Er drehte sich zu Johanna um.
„Johanna, weißt du, was dieses Tattoo darstellt?“
Johanna nickte mit dem Kopf.
„Ja. Die drei Äste stellen die drei Provinzen von Jar dar. Die Blätter symbolisieren die drei Länder der Provinzen. Der Stamm ist das Königshaus, der alles dieses verbindet und die Krone, die noch nicht erschienen ist, die bin ich.“
Johannas Stimme klang sehr fest, als sie die Worte sprach. Ricarda blickte ihre Tochter fragend an.
„Aber…“
Toms Handbewegung brachte Ricarda zum Schweigen.
„Ich bin die rechtmäßige Erbin des Thrones von Jar. Ich bin ….“ „Stopp!“
Toms Stimme unterbrach Johanna.
„Bevor du dir deinen Namen gibst, solltest du dir Gedanken darüber machen, wem du alles zu verdanken hast.“
Johanna lächelte Tom an.
„Keine Angst, Kel-Nor. Ich weiß genau, was ich tue. Ich bin mir bewusst, dass mein Name eine große Verantwortung ist und ich werde ihn nicht ändern.“
Tom, den Johanna Kel-Nor nannte, lächelte. Er schaute wieder zu Ricarda.
„Ich mache es kurz, denn ich befürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit. Ricarda, auch wenn es dich jetzt erschüttert. Das Kind, das du damals entbunden hattest, war eine Totgeburt.
Auf Jar herrschte ein blutiger Bürgerkrieg. Der König war gefallen und die Königin lag im Sterben.
Daher wähnten einige weise Frauen und Männer die Prinzessin nicht mehr in Sicherheit. Sie wurde mit einem Notfalltor von Jar gebracht. Eigentlich sollte sie gar nicht hier landen, sondern in einem sicheren Versteck, auf einem ganz anderen Planeten.
Aber Irgendetwas ist bei der Anrufung des Tors schief gelaufen. Ich denke, auch hier hatten die Verräter wohl ihre Hände im Spiel.
Es blieb daher nicht viel Zeit. Wir erfuhren von deiner Totgeburt. So haben wir dich bewusst ins Koma gesetzt und dir die Erinnerung daran genommen.
Wir haben dir Johanna als dein Kind gegeben. Und ich muss gestehen, es war die beste Wahl, die getroffen wurde. Ihr wart immer durch Wächter beschützt. Vielleicht ist dir ja auch schon der Gedanke gekommen, warum manches so einfach lief. Aber, das ist ja jetzt auch egal.
Vor drei Jahren bin ich von Jar hierher gekommen, um Johanna, und auch euch beide, auf eben dieses Ereignis in Ruhe vorzubereiten.
Leider scheint irgendetwas dieses Vorhaben vorgezogen zu haben. Was es ist, entzieht sich zurzeit leider meinem Wissen und meines Blickes. Es befindet sich auch leider kein weiterer Beobachter auf der Erde. Ich werde daher Wächter von Jar zu eurem Schutze hierher ordern.“
Tom öffnete seine Hände und es erschien ein seltsames Leuchten darin. Nur sehr kurz und ein kleiner, silberner Kreis entstand über seinen Händen. Dann fiel es wieder zusammen und Tom drehte sich zu Johanna um.
„So, nun sollte die Prinzessin ihren Namen preisgeben.“
Johanna stand auf. Sie sah auf einmal merkwürdig verändert aus. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das Ricarda in ihr sah. Johanna wirkte auf einmal so reif und erwachsen. Nichts war mehr von ihrer Unsicherheit oder ihren Zweifeln zu sehen und mit fester Stimme hörte sie Ricarda sprechen.
„Mein Name soll von nun an Johanna Valise con Jar lauten. Valise con Jar - als Zeichen meiner königlichen Herkunft
-und Johanna - als Zeichen einer wundervollen Kindheit und in Dankbarkeit an meine Mutter.
Auch, wenn sie nicht meine leibliche Mutter ist, so ist und wird sie immer meine Mutter bleiben. So wie du...“
und damit drehte sich Johanna zu Katja um,
„.... immer meine Schwester sein wirst. Du sollst den Namen Katja Valis con Jar tragen. Das bedeutet Prinzessin von Jar. Obwohl ich die Vorahnung habe, dass es bis dahin noch ein langer und schwieriger Weg sein wird.“
Johanna wendete sich Ricarda zu.
„Dir wage ich es nicht einen Titel zu geben, denn dir würde keiner gerecht werden. Du hast schon den wichtigsten Titel. Du bist meine Mutter.
Bitte komme mit mir und sei weiterhin meine Mutter. Ich werde dich immer brauchen. Jetzt sogar dringender, als bisher.“
Johanna schaute zu Kel-Nor.
„Ist es erlaubt, dass ich diesen Wunsch ausspreche, Kel-Nor? Ihr seid einer der weisesten Männer auf Jar, obwohl ihr niemandem dient.“
Tom lächelte.
„Nun, ihr seid die Prinzessin. Ihr seid es, die es entscheiden kann. Ich bin nur ein bescheidener Wanderer. Ich werde aber jede Eurer Entscheidungen für gut heißen, denn ich habe Euch lange beobachtet und mit Euch gelebt. Ihr seid, obwohl die Zeit noch nicht gedacht war, reif für diese Würde.“
„Stopp. Ich verliere irgendwie den Faden in dieser Geschichte.“
Ricarda war mit hochrotem Kopf aufgesprungen.
„Irgendwie glaube ich, dass ich nicht so ganz kapiere. Als ob ich unter Drogen stehe oder zu viel getrunken habe? Beides habe ich nicht genommen. Was läuft hier ab? Johanna, was redest du da? Und warum nennst du Tom, Kelnore oder so ähnlich?“
Tom stand auf und ging auf Ricarda zu, aber sie wich nur vor ihm zurück.
„Halt. Ich bin im Moment echt verwirrt. Was soll dieses Jar und die Geschichte über eine Totgeburt?
Ich bin in ein Koma gesetzt worden? Johanna ist eine Prinzessin? Ist das hier irgendeine Folge von versteckte Kamera, oder was ähnliches? Wer bist du? Das Ganze fängt an mir Angst zu machen. Johanna, was redest du da?
Du bist meine Tochter. Du bist nicht irgendeine Prinzessin. Was soll das? Tom, ich bekomme Angst vor dir. Johanna ist meine Tochter. Das ist total verrückt was du da erzählst. Du kannst doch nicht einfach in unsere Familie eindringen und mir dann so etwas auftischen. Ich glaube dir kein Wort!“
In diesem Moment baute sich hinter Ricarda ein Leuchten auf. Ricarda erschrak und sprang nach vorne. Direkt in Toms Arme. Auch Katja, die bisher nur staunend zusah und zuhörte, lief mit einem leisen Schrei zu Tom und Ricarda. Nur Johanna blieb ruhig stehen und schaute erst lächelnd auf Tom und dann zu dem Leuchten.
Das Leuchten wurde zu einer ca. zwei Meter hohen, blassen blauen und ellipsenartigen Wand. Auf einmal traten sechs Männer in seltsamen Rüstungen aus dieser Wand. Hinter den sechs Männern fiel die Wand wieder in sich zusammen. Ricarda und Katja drängten sich eng an Tom. Die Männer wandten sich zu Tom und dieser nickte. Nun sah Ricarda sie genauer.
Sie trugen silberfarbene Hemden. So ähnlich wie Rüstungen, aber alles war viel zu filigran, um eine Rüstung zu sein. Ihre Hosen waren in einem matten Rot. An den Füßen trugen sie feine Stiefel. Sie sahen aus wie Leder, aber irgendwie wusste Ricarda, dass es ein Leder war, das es hier nicht gab.
Auf dem Kopf trugen die Männer silberfarbene Kappen, die wie Helme aussahen. Aufgrund von Toms Arbeiten wusste sie, dass Helme viel größer und vor allem viel robuster sein müssen. Jeder der sechs Männer trug an seiner