Wie ein Stein im tiefen Wasser. Ian Malz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Malz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847627067
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ab - würden Varus’ Truppen angegriffen werden, so bestimmte man.

      Die Chatten und Marser kamen von Süden her, die Cherusker von Osten und die Brukterer von Norden und stürzten sich auf einige Kohorten, die gerade im Begriff waren, sich geeignete Wehranlagen aus Stämmen und Gräben zu schaffen, während der Großteil der Legionen den mühevollen Marsch durch die Wälder noch vor sich hatte.

      Nun lagen sie da in ihrem Blut. Vermischt mit dem Blut vieler junger, unerschrockener aber auch zu stürmisch angreifender Krieger aus eigenen Stämmen.

      Die Römer waren besiegt und wer noch von ihnen lebte, wurde in die Sümpfe getrieben, in denen sie qualvoll in ihren schweren Rüstungen versanken oder sie wurden gleich an Ort und Stelle Odin geopfert.

      Drei Nächte und Tage dauerte dieses Gemetzel. Die gut ausgerüsteten, aber müden Legionäre hatten keinerlei Chance, diesen aus dem Nichts angreifenden Kriegern eine erfolgreiche Gegenwehr zu bieten. Viele von ihnen waren so entkräftet, dass sie sich kampflos ihrem Schicksal ergaben. Sie ließen sich vor den germanischen Kämpfern in den Morast fallen und erwarteten den erlösenden Hieb.

      Nun stand Hermandum auf dem Hügel, auf dem sich Varus voller Verzweifelung in sein Schwert stürzte und hielt, schwer atmend, in der Linken eine Lanze, auf der ein eiserner Adler befestigt war, das Heiligtum dieser Römer, das, voller Stolz, den Kohorten, den Legionen voraus von ausgewählten und sich der Verantwortung dieser Ehre bewussten Soldaten getragen wurde.

      Das Kampfgeschrei wich nach und nach einem ohrenbetäubenden Jubel, als die Germanen Hermandum dort oben mit dieser Trophäe stehen sahen. Die Krieger klopften mit den Schwertern auf ihre hölzernen Schilde oder aber auf die Rüstungen der toten, besiegten Feinde. Hermandum, unser Kriegsheil! Unser Siegheil! Fürst! Unser Heiling! Wie ein aus der Ferne sich androhender Sturm klangen der Jubel und das Gebrüll der Siegreichen. Donar muss mit ihnen gewesen sein! Wie sonst sollten die kleinen - wenn auch mächtigen - Kriegerstämme dieses Heer so vernichten können! Donar - unser Gott! Hermandum - unser Heiling!

      Hat er seinem Namen wohl alle Ehre gemacht? Er hat gekämpft wie ein Wolf. Wie ein Wolf im Rudel seiner Sippe. Wulfila, so hat ihn sein Vater genannt. So nennen ihn alle. Der Vater seines Vaters hatte schon den Namen. Dessen Kraft wurde ihm übertragen - so erzählte man ihm. Nun hockt er da, immer noch schwer atmend, umgeben von Soldaten - von toten, blutenden und zerstümmelten Soldaten. Vereint mit den tapferen Mitgliedern seiner eigenen Sippschaft, die, Seite an Seite und sich gegenseitig schützend, kämpften, hieben, durchbohrten und von denen manch einer, im mutigen Kampf von einer Lanze oder einem Pfeil getroffen tot zusammenbrach oder schwer verletzt liegen blieb. So hat er tagelang und nächtelang gekämpft. Angst hatte er keine gehabt - oder doch? Blinde Wut und die Seite der Überraschung steigerte die Kampfeslust von Stunde zu Stunde und von einer Nacht zum anderen Tag. Sicher, auch wenn dieser Überraschungsangriff den Römern gleich zu Beginn herbe Verluste beibrachte, konnten sich doch viele kampferprobte Soldaten, die schließlich schon auf der ganzen Welt gefochten hatten, wacker und kraftvoll verteidigen. Am ersten Tag sah es fast so aus, als könne sich das Blatt sogar noch einmal wenden. Doch die immer wieder aus den Wäldern angreifenden Horden der verbündeten Stämme - und es wurden von Mal zu Mal mehr - ließen den Römern keine Zeit, sich zu formieren. Formation war in diesem versumpften, unwegsamen Gelände unmöglich. Hätten die römischen Soldaten mit ihren schweren Panzern und ihren Pferden besseren Halt unter den Füßen gefunden, wären Verteidigungs- und Angriffsstellungen möglich geworden, hätten die Katapulte und Speerwurfmaschinen eingesetzt werden können! Wer weiß!? Dagegen die Germanen: Mit bloßem Oberkörper - nur mit dem Schild und Schwert bewaffnet - waren sie auf dem morastigen Boden viel wendiger; konnten die Reiter auf ihren strauchelnden Pferden umlaufen und sie mit der Lanze erstechen oder aber zumindest solch schwere Verletzungen zufügen, dass sie von ihren Pferden stürzten. Auf der Erde liegend hatte dann der Soldat keine Möglichkeit mehr, sich zu wehren.

      Wulfila hat mit vielen Römern gekämpft. Mutige, starke aber auch schwache Soldaten haben mit ihm das Schwert gewetzt. Wulfila war der Sieger aller Kämpfe. Wie viele es waren, kann er nicht mehr nachvollziehen. Seine Arme wurden von Hieb zu Hieb immer schwerer. Auch musste er sich immer wieder auf Baumstümpfen oder aber auf einem der toten Pferde ausruhen, um neue Kraft zu schöpfen. Aber die Abstände zwischen den Zweikämpfen wurden immer länger und dann kam der Zeitpunkt, wo sie ganz abflauten, bis man nur noch hier und da Schreie von verletzten Kämpfern hörte. Ob es nun die der eigenen oder aber die der geschlagenen Kämpfer waren - wer konnte es wissen? Wulfila sollte mit den Angehörigen seiner Sippe Seite an Seite kämpfen, so wollte es Hermandum. Der Bruder seines Vaters - wie alle Männer dieser Familie ein Hüne mit derbem, kantigem Gesicht, doch freundlich blinzelnden, blassgrauen Augen - führte die Gruppe an. Bei ihm dessen drei Söhne, dem Vater fast wie aus dem Gesicht geschnitten; sie alle kämpften vereint mit den Brüdern, Onkeln und Väter derer Familien. Nicht selten wurde manch gefährliche Situation durch ein anderes Familienmitglied gelöst. Die sonst so geordneten, kampferprobten Römer schlugen in panischer Angst wild um sich und nicht selten griffen sie hinterrücks in Zweikämpfe ein, um ihrem Kameraden zur Seite zu stehen. Genau dies taten die verbündeten Familien auch! Wulfilas Sippe bekam den Auftrag, auf der kleinen Lichtung unweit des Hügels, auf dem Hermandum nun stand, die verdutzten Römer in die Zange zu nehmen. Man wartete, bis ein Großteil des Trosses an ihnen vorüber war und fiel diesem dann in den Rücken, wohl wissend, dass auf der anderen Seite des Waldes neue Kohorten nachrückten, die aufgrund der nun immer lauter werdenden Kampfgeräusche versuchten, seitlich aus den Wäldern hervor zu brechen. Aber dort standen die Chatten und warteten. Ein Rückzug war mit den schweren Wagen, Tieren und dem ganzen Tross auf den schmalen Wald- und Feldwegen nicht möglich! Wenn es denn überhaupt Wege gab! Der verzweifelte Kampf begann! Varus gab den Befehl, dass alle Wagen, mit denen die Vorräte transportiert wurden, zu verbrennen seien, damit sie nicht den Barbaren in die Hände fielen.

      Tote gab es auch um Wulfila herum. Nicht nur Römer, auch Sippenmitglieder lagen dort in ihrem Blut. Doch beklagt wurden sie von den Männern nicht! Denn sie hatten es geschafft! Odin würde diese Opfer wohlwollend annehmen. Wenn die kampfesmüden Krieger sich erholt haben würden, würde jeder einzelne Tote zu seiner Familie gebracht, um dann, seiner Stellung in der Sippschaft entsprechend, würdig bestattet zu werden. Und eine würdige Bestattung bekam ein jeder. Trotzdem waren Lücken in die Familien gerissen worden, die - wenn überhaupt - nach einigen Jahren erst wieder geschlossen werden könnten.

      Schwer geht Wulfilas Atem. Nun kauert er neben seinem letzten Gegner. Es muss wohl ein gleichaltriger oder ein wenig älterer Römer gewesen sein. Aber diese Gedanken kommen ihm erst viel, viel später, als er dem Römer den Helm vom Kopf zieht, um seinem Schwert freie Bahn zum Hals des Besiegten zu geben. Dunkle, kurz geschnittene, wenn auch blutdurchtränkte Haare kommen zum Vorschein. Das Gesicht - sicherlich einmal schön und markant - ist mit Hieb und Stichwunden übersät. Die größte Wunde aber hat der Soldat, der wohl schon eine höhere Position in der Hierarchie der Legion inne gehabt haben muss, am Hals. Wulfila hat sie ihm zugefügt. Verbissen haben beide gekämpft, bis der junge Römer rücklings über eine Wurzel stolpert und strauchelt. Wulfilas Schwert folgt der fallenden Bewegung seines Gegenübers. Eigentlich sollte der Hieb den Kopf treffen. Doch die Kraft versagt ihm und es wird nur ein Schnitt. Ein todbringender Schnitt durch die Halsschlagader. Mit schreckengeweiteten Augen lässt der Soldat daraufhin sein Schwert fallen und greift sich an den Hals. Im Rhythmus des Herzschlages pulsierend dringt das Blut durch die zusammengepressten Finger. Der junge Römer schaut mit glasigen Augen in den immer dunkler werdenden, von Wolkenfetzen durchfurchten Himmel. Langsam gleitet sein Blick zu Wulfila, der immer noch mit ausholender Gebärde sein Schwert kreisen lässt. An Wulfila vorbei starrt er nun in die Wolkenfedern, als sähe er dort Gestalten ihm zuwinken. Ein leichtes Zucken geht über sein Gesicht, so, als habe er eine Frage nicht verstanden oder aber so, als wolle er lächeln. Seine Lippen beginnen sich zu bewegen. Wulfila kann diese Worte nicht verstehen. Obwohl er weiß, dass diese Römer, die sein Land unterdrücken, sich mit ganz anderen Lauten verständigen als er und seine Familien, beugt Wulfila sich langsam, auf sein Schwert gestützt, zu dem im Todeskampf liegenden Soldaten herunter. Plötzlich ergreift der Römer Wulfilas Arm. Wulfila wundert sich noch über die Kraft dieses jungen Mannes und will schon wieder aufspringen, um mit einem Hieb diesem Treiben ein Ende zu machen, da spürt er, wie dieser erst so feste Griff sich