Auf den Schiffen und in den Tavernen wurden nach und nach die Öllampen entzündet. Zeit für Quintus, nach Hause zu gehen. Er kam an den Stoff-Händlern vorbei und beim Töpfer Macremus, den er freundlich grüßte, lieferte der doch für seinen Vater die Behälter für das Öl. Und Macremus´ Krüge waren die besten. Bevor Quintus in den Weg einbog, der geradewegs zu seinem Elternhaus hinaufführte, blickte er noch einmal zurück zum Hafen, um vielleicht doch noch ein auslaufendes oder einfahrendes Schiff zu erspähen. Aber alles blieb ruhig und der Hafen lag schon im Dunkeln des großen Schattens, den die Landzunge über das Hafenbecken legte.
Zwischen den Häusern, dort, wo die Sonne nicht mehr die Luft erwärmen konnte, wurde es nun merklich kühler. Quintus fröstelte. Mit großen Schritten und manchen Sprüngen eilte er zum Hause seiner Eltern, dem auch die Fabrikationsräume angegliedert waren. Leicht keuchend erreichte Quintus die steinerne Mauer, die, halb hoch, das Anwesen umfriedete. Sie reichte ihm in etwa bis zu den Schultern. Obenauf die gleichen Dachpfannen wie auf den Dächern der Häuser. Er erinnerte sich, dass es eine Zeit gab, da konnte er nicht einmal über diese Mauer hinwegsehen. Nun war er hochgewachsen. Und seine Mutter schien recht gehabt zu haben, als sie ihm prophezeite, er würde einmal ein großer Mann werden. Ihr Vater und ihre Geschwister waren auch von großer Statur. Ja, das habe er von ihrer Familie. Die familiäre Seite des Vaters war eher klein und rundlich. Nur gut, hatte Mutter einmal schmunzelnd bemerkt, dass ihr Sohn nach ihrer Familie zu geraten schien. Die etruskische Abstammung war einfach nicht zu leugnen.
Es war ein schönes Haus. Fast quadratisch und von einem Säulengang umgeben. Der Weg durch den Vorgarten, vom Eingangstor bis zur Halle, war mit Pflaster belegt. Wie zur Dekoration standen einige Krüge und Amphoren seitlich des Weges. Ein überdachter Gang verband das Haupthaus, in dem die Eltern und er wohnten, mit dem Gebäudeteil, aus dem man die gleichmäßigen Mahlgeräusche der Olivenpresse hören konnte. Zwei Sklaven drehten dort einen aufrecht stehenden Stein in einem großen Bottich. Bei dieser Vorarbeit wurde das Fruchtfleisch sorgfältig vom Kern gelöst, denn zermahlene Kernsteine machten das Öl bitter und als Nahrungsmittel fast ungenießbar. Als billiges Lampenöl oder Leinöl war es dann gerade noch zu gebrauchen. Vater wurde auch immer recht zornig, wenn er klein gehacktes Kerngehäuse in der matschigen Masse fand.
Aus diesem Kollergang wurde die Masse der eigentlichen Presse zugeführt. An langen Hebeln hingen mitunter zwei oder drei Arbeiter, um den Druck auf das Presswerkzeug zu erhöhen, bis schließlich aus der Nase am Boden des Bottichs das wertvolle Öl herauströpfelte. Im angrenzenden Raum verhandelte Livius, Quintus’ Vater gerade mit einigen Händlern aus Rom und Pisa. Das Geschäft ging gut und per Handschlag wurde ein solches auch in diesem Moment besiegelt. Sein Verhandlungsgeschick und seine Korrektheit, vor allem aber seine gute Ware machten den Vater berühmt und reich. Hatte doch der Vater seines Vaters die großartige Idee, Olivenbäume anzupflanzen. Das Klima an der Küste von Italien entsprach dem in Hispania oder in Nord-Afrika. Auch der Boden war fruchtbar und - nach einiger Kultivation - für diesen Zweck brauchbar. Auch wenn sein Großvater nur den Grundstock für dieses Gehölz mit der begehrten Frucht legte, so konnte er doch, schon fast am Ende seines Lebens, seinen Sohn mit der Bestellung und Pflege der Plantage, dem Kreuzen verschiedener Arten und dem Verarbeiten der Oliven vertraut machen. Nun war Livius der einzige Olivenbauer weit und breit. Bis die Konkurrenz soweit wäre, dass sie mit ihrer Ernte auf den Markt kommen könnte, würde es ganz bestimmt noch Jahre dauern. In der Zwischenzeit wurde aber seine Plantage immer größer und größer. Alle zwei Jahre konnte ein Baum geerntet werden. Durch geschickte Kreuzung und versetzten Anbau war es ihm aber möglich, das ganze Jahr hindurch seine Bediensteten zu beschäftigen. Und nun war er in einem Alter, wo er sich darauf freute, genüsslich auf seiner Terrasse zu sitzen und sich - wenn auch mit Argusaugen - das Ernten und die Verarbeitung in Ruhe ansehen zu können, sollte doch Quintus bald den Betrieb übernehmen. Zum Fest der Liberalia würde sein Sohn siebzehn Jahre alt sein, dann würde er ihm den Betrieb übergeben. Wenn Quintus erst einmal voll und ganz im Geschäftsleben stünde, würde er sich auch die Flausen aus dem Kopf schlagen, unbedingt zur See fahren zu wollen, um fremde Länder zu sehen und wilde Schlachten zu schlagen, um Roms Vormachtstellung zu behaupten. Aus Schlachten kam man nicht immer heil nach Hause! Sein Bruder lag immer noch irgendwo im Wüstensand, von irgendeinem Krieger erschlagen oder von wilden Tieren zerfleischt. Ja, Marcus, sein Ältester, der sollte und wollte auch in seine Fußstapfen treten. Aber nun, wo er nicht mehr war, würde es Quintus machen. Er muss es machen! Nein, die Welt seines Sohnes sollte nicht irgendwo da draußen sein. Hier war sie, inmitten der Plantagen, inmitten seiner Familie, die er bald gründen würde. Hatte er nicht ein Auge auf Julia, die Tochter des Töpfers, geworfen? Eine gute Kombination wäre es schon, so dachte Livius. Nun, ein wenig nachhelfen würde er schon können. Am besten wäre es, er würde die ganze Familie des Marcremus zum großen Fest einladen, dann, wenn sein Junge zum Manne wird. Das Haus, das Quintus dann beziehen würde, war nun schon, bis auf das Dachgebälk, fertig. Bald würden die Innenbemalungen ausgeführt werden können. Und groß genug für eine Familie würde es auch sein!
Das soeben abgeschlossene Geschäft war gut getan. Herzlich erging eine Einladung an die Käufer, sich am Abendmahl zu beteiligen, was auch dankbar angenommen wurde. Waren nicht nur seine Öle gut und bekannt, auch der Wein, den der Hausherr seinen Kunden kredenzte, kam aus den besten Lagen rund um Siena. Als hervorragende Köchin war seine Frau, Livia, bekannt. Genüsslich ließ man sich im Atrium des Haupthauses auf den Liegen nieder und erhob den Becher mit dem köstlichen Wein. Schon der erste Schluck ließ ein wohliges Gefühl durch den Körper fließen. Der Duft von Gebratenem und Gekochtem unterstrich dieses Wohlsein.
Der Vater rief seinen Sohn, er solle sich doch mit in den Kreis begeben, damit er seine zukünftige Kundschaft - wenn er denn eines Tages das Geschäft übernommen habe - kennen lerne. Gerne gesellte sich Quintus dazu, doch nach einer Geschäftsübernahme stand ihm nicht der Sinn. Seinen heimlichen Wunsch, Seefahrer oder Soldat auf einem Schiff zu werden, hatte er seinen Eltern schon vor Jahren zaghaft gebeichtet. Doch sein Vater hatte diesen Wunsch immer mit einer verächtlichen Handbewegung abgetan. Sein Platz sei hier! Er solle, als sein nun einziger Sohn und Nachkomme, diesen Betrieb einmal übernehmen. So saß Quintus da auf seinem Diwan und hörte zwar die Stimmen der Männer, doch seine Gedanken waren wieder weit draußen auf See. Seine Vorstellung von der See ging aber nur bis zum Horizont, den man von der Landzunge sehen konnte und hinter dem die einst so großen, majestätischen Schiffe immer kleiner werdend verschwanden. War dort wirklich das Ende der Welt? Wohl nicht, denn Seefahrer im Hafen berichteten von langen Fahrten und von fremden und unkultivierten Völkern. Mit einigen konnte man regen Handel treiben. Andere spürten - wenn sie nicht freiwillig nachgaben - die mächtige Hand Roms. Quintus hockte oft an den Säulen vor den Eingängen der Tavernen am Hafen, um die Geschichten der Seeleute mit anzuhören, die von Abenteuern mit wilden, fremden Völkern kündeten. Quintus träumte. Und eines nicht mehr fernen Tages sollte er Öl zu Geld machen?! Niemals! „Wie