Mama neckte sie dann immer, denn sie fragte Johanna ob sie verliebt sei. Johanna wurde dann immer verlegen und Tom schimpfte mit Ricarda, dass sie ihre Tochter nicht immer ärgern solle. Aber Johanna wusste, dass ihre Mutter recht hatte. Vor allem, weil ihre Mutter in Tom nur einen guten Freund sah. Einen sehr Guten. Als Johanna sie einmal fragte, ob es nicht mehr wäre, hatte ihre Mutter gesagt, dass ein guter Freund mehr wert sei als ein Ehemann.
Erst verstand es Johanna nicht, aber im Laufe der Zeit wurde es ihr immer deutlicher. Noch nie hatte ihre Mutter jemanden so vertraut wie Tom. Katja, also Katja, wich ihm ja überhaupt nicht mehr von der Seite, wenn er da war. Für sie war er sowieso der Größte.
Johanna nahm ihre Sachen und ging langsam in Richtung Dusche.
Als Ricarda in die Küche kam, duftete es herrlich nach frischen Brötchen und heißem Kaffee. Katja saß schon ungeduldig am Tisch.
„Wann kommt Tom denn endlich?“
Ricarda sah sie an.
„Gar nicht, denn er hat genug von dir, du kleine Nervensäge.“
Ricarda musste lächeln. Tom besaß eine Engelsgeduld, was Katja betraf. Sie schaffte es immer wieder ihn um den kleinen Finger zu wickeln. Ab und an musste sie schon mit ihm schimpfen, weil er Katja alles durchgehen ließ. Aber wirklich ernst, meinte sie es wirklich nie.
Auf einmal drang ein lauter Schrei durch die Wohnung. Johanna!
Ricarda ließ ihre Tasse fallen und rannte durch den Flur zur Dusche. Katja war direkt hinter ihr. Ricarda riss die Tür zur Dusche auf. Dort stand Johanna, oben ohne und starrte wie gebannt in den Spiegel. Ihre Augen waren riesengroß.
„Was hast du, Kleines? Was ist passiert?“
Johanna starrte immer noch wie gebannt in den Spiegel. Ricarda riss sie herum und dann sah sie es. Direkt unter Johannas rechter Brust war auf einmal ein großes Muttermal. Nein, eher eine Tätowierung. Ja, es war ein Tattoo. Es stellte einen stilisierten Baum mit drei Ästen und jeweils drei Blättern da.
„Was ist das? Woher hast du denn das Tattoo?“
„Ich habe keine Ahnung Mama. Gestern Abend war es noch nicht da. Mama, was ist das? Ich habe Angst.“
Johanna lag in Ricardas Armen und zitterte wie Espenlaub.
„Ist ja gut. Du hast dir das Tattoo wirklich nicht selbst machen lassen?“
„Nein. Ganz bestimmt nicht. So etwas würde ich nie tun.“
Ricarda wusste, dass ihre Tochter nicht log. Aber unbestritten, unter Johannas rechter Brust war eben genau dieses Tattoo. Von alleine konnte es doch auch nicht gekommen sein, oder?
„Das ist verrückt.“
Johanna schaute dabei ihre Mutter an.
„Was ist verrückt, Johanna?“
„Nun, das Tattoo sieht genauso aus, wie das Symbol, welches ich immer kritzel. Du kennst doch meine Zeichnungen. Dieses Symbol habe ich doch auf fast jeder Zeichnung.“
„Cool, so was will ich auch haben.“
Katja schaute fasziniert auf das Tattoo unter Johannas Brust.
„Katja, das ist nicht lustig. Ich habe Angst, denn ich weiß nicht, wie es da hingekommen ist.“
Johannas Stimme klang jetzt gereizt.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Tom. Ricarda wusste nicht, was sie tun sollte. Ihr war jetzt überhaupt nicht danach mit Tom und den Kindern einkaufen zu gehen. Vor allem wollte sie Johanna in dieser Verfassung nicht alleine lassen.
„Katja, geh bitte mal zur Tür und lasse Tom herein. Sag ihm, dass wir gleich kommen.“
„Gut. Tom wird bestimmt wissen, was Johanna dort hat. Tom weiß alles.“
Normalerweise bewunderte Ricarda Katjas bedingungsloses Vertrauen in Tom. Auch Johanna schien Tom sehr zu vertrauen. Was eigentlich ein Wunder ist, wenn sie bedachte, dass Johanna bisher alle männlichen Wesen in ihrer Nähe nur ablehnte. Ihr war bewusst, dass Johanna in Tom verliebt war. Sie selber vertraute ihm ja auch. Aber jetzt nervte Katja wirklich.
„Was weiß ich?“
Toms Stimme drang durch den Flur.
„Hanna hat ein cooles Bild unter ihrer Brust. Ich will auch so etwas.“
Katjas Stimme klang begeistert.
„Mist, das ist viel zu früh. Irgendetwas muss passiert sein!“
Toms Stimme klang erregt. So kannte Ricarda ihn überhaupt nicht. Die Tür zur Dusche ging auf und Tom schaute hinein. Er sah zu Johanna und erblickte das Tattoo. Seltsamerweise bedeckte Johanna ihre Brust nicht, sondern zeigte Tom das Tattoo sogar.
„Ich denke, du ziehst dir etwas an und dann kommt mit in die Küche. Eigentlich dachte ich, dass ich dir erst in drei Jahren eine Geschichte erzählen muss. Das hier war nicht so geplant.“
„Was war nicht geplant? Kannst du mir mal erzählen, was das soll?“
Ricardas Stimme klang wütend.
„Ganz ruhig, Ricarda. Ich werde es dir und deiner Tochter in aller Ruhe erzählen. Was Johanna da hat, ist schon lange da, nur sollte es erst in drei Jahren sichtbar werden, wenn sie 21 Jahre alt wird.“
Seltsam, aber Johanna wurde auf einmal ganz ruhig. So, als ob alles in Ordnung sei, nahm sie ihren BH, machte ihn sich um und zog ihren Pulli über. - Tom weiß alles -. Ricarda dachte, sie müsste durchdrehen. Tom in allen Ehren, aber, wie Johanna sich nun verhielt, das war doch nicht normal.
„Was soll das? Johanna hat auf einmal ein Tattoo, und niemand weiß, woher es ist. Dann kommst du und sagst alles ist in Ordnung und jeder meint, es muss so sein. Tom, wer bist du?“
Gleich, im nächsten Moment, bereute Ricarda schon, dass sie Tom so scharf angriff. Aber der schien das gelassen hinzunehmen. Er nahm sie in den Arm und drückte sie sanft an sich.
„Meine Liebe, du musst mir jetzt vertrauen. Glaube mir, ich will euch absolut nichts Böses. Weder dir, noch den Kindern. Lass es mich bitte in Ruhe erklären. Ich denke, Johanna wird schon wissen, was jetzt kommt. Zumindest ahnt sie schon eine ganze Menge.“
Er nahm Ricarda an seine Hand und führte sie in die Küche. Sie merkte, wie sie ihm willenlos folgte. Johanna stand schon an der Küchenzeile und schenkte heißes Wasser in zwei Becher. Sie nahm zwei Beutel Tee, die sie hineinfallen ließ. Einen Becher stellte sie vor Ricardas Stuhl, den anderen behielt sie in der Hand. Johanna wirkte ganz ruhig. Selbst Katja saß stumm auf ihren Platz. Tom zog Ricardas Stuhl vom Tisch und führte sie vor diesem. Sie nahm Platz.
Tom setzte sich auf die Küchenzeile. Alle schauten ihn an.
„Nun, wie soll ich anfangen? Es ist nicht einfach. Vor allem, weil Johanna noch nicht ganz so weit ist. Stopp, Ricarda. Bitte stelle noch keine Fragen. Ich werde alles der Reihe nach erklären. Auch, wenn es dir vielleicht sehr unwahrscheinlich vorkommt.
Erinnerst du dich noch an deine erste Schwangerschaft? An all die Komplikationen? Als du ins Krankenhaus kamst und dort vor der Geburt dein Bewusstsein