Die Nachtwache. Mina Bialcone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mina Bialcone
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742757401
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aber, wie kann die Nachtwache Whitechapel dabei helfen Gerüchte zu bekämpfen?«

      »Mein lieber Finstburn Sie verstehen nichts von der Natur, die uns umgibt.«

      »Eine konkrete Gefahr? Haben wir mehr als Gerüchte?« Er war immer sehr skeptisch, was das betraf.

      »Ist Ihnen der Name Balthasar de Balzac bekannt?«

      »Natürlich, der letzte vom alten Vampiradel der Jahrhundertelang Paris in Angst und Schrecken versetzte, bis ihn die Nachtwache auf Bitten Napoleon des III zusammen mit der Pariser Geheimpolizei zur Strecke brachte und vernichtete.«

      »Vernichtete ist übertrieben, immerhin ist er der letzte seiner Art. Der Letzte, dessen infektiöses Blut Menschen verwandeln kann.«

      »Ist?«

      »Er ist vor drei Monaten aus dem Geheimgefängnis der Surete in Marseille ausgebrochen und hat Frankreich mit der Eisenbahn in Richtung Odessa verlassen, nachdem er die verfolgende Agenten ermordete bestieg er ein unbekanntes Schiff in unbekannte Richtung und vermutlich kommt er zu uns.«

      »Warum sollte er das?«

      »Habe ich vergessen es zu erwähnen«, Victoria strahlte den Minister an. »Unser Ministerium betreibt zusammen mit unseren Freunden von den französischen Behörden eine Versuchseinrichtung. Ich schlug vor an so einem seltenen Exemplar zu experimentieren bevor wir ihn vernichten und das taten wir.« Miss Buckingham zuckte mit den Achseln. »Wer weiß schon was ich mir damals dachte. Jedenfalls ist er gefährlich und brennt vor Rachsucht. Einem sechshundert Jahre alten Vampir zuzusehen, wie sein Körper die schwersten Wunden heilt, wie er auf Elektrizität reagiert ist sehr verlockend. Dank ihm haben unsere Ärzte viele Einblicke gewonnen. Aber am meisten interessierte es uns seine Urinstinkt zu beobachten. Wir hungerten ihn wochenlang aus und sperrten dann Menschen zu ihm.«

      »Was für Menschen?«

      Victoria lächelte amüsiert. »Seine Freunde.«

      »Freunde? Ein solches Wesen hatte Freunde?«

      »Er war keine Gefahr,wie es die französische Regierung ausgibt, aber einige Minister waren bei ihm verschuldet. Er lehrte an der Sorbonne Vogelkunde und er verkehrte in diesen Kreisen.«

      »Und unsere Ärzte waren daran beteiligt?«

      »Natürlich. London ist federführend auf dem Gebieten der okkulten Wissenschaften und des Vampirismus.« Victoria sah auf die Standuhr. »Haben Sie schon gegessen? In der Todeszelle von Pentonville wartet ein Giftmörder auf mich.«

      »Ich könnte wirklich etwas vertragen, wenn Sie es nicht stört, dass ich mir Pastete mitbringe, werde ich ihnen gerne Gesellschaft leisten.«

      »Sie wissen, was für ein Liebesbeweis das ist, Minister? Es ist mehr, als erlaubte ich ihnen mir beim Baden zuzusehen.« Sie reichte ihre schlanke Hand dem erröteten Minister, der ihr aus dem Sessel half. »Stellen wir uns die Katastrophe vor, wenn er Londoner Bürger zu Vampiren macht oder er anfängt unsere Existenz zu beweisen. Er die Geister weckt, die wir mit so viel Mühe vergraben«, sagte sie. »Kann man nicht mit ihm verhandeln?«

      »Ihm seine Freunde und seine Würde wiedergeben? Ich fürchte, dazu ist es zu spät. Wenn er sich in den Kopf gesetzt hat sich an uns zu rächen, wird er das tun. Vielleicht kommt er als Tourist?«

      »Vielleicht ist er schon hier. Wir müssen nach ihm Suchen lassen und ich weiß nicht einmal wie er aussieht.«

      3

      Das Geräusch drang durch die Wände, kroch durch die Tür und schlüpfte durch das Federkissen, das er sich auf den Kopf gepresst hatte. Das Telefon schrillte bis Gilbert es nicht mehr länger ertrug aus seinem Alptraum erwachte und er sich barfuß aus dem Bett und seinen Räumlichkeiten stürzte und, wie im Tagtraum die Treppe hinunter in den Flur ging. Bolder stand sinnierend, die Hände auf dem Rücken gelegt vor dem Wandtelefon und betrachtete es, als rätsele er über den Sinn und die Funktion. »Bolder?«, stöhnte Gilbert. Die Sonnenstrahlen, die durch die Buntglasscheiben der Eingangstür fielen schmerzten in den Augen. »Bei Ramses, was machst du?« Bolder drehte sich zur Treppe. »Guten Morgen, Sir. Es scheint kaputt zu sein, es scheppert seit geraumer Zeit.«

      »Das es klingelt, habe ich seit 20 Minuten mitbekommen.«

      »Dann scheint das Gerät zu funktionieren und auch ausreichend laut zu sein.« Bolder nickte ihm einmal majestätisch zu und machte sich ohne ein Wort der Erklärung hinunter in sein Zimmer. Er stand nur im Notfall vor neun Uhr auf. Das Telefon musste ihn wirklich gestört haben. Gilbert schnappte sich das Hörteil und presste ihn sich gegen das Ohr. Er beugte sich dicht an die Sprechmuschel und zischte, »Anschluss 234 Nachtwache Whitechapel. Wehe es ist, kein Notfall.«

      »Wie geht es dir, Darling?«, trillerte Sarah Rutherford. Sie klang entzückend, als stehe sie in lichter Vollmondnacht im luftigen Sommerkleid und Strohhut auf dem blonden Köpfchen auf einer Blumenwiese und sammle Margeriten für ihren Blütenkranz. Sarah nannte aus Prinzip jeden Darling, der in ihrem Alter war und ihrer Gesellschaftsschicht entstammte. Gilbert of Breden schloss seine brennenden Augen und sah sie so klar vor sich, dass er ein leichtes Stechen in seiner linken Hirnhälfte spürte. »Sarah, es ist sieben Uhr und acht Minuten. Ich bin noch müde, also was ist los?«

      »Morgenstunde hat Gold im Mund sagen die Leute. Nicht das ich sehr viel auf den Unsinn gebe, den mein Dienstmädchen von sich gibt, dennoch es ist schön von mir geweckt zu werden.« Am Ende ihres Satzes stand kein Fragezeichen, sondern ein dickes Ausrufezeichen das kein Raum für ein Nein zuließ. Es gab bereits tausend Telefonanschlüsse in London, dennoch knackte und rauschte es in der Leitung, als rede man mit jemanden vom Mond. »Dein bester Freund Willbur Sebastian Marklet ist ein richtiger Possenreißer«, flötete Sarah, »er hat mir ein frivoles Kompliment zu meinen Fußknöcheln gemacht. Beim gestrigen Crockett hat der Wind den Saum meines Kleides verweht.« Gilbert knirschte mit den Zähnen. Sarah benahm sich schon nach dem Aufstehen, wie der Ehrengast eines Balls. »Ich hasse Marklet, seit ich ihn kenne.«

      Sie schwieg, dabei reagierte Sarah auf die Sticheleien eines müden Geistes mit liebenswürdigen Optimismus, was furchtbar nerven konnte. »Willbur Marklet kann richtig charmant sein«, behauptete sie. Gilbert bezweifelte das Marklet jemals was Frivoles sagen würde, er war einfach nicht der Typ dazu und außerdem war es Gilbert egal, er war nicht der Typ, der zu Eifersucht neigte oder der Typ der sich an, von der Familie arrangierte Verlobungen hielte. »Was machst du gerade, Darling?«, fragte Sarah die die schlechte Angewohnheit besaß selbst ihren Pudel so zu nennen. »Ich stehe nackt im Flur und telefoniere, weil ich dachte, der Anruf ist wichtig.«

      »Wie kannst du mir so etwas Unanständiges sagen!«, kreischte sie plötzlich.

      »Ich hatte vergessen, wie viel Wert du auf Etikette legst.« Gilbert sah zur Treppe in die Souterrainwohnung hinunter, wo Bolder bereits wieder schlief, anstatt das Gespräch anzunehmen und Sarah zu sagen er sei verreist. Warum hatte er einen Diener, wenn der sich weigerte das Telefon abzunehmen? Bolder benahm sich, wie ein Wilder, der glaubte die Bell telephon Company würde ihm die Seele aus dem Körper ziehen. Und was machte seine Assistentin, schlief immer noch länger als Bolder? Sollten junge Damen nicht mit dem ersten Lerchengesang aus den Federn sein und sich ihren Kopf darüber zerbrechen, welches Kleid sie am Vormittag anziehen sollten und welchen Hut beim Tee? Wenn er jetzt darüber nachdachte, wusste er nicht mehr, warum er sich die teuflisch, scheppernde Apparatur an die Wand montieren ließ? Musste er jeden neumodischen Unsinn mitmachen, er sollte einige Jahre warten, bis die Technik ausgereifter war und man jedes zweite Wort verstehen konnte und bis dahin auf die Post Depesche zurückgreifen. Das war eine gute Idee. Immerhin war der Postdienst bedeutend älter. »Sarah.«

      »Ja?«

      »Kannst du das nächste Mal einen Brief schicken, wenn du mich am Morgen stören willst? Der Postbote kommt immer erst gegen elf Uhr.« Er war an den besten Schulen von Cambridge erzogen, aber am Morgen nach nur zwei Stunden Schlaf vergaß er Herkunft und Erziehung und das sein Familienstammbaum bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Er hatte fast immer ein Lächeln in seinem