Kein Vergessen. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844274738
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nur der Kinder wegen eingeführt. Inzwischen war es zu einer Institution innerhalb der Familie geworden, damit sich einmal im Jahr alle Familienmitglieder treffen konnten, um diesen Tag gemeinsam zu verbringen.

      Niemand in der Familie hatte Vorurteile gegen ihn, weil er aus dem Land kam, deren schreckliche Vergangenheit kein Jude je vergessen konnte. Wenn man ihren Vater gefragt hätte, wäre seine Antwort gewesen, dass er sich freue, dass Rachel endlich das Glück gefunden zu haben schien, welches sie verdient hatte. Rachel war immer sein Sorgenkind gewesen, nicht weil sie weniger hübsch als Kim gewesen wäre, nein, eigentlich war sie sogar hübscher, Sorgen machte ihm nur ihre Ernsthaftigkeit.

      Neugierig blickte er aus dem Fenster, er war inzwischen neugierig auf den Deutschen geworden, der Empfang durch das Wetter war ja nicht besonders freundlich zu ihm. Seit Tagen regnete es, wobei die Temperatur nie höher als zehn Grad anstieg, aber das war immer noch besser als New York, welches unter einer weißen Schneedecke lag.

      Beim Aussteigen wirkte er ausgesprochen sportlich. Rachel hatte ihm zwar erzählt, dass Matthias viel laufen würde, aber dass er für einen über Vierzigjährigen so sportlich wirken würde, hatte er nicht erwartet. So auf den ersten Blick wirkte er sehr sympathisch, wie er aus dem Auto sprang, Rachel die Tür öffnete, dann erst die gemeinsame Reisetasche ergriff.

      Sprachbarrieren waren auch nicht zu überwinden, da er in den inzwischen mehr als drei Jahren die er in den USA lebte, umgangssprachlich dem eines New Yorkers angeglichen hatte. Nur bei bestimmten Begriffen konnte man hören, dass sein Geburtsort nicht in den USA gelegen haben konnte.

      Die Weihnachtsfeiertage verliefen ausgesprochen harmonisch, nicht so besinnlich, wie es in Deutschland üblich war, aber fröhlich und ausgelassen, wobei Kim sich besonders hervortat, wenn irgendein Unsinn ausprobiert wurde. Sie war es auch, die beim Mittagessen einfach herausplatzte, fragte, wann sie denn zur Hochzeit kommen könne, schließlich wolle sie ihre Zeitplanung darauf ausrichten. Dies war bisher eines der Themen, die beide nie angesprochen hatten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

      Rachel winkte ab, lass uns doch Zeit, wir sind gerade etwas mehr als drei Monate zusammen.

      Ihre Schwester unterbrach sie, aber Du hast doch schon vor einem Jahr von ihm geschwärmt, dabei setzte sie bewusst einen verwirrten Gesichtsausdruck zur Schau.

      Die Röte, die sich bei Rachel über das ganze Gesicht zog sprach Bände, bis Kim laut aufschrie, den Tritt unter dem Tisch wusste sie sehr wohl zuzuordnen. Matthias drückte leicht ihren Arm, um ihr zu zeigen, dass er damit kein Problem hatte, dann wechselte er geschickt das Thema.

      Nun war das Thema angesprochen, es konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden, sodass auch andere Familienmitglieder dieses Thema aufgriffen. Rachels Mutter fragte sie im Vertrauen, ob etwas Derartiges geplant sei, ihr Vater fragte sie, ob er die Absicht habe zum Judentum zu konvertieren.

      Trotz aller Abwehrmaßnahmen setzte sich der Gedanke auch bei ihr fest, eigentlich wäre es doch nur ein Tritt auf die nächste Stufe ihrer derzeitigen Beziehung. Als sie einen Tag vor Sylvester wieder nach New York zurückflogen, war die ganze Familie überzeugt, dass ihre Tochter respektive Schwester endlich das Glück gefunden hatte, das alle ihr gönnten.

      Er war in die Familie aufgenommen worden, ohne Vorbehalte hatten sie ihn Willkommen geheißen, ihm ihre Tür und ihr Herz geöffnet. So hatte er sich immer in seinen Träumen eine Familie vorgestellt, jeder war für den anderen da, sie hätten alle gemeinsam den Kampf gegen jeden Widersacher aufgenommen.

      Sylvester feierten sie mit Freunden und Kollegen, auch ihre Freundin mit dem Auto hatte sich angemeldet, sie wollte endlich den Typ kennenlernen, zu dessen Verbindung sie beigetragen hatte. Sie hatten ihren Spaß, alle feierten fröhlich in das neue Jahr, jeder nahm sich etwas Besonderes für das neue Jahr vor, was er endlich angehen oder erledigen wollte.

      Im Februar war es, als er die letzten Monate Revue passieren lies. Dabei stellte er fest, dass er schon lange, er wusste nicht ob überhaupt, einen so langen Zeitraum glücklich und unbeschwert gewesen war. Die Gedanken drängten deshalb in den Vordergrund, weil Rachel vorgeschlagen hatte, dass es sinnvoll sei, eine Wohnung aufzugeben, um zusammenzuziehen, da in letzter Zeit immer eine Wohnung ungenutzt war.

      Ja es stimmte, Rachel tat ihm gut, sie ahnte nicht, wie gut sie ihm tatsächlich tat, sie hatte seine Träume abgeschaltet. Sie hatten entschieden gemeinsam, seine Wohnung aufzugeben, da ihre Wohnung näher zum Büro lag und was noch wichtiger war, sie war sehr viel wohnlicher. Seine Wohnung hatte auch nach der langen Zeit noch immer den Charakter einer Single Wohnung und es lohnte auch nicht, jetzt etwas daran zu ändern.

      In ihrer Beziehung lief es gut, das Vertrauen wuchs, im Büro konnten sich die bestätigt fühlen, die bereits lange vorher die Gerüchte in die Welt gesetzt hatten, dass die beiden ein Paar seien. Auch die Arbeit innerhalb der Werbeagentur war erfolgreich, eine neue Werbekampagne sicherte die Jobs für die nächsten vierzehn Monate. Alles hätte so weiter gehen können, hätte sich die Frage ihrer Schwester nicht so in ihren Gedanken festgesetzt. Sie liebte ihn mehr als sie denken konnte, sie wollte dies aber auch mit einem Ring dokumentieren, damit auch andere ihr Glück daran sehen sollten.

      Sie saßen gemeinsam auf den Treppen am Ostufer des Jacqueline Kennedy Onassis Reservoirs, um sich nach ihrem sonntäglichen Lauf etwas zu erholen. Sie lehnte an seiner Schulter, während er melancholisch über den See blickte. Sie sah ihn schon wieder, mit zurückgelegtem Kopf und diesem Ausdruck an, der nichts Gutes verhieß. Sie wusste genau, dass er diesem Blick nicht widerstehen konnte, deshalb erschien dieser immer dann auf ihrem Gesicht, wenn sie unbedingt wollte, dass er ihren Wünschen zustimmte.

      Ich habe über das nachgedacht, was Kim an Weihnachten gesagt hat, eigentlich spricht doch nichts dagegen, dass wir heiraten, oder, dabei blickte sie ihn verliebt an. Er erschrak, nach Weihnachten hatte er es in die hinterste Ecke seiner Gedankengänge geschoben, um nicht daran erinnert zu werden. Lass uns in Ruhe darüber reden. Als er einen Schatten über ihr Gesicht ziehen sah, fügte er noch schnell hinzu, es spricht nichts dagegen aber hier ist der falsche Ort darüber zu reden.

      Jetzt war es aus der Ecke hervorgezogen, er musste sich damit auseinandersetzen, dabei fragte er sich, welche Risiken dies bedeuten würde. In seinem Kopf ratterte fast automatisch eine Risikoanalyse ab, wie er es aus dem Projektmanagement kannte, in welcher die Vor- und Nachteile sich vor seinen Augen darstellten

      Die Vorteile überwogen so erheblich, dass er die Bedenken, die ebenfalls vorhanden waren, überhaupt nicht in Betracht zog. Seit ihrer gemeinsamen Zeit hatten die Träume, dieses emotionale Auf und Ab sowie diese Panikattacken aufgehört, als hätte Rachel diese weggezaubert. Bei ihrem gemeinsamen Gespräch bei Kerzenschein beschlossen sie, dass sie unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen in Eugene heiraten wollten.

      Aus Rücksicht auf die Unvereinbarkeit ihrer Konfessionen wollten sie auf ein kirchliches Zeremoniell verzichten und nur vor einem Standesbeamten heiraten. Das war in Oregon ziemlich unproblematisch, da es ausreichte, drei Tage vor der Hochzeit eine Hochzeitslizenz zu erwerben und die Berechtigung eidesstattlich zu versichern.

      Glücklich rief sie überall an, um die freudige Mitteilung zu verbreiten. Als Erstes erzählte sie ihrer Mutter von der geplanten Heirat, die sich für ihre Tochter freute aber auch traurig wegen der einfachen Zeremonie war.

      Der nächste Anruf war bei ihrer Freundin, diese sollte ihre Trauzeugin werden, als sie Matthias fragte, wer sein Trauzeuge werden sollte, entschied er sich spontan für Kim. Diese freute sich darüber so sehr, dass Rachel Angst hatte, diese würde durch die Leitung springen, um ihrem Ehemann in spe um den Hals zu fallen.

      Sie war überglücklich, deshalb war die zusätzliche Arbeit alles zu organisieren keine Belastung, im Gegenteil, immer wenn sie das Gefühl hatte, müde zu werden, dachte sie an das Ereignis.

      Die Gefühle, die ihn beschlichen waren zwiespältig, an manchen Tagen hatte er das Gefühl, dass das Unglück noch kommen würde, es wartete nur versteckt auf eine günstige Gelegenheit. An anderen Tagen genoss er es, wenn er Rachel in Aktion erlebte. Sie ging auf in dem Wunsch, dass alles perfekt vorbereitet sein sollte, nur dann konnte die Abfolge dieses Tages auch vollkommen sein.

      Ihr Geburtstag, der