Die Nachtwache. Mina Bialcone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mina Bialcone
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742757401
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Die Menschen, mit denen er verkehrte mochten ihn, was an seinem ruhigen Wesen und den Augen lag, die Wärme und Verständnis ausstrahlten, in Wirklichkeit aber bedeuteten das sein Geist gerade mit etwas anderem beschäftigt war und er nicht für einen Sixpence zuhörte. »Warum hast du angerufen?«

      »Ich bin mit meiner Familie und Virginia Barksdale und ihrem Verlobten Wycliffe in Hampton Manor. Gestern fand der Jagd Ball stand und heute ist die Fuchsjagd. Wir haben an dich denken müssen. Einer der Mietkellner auf dem Ball sah aus wie du.«

      »Was ein Glück, für den Mietkellner.« Gilbert stand halbnackt im Flur der Nachtwache, er hatte mit einem Notfall gerechnet und war deshalb mit verklebten Augen aus seinem Alptraum erwacht, aus dem Bett gekrochen und die Treppe hinunter gehumpelt. »Hättest du geschrieben hättest du ihn mir genau beschreiben können.«

      »Ich habe dich doch nicht etwa geweckt?«

      »Doch, aber ich werde mich anziehen, Bolder wecken damit er uns allen was zu Essen macht und dann in den Boxclub und danach werde ich einige Recherchen anstellen.« Er hörte, wie sie scharf die Luft ausstieß. Der Gedanke, er esse mit seinen Angestellten widerte sie wirklich an.

      »Heute ist Samstag!«

      »Wem sagst du das!« Er schnupperte, es roch im Haus in der Pembrose Street nach Holzwachs, mit dem die Treppenstufen und das Geländer auch Hochglanz poliert waren. Etwas musste Bolder beschäftigt haben, denn selbst die Bilderrahmen an der Treppenwand war poliert. Nur dann brachte er das Haus auf Vordermann. Er saß dann den lieben langen Tag seufzend auf der Treppe und polierte das Geländer. Aber sein Butler war kein Dienstbote im herkömmlichen Sinne, dafür hatten beide zu viel durchgemacht. Es war eine Verbindung die Bolder schamlos ausnutzte, in dem er zum Beispiel bis in die Puppen schlief. »Hast du mir zugehört?«, fragte Sarah, die es an der langen Pause hätte erkennen sollen. »Sarah, ich will nicht beginnen dich schon vor der Verlobung anzulügen, also nein. Was hast du gesagt?«

      »Vergiss den Ball zum Saisonschluss am nächsten Samstag nicht.«

      »Ein Ball? Schon wieder!«

      »Deine Mutter sagt, ich soll dir den ersten Platz in meiner Tanzkarte reservieren und damit ein Zeichen setzen. Unsere Familien würden gerne sehen, dass wir unsere Verlobung noch im Herbst signalisieren.«

      »Das muss ich erst mit meinen Fällen abgleichen.«

      »Du und dein Amt! Ich erwartete das jemand mit deinem familiären Hintergrund in einem anderen Metier arbeitet. Es ist, als ob ich Prinz Philipp dabei erwische, wie er sich als Tellerwäscher verdingt. Gesundheitsarbeit ist nicht die Arbeit eines Gentleman. Der Umgang, den du pflegst, ist bereits Gesprächsstoff und ich weiß wirklich nicht, wie ich deine Marotte länger verteidigen kann. Und warum macht das nicht deine schreckliche Dienerin mit den Tätowierungen im Gesicht? Ich weiß wirklich nicht, wie du sie einstellen konntest. Manchmal fragt man sich, wer beim Ministerium für Seuchenkontrolle das Sagen hat.«

      »Eine vertrauensvolle Quelle hat sie empfohlen.«

      »Bei wem hat sie gearbeitet?«

      »Hier und da.«

      »Wie alt ist sie?«

      »Woher soll ich das Wissen, ich nehme an jünger als ich, aber ich habe nie gefragt.«

      »Mutter meint, erst nach Jahren kann man erkennen, was für eine Arbeitsmoral das Personal besitzt.«

      »Lässt deine Mutter deswegen immer die Schilling im Haus herumliegen und kontrolliert, ob sie noch da sind?«

      Sarah schwieg zum Verhalten ihrer Mutter im Hauspersonal notorische Diebe zu sehen. »Ich verstehe nicht, warum dich diese blonde Frau Hals über Kopf verlassen musste!«

      »Miss Stewart ist der neuen Cholera zum Opfer gefallen!«, erklärte Gilbert und verscheuchte das Schuldgefühl. Aber die Kreaturen die Londons East End heimsuchten reagierten auf Menschenblut und wenn man sie alle erwischen wollte, ging nichts über eine frische Schnittwunde. Er hatte die Anzahl der Schattengänger unterschätzt, die aus ihren Verstecken krochen und über Miss Stewert herfielen. »Und wer sagt dir, dass deine Neue nicht dasselbe macht?«, fragte Sarah vorwurfsvoll. Einen Moment verschlug es ihm die Sprache, dass sie ihn das ernsthaft fragte. Sie war ein niedliches Ding aus einer der prominentesten Familien des Westend, aber leider war sie auch ein Wolkenkopf, deren Denken mit Standesdünkel gewürzt war. In einigen Jahren war Sarah die exakte Kopie ihrer Mutter. Eine hübsche Frau eine gute Partie, ohne Geist, aber Sinn für Mode und mit einem offenen Ohr für Dienstboten Probleme. »Das ist dein Problem. Du vertraust Menschen zu schnell.«

      »Was?«

      »Du … ver-traust … Men-schen … zu … schnell.«

      »Ich vertraue nicht einmal mir«, erklärte Gilbert und beendete das Gespräch nach weiteren Belanglosigkeiten zur Verlobung und stieg die Treppe hoch um ein Bad zu nehmen.

      4

      Gilbert sah auf den Brief, der gebügelt auf der Morgenzeitung neben der chinesischen Teetasse auf dem Frühstückstisch lag. Er klopfte ungewöhnlich lange mit einem zierlichen Eierlöffel auf einem Drei-Minuten-Ei herum. »Ich gebe es auf! Bring mir Hammer und Meißel.« Bolder sah sich mit spitzem Mund in der Küche um. Alles war in Ordnung, er sah keine Stelle, die eine Reparatur benötigte. »Werkzeug, Sir? Sind Sie uns jetzt wahnsinnig geworden und wollen ein Loch in das Parkett schlagen?«

      »Du liest zu viel Edgar Allan Poe, mein Lieber. Ich brauche schweres Werkzeug, um das Ei zu knacken. Man kann es auch diesen Samstag aus dem Gewehr verschießen, falls einem die Munition ausgegangen ist.«

      Bolder runzelte die Stirn. »Sir, du übertreiben schlimmer, als Jackson Peter.«

      »Ich will nicht fragen«, Gilbert seufzte, »aber ich kann einfach nicht anders. Wer ist Jackson Peter?«

      »Jackson Peter. Sir, du weisst schon!«

      »Nein, diesmal muss ich dich enttäuschen. Ich stehe auf dem Bahnsteig Neugier und warte auf die Ankunft des Zuges Wissen.«

      »Jackson Peter, der Inspektor der Nachtwache Bromwich. Der stupideste Mensch der mir seit einer Weile untergekommen ist. Der Mann ist er im Sommer immer mit seinem Boot auf der Themse. Er segelt von London bis Marlowe und kehrt dann total mit den Nerven runter mit dem Abendzug zurück. Sein Boot lässt er sich von Flussschiffern und Dennis nach Greenwich bringen. Er denkt, das Themse Segeln ist die einzige Betätigung für einen Gentleman, aber der Mann kann nicht Schwimmen und leidet die ganze Fahrt unter Panikattacken. Dennis erzählte mir, er sitzt dann wimmernd in einer Bootecke und hält die ganze Zeit ein leeres Fass umklammert. Dennis nutzt diese Segelpartien um mit ihm über seine freien Tage und Lohnverhandlungen zu führen. Er hat mir die Methode auch vorgeschlagen, aber ich musste ihm leider mitteilen das du ein guter Schwimmer bist.«

      »Warum frage ich auch!« Gilbert seufzte, »erkläre mir, wie bringst du es fertig auf die Eieruhr zu sehen und das Frühstück so zu verhunzen, das man das Ei nicht einmal auf bekommt?« Gilbert nahm es aus dem Eierbecher und schlug es kräftig auf den Tisch, ohne das sich der kleine Riss zeigte. Kurz spielte er mit der Idee es aus dem Fenster zu werfen, um zu sehen, ob der Aufprall der Schale zu Leibe rücken konnte. Bolders Unfähigkeit stellte den Inspektor der Nachtwache vor ein Rätsel. Man sollte doch davon ausgehen, dass jeder ein weichgekochtes Ei hinbekommt, oder irrte er sich und es war eine weitaus komplexere Angelegenheit, ein Ei drei Minuten lang in kochendes Wasser zu tauchen? »Bolder, ich habe dir eine Sanduhr gekauft die genau zwei Minuten und vierzig Sekunden anzeigt.«

      »Es war das persönlichste Geburtstagsgeschenk meines ganzen Lebens!«

      »Er hat eben keine Fantasie«, sagte Bella mit vollem Mund und aufgeplusterten Wamgen. Gilberts Augenbrauen hoben sich und bildeten elegante Halbbögen über seinen Hawaii-grünen Augen. »Du siehst aus wie ein Eichhörnchen das sich seinen Wintervorrat anlegt. Und du Bolder bist ironisch!«

      »Ich würde mir niemals den leisesten Hauch von Ironie wagen, Sir.«

      »Wieso