mit Kel-Nor und Whin in den dunklen Ländern etwas für sie tun. Hier nütze ich zurzeit niemanden.
Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen, denn Kel-Nor würde es nie zulassen, dass mir etwas passiert. Ich denke, dass auch Whin nie zulassen würde, dass ich Angst zu haben bräuchte.“
Katja küsste die Hände ihrer Mutter, die wie perplex auf ihre jüngste Tochter starrte. Aus dem kleinen und ungestümen Mädchen klangen Worte, die so vernünftig und so fest klangen, dass ihr angst und bange wurde.
Sie schaute zu Kel-Nor und Whin. Diese beiden nickten und Ricarda wusste, dass sie ihre Kleine in gute Hände geben würde. Johanna trat vor und nahm Katja in ihre Arme.
„Katja,