Die Nachtwache. Mina Bialcone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mina Bialcone
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742757401
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dieser versnobten Vampire aus dem West End.«

      Der Minister unterdrückte ein Seufzen. Nur in Nähe von Fortlebe hatte er das Gefühl nicht unter einem Berg Akten lebendig begraben und anstatt von Menschen von Automaten umgeben zu sein. »Ich muss mich hin und wieder im Parlament sehen lassen und meine Augen erklären sich aus der Art meiner Arbeit. Ich sitze vierzehn Stunden am Tag über Akten und manche sind so alt, das sie in Frühlatein verfasst wurden. Und was hast du nur gegen Vampire?«

      »Solange sie mich nur in Ruhe lassen und sich an die Regeln halten nur in den Slums und unseren Gefängnissen zu speisen«, grummelte der Wächter. Die furchtbaren Narben in seinem Gesicht stammten von einem Kampf mit einem Vampir, der sich nicht seinem Schicksal ergeben wollte. Das in Fetzen gerissene Gesicht und der hohe Blutverlust hatte Fortlebe fast mit dem Leben bezahlt, ärgerlicher war, die Flucht des Vampirs hatte ihm die makellose Bilanz ruiniert. »Du wirst erwartet, Minister. Wenn, du mir folgst bringe ich dich jetzt zu deiner Besucherin.«

      »Wenn es wichtiger ist, als das Dorf Midhurst in Sussex dessen Einwohner seit einer Woche fehlen. Die Reporter der Zeitungen wittern schon eine Sensation und schnüffeln in der Gegend herum.«

      »Ich habe es gehört, das Essen stand auf gedeckten Tischen, als kommen alle gleich wieder. Ich glaube nicht, sie hat alle Punkt Mitternacht das Reisefieber gepackt.«

      »Nein, davon ist leider nicht auszugehen.«

      »Ich werde meine gute Gesichtshälfte fressen, wenn nicht Vampire dahinterstecken! Kaum treffen sich drei haben wir es mit einer neuen Sekte zu tun die ihren Göttern Blutopfer darbieten.«

      »Oder es ist eine neue Form von Spuk!«

      »Ein Nekromant der eine offene Rechnung mit den Bewohnern hatte?«, schlug Fortlebe vor.

      »Mit allen hundert Bewohnern? Dann hat der arme Kerl Jahre seines Lebens damit verschwendet sich Feinde zu machen.«

      »Ja und es muss ihn harte Arbeit gekostet haben. Ich bleibe beim Vampirkult.«

      Sie durchschritten die mit rotem Teppich ausgelegte Halle in denen Ritterrüstungen und aufgestellte Banner die Illusion erzeugten es mit einem normalen Ministerium zu tun zu haben. Sie gingen durch hohe von Säulen getragene Räume, in denen Beamte des Ministeriums Berichte schrieben, Akten stempelten und von Pult zu Pult wandern ließen. Die Beiden folgten labyrinthischen Korridoren in denen sich Akten und Zeitungsbündel stapelten, sie benutzten schließlich eine unscheinbare Hintertreppe und kamen in der obersten Etage an.

      »Ist es nicht sehr viel angenehmer seine Besucher im Erdgeschoss zu empfangen und ihnen den mühsamen Aufstieg zu ersparen?«, fragte Fortlebe, der seit der Schließung von Clapham nicht mehr für die Ausbildung der jungen Generationen von Bluthunden zuständig war, sondern für die Sicherheit der Außenstelle des Ministeriums für Seuchenkontrolle nahe der Waterloo Bridge gegenüber dem größten Bahnhof der Welt. Nach einem kurzen Blick von Fortlebe traten die beiden bulligen Wachen zur Seite und Finstburn und Fortlebe traten an die letzte Tür, über der auf einem Relief ein Langbogenschütze seine Zeige und Mittelfinger dem Besucher entgegenstreckte.

      »Molon labe, kommt und holt sie euch. Ein Motto aus dem Hundertjährigen Krieg, damals schworen die Franzosen jedem englischen Langbogenschützen Zeige- und Mittelfinger abzuschneiden. Ich sollte Mittel aus dem Haushalt abzweigen und in die Renovierung stecken. Ist es ein Wunder, das alle meine Mitarbeiter staubtrocken sind, das man sich nach einem Glas Wasser sehnt, wenn man länger als eine Minute mit ihnen redet?«

      »In Clapham hatten wir mehr Spaß bei der Jagd. Ich frage mich, wann es begonnen hat, wie in einem richtigen Ministerium bei uns zuzugehen?« Fortlebe schob mit dem linken Arm, unter seiner Haut rollten die Muskeln wie Bowlingkugel umher, den Vorhang auseinander.

      »Es ist vielleicht die Arbeit«, seufzte Finstburn, »mir wird Silber unerträglich.« Er spielte mit einer Schnur und ließ die Silberperlen, wie einen Rosenkranz durch seine Finger gleiten. »Allein der blässliche Glanz, wie die Haut eines Wiedergängers«, sagte er und trat durch die kleine komplett aus Silber bestehende Tür, die hinter dem Vorhang verborgen gewesen war.

      Victoria Buckingham kontrollierte seit Jahrzehnten die Auslandsabteilung des Ministeriums und war eine der wichtigsten politischen Personen in der Stadt. Sie hatte in einem roten Ledersessel am Fenster Platz genommen und sah mit übereinandergeschlagenen Beinen der rot glühenden Abendsonne über Waterloo beim untergehenden zu. Die Dampfwolken der vielen Lokomotiven vermischten sich mit dem Pfeifen von Zügen die im Minuten Takt ein und ausfuhren. Wenn, sie ihr überaus feines Gehör anstrengte konnte sie die Rufe der Gepäckträger unterscheiden. Die erste Kammerzofe der Königin schien jedes Mal von dem Spektakel fasziniert zu sein. Ihre langen schneeweißen Finger spielten dann völlig gedankenverloren mit einem mit Juwelen geschmückten Silberkreuz aus dem 15. Jahrhundert in ihrem Schoss. Finstburn betrachtete sie von der Tür aus und brachte es nicht fertig sie zu stören. Die Abendsonne reflektierte sich in ihrem seidigen Haar und ihre zarte Haut schien milchig zu leuchten.

      »Es ist ein Schauspiel, Minister«, sagte sie, ohne sich einmal umzudrehen. »Die Menschen streben alle zu einem Ort. Warum scheint ihr immer auf einen Weg irgendwohin zu sein?« Buckingham, wer wusste, wie ihr wirklicher Name lautete und wie viele sie in ihrem langen Leben schon angenommen hatte, machte anstalten sich aus dem Sessel zu erheben. Der Minister schloss lautlos die Tür hinter sich. »Bleiben Sie ruhig sitzen.« Finstburn trug mit Leichtigkeit einen schweren Lehnsessel vom Kamin an das Fenster und setzte sich an den Tisch zu ihr. Victoria hob überrascht die Augenbrauen, sie war es von den vielen Bällen und Empfängen gewohnt, von den Männern umschwärmt zu werden, vor allem junge Militärs umkreisten sie, wie Motten das Kerzenlicht, aber der Minister hatte es überraschenderweise nie für nötig gehalten ihr gefallen zu wollen. Genauso wenig, wie sich besser herzurichten, wenn eine Dame nach ihm rief. Als er sich seines Mantels entledigt hatte und ihn ungeschickt auf die Sessellehne warf, sah sie die Kreide und Tintenflecken an den Manschetten seines Hemdes. Er setzte sich ihr gegenüber und betrachtete die feinen blauen Venen am Unterarm und ihrer Schläfe die unter ihrer porzellanweißen Haut schimmerten. Ihr weizenblondes Haar verschwand in Kaskaden von Wellen unter der weißen Spitzenhaube, wie sie nur noch alte Jungfern trugen. Um als modischer Akzent zu wirken, trug sie ein gelbes Satinkleid mit gewagtem Ausschnitt das eng an den Hüften saß, bevor es glockenförmig zu Boden fiel und mindesten im Radius von einem Meter allen Platz für sich beanspruchte. Er kam sich jetzt einfach und hemdsärmelig vor. Wie ein Pächter vor seinem Grundherren. Er trug ein weißes Hemd, wie es jeder Arbeiter für drei Schilling bei Harrods in der Brompton Road bekam, eine Weste und eine schwarze Hose, die an den Knien bereits fadenscheinig glänzte. Er saß einfach zu oft mit den Händen auf den Knien in seinem Büro herum und langweilte sich. Nicht immer beschworen Nekromanten eine Katastrophe herauf oder kamen hinter die Geheimnisse der Regierung, die besser unbekannt blieben. Er sah nicht aus, wie ein Politiker aussehen sollte, selbst die Amtsschreiber hier achteten mehr auf ihre Kleidung. Die Frau fixierte den Minister mit einem langen Blick, der jeden anderen hätte rot werden lassen, aber den Finstburn nur nebenbei wahrzunehmen schien.

      »Ich hörte, Sie erwarten mich und es geht bestimmt um Leben und Tod? Die Existenz unserer Monarchie steht auf dem Spiel? Ein Skandal, in die eine prominente Person verwickelt ist und der vertuscht werden muss?«

      Sie lachte. »Ich neige nicht mehr zu Dramen, wie in meiner Jugend. Wäre es nicht wichtig und ginge es nur um diese Dinge, würde ich Sie beim Ball nächste Woche empfangen.« Sie lächelte ihn an und sah in ein völlig ratloses Gesicht. »Sie haben es doch nicht vergessen, Minister?«

      »Niemals«, protestierte Finstburn. »Der Ball am Freitag oder Samstag …?«

      Einer der Assistenten tauchte aus dem Schatten auf und rettete ihn aus der Verlegenheit, er brachte ein Tablett mit Wein. Er stellte das Silbertablett auf den Mahagonitisch und verschwand genauso lautlos, wie er gekommen war. Victoria Buckingham nahm das Glas in ihre schlanke Hand und trank einen Schluck und sah sich dabei im Raum um. Lederne Möbel, ein alter Kamin und kleine runde Tische. Es sah aus wie im Rauchersalon eines unbedeutenden Clubs. Nichts deutete daraufhin das von hier aus ein Netz aus Nachtwachen und Agenten dirigiert wurde, die über der Stadt verteilt waren. Hier wurden Entscheidungen getroffen, die das Schicksal jedes