Kein Vergessen. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844274738
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beiden Kontinenten ein paar Kleinigkeiten. Sie wunderte sich nur, mit welch ungeheuerem Appetit, er die unfassbare Menge an süßen Speisen vertilgte.

      Sie redeten über dieses und jenes, über das Büro, die Kollegen dabei versuchte er erneut sie zu animieren von sich zu erzählen. Doch dieses Mal war sie vorbereitet, agierte so, wie er es beim letzten Mal gemacht hatte. Er gab bereitwillig Auskunft über sein Leben in Deutschland, seine berufliche Entwicklung oder die Werbekampagnen, die er geleitet und initiiert hatte.

      Allerdings schien es immer einen Bruch zu geben, wenn sie auf frühere Beziehungen eingehen wollte, ihn verdeckt danach fragte. Er wich aus, wollte nicht darüber reden, es schien als hätte es ein Leben davor nicht gegeben. Seine Antworten waren ausweichend, wenn sie weiter insistierte, wurde er abweisend bis zur Unfreundlichkeit.

      Nun wusste sie, welche Themen sie tunlichst vermeiden sollte, wenn sie wollte, dass sie sich näherkommen, sie hatte aber auch gemerkt, dass sie sich Zeit lassen musste.

      Die nächsten Monate vergingen wie im Flug, sie unternahmen vieles gemeinsam, besuchten Veranstaltungen, gingen in Konzerte. Zu ihrer Verwunderung war er auch an Kunst interessiert wenn sie wieder eine neue Ausstellung in einem weniger bekannten Museum entdeckt. Die Jahreszeiten zogen an ihnen vorbei, mittlerweile hatte sich ihre Beziehung geändert, sie waren Freunde geworden.

      Sie hatte inzwischen ein Gefühl entwickelt, welchen Stand seine derzeitige Gefühlslage aufwies, sie hatte gelernt, mit seinen Gefühlsschwankungen umzugehen. Sie wusste, wann sie sich zurückziehen musste, wenn er allein sein wollte und sie spürte, wenn er ihre Nähe und Zuneigung zuließ.

      Er war inzwischen seit fast drei Jahren in den USA, im Büro mochten sie ihn, es schien als führe er ein zufriedenes, ein ausgeglichenes Leben. Sie wusste es inzwischen besser, sie hatte ihn in den unterschiedlichen Phasen erlebt sich gewundert, dass keiner der anderen Kollegen dies bemerkt hatte.

      Er musste ein ausgezeichneter Schauspieler sein, wie sonst war es möglich, das alles zu verstecken, was sie in unterschiedlichen Phasen miterlebt hatte. Sein über die Maßen ausgeprägtes impulsives Verhalten, welches sich abwechselte mit diesem Gefühl von permanentem betäubt sein.

      Was ihr auch immer zu schaffen machte, waren diese Störungen in seinen Beziehungen, dann spürte sie seine Gleichgültigkeit, seine Teilnahmslosigkeit gegenüber anderen Menschen oder Tieren, auch gegen sie. Es machte sie wütend, aber sie konnte ihm nie lange böse sein, wenn sie zu erkennen glaubte, dass diese emotionale Abgestumpftheit nur als Schutzreaktion auf ihr Verhalten war. Auch die Gespräche mit ihm in solchen Phasen führten zu irrationalen Angstzuständen, seine Angst in seinem Beruf zu versagen oder sein Zurückziehen in eine Art Todessehnsucht.

      Alles dies hatte sie in den letzten gemeinsamen eineinhalb Jahren, die sie näher und intensiver mit ihm verbracht hatte, mit Schrecken erlebt und durchlebt. Häufig fragte sie sich, wie lange kann er dieses Gefühlschaos, diesen Wechsel seiner Ängste unbeschadet überstehen. Immer wenn sie fühlte, wie er in seiner Todessehnsucht versank, hatte sie Angst um ihn und hoffte, dass er kämpfen würde, diese zu überwinden. Sie konnte, nein sie durfte ihm nicht helfen, er sperrte sie aus, es war, als würde er sie vor sich selbst schützen wollen.

      Trotz oder vielleicht auch wegen seiner nur für sie ersichtlichen Zustände liebte sie ihn. Sie wollte immer bei ihm sein, ihn beschützen, ihm helfen, mit ihm gemeinsam diese traumatischen Erlebnisse zu überwinden. Sie war inzwischen überzeugt, dass es eine oder mehrere traumatische Erlebnisse gegeben haben musste, in einer Zeit, die weit zurücklag.

      Es gab keine sexuelle Beziehung zwischen ihnen, auch wenn im Büro darüber getuschelt wurde, keine der Kollegen neidete es ihnen, nein sie gönnten beiden ihr gemeinsames Glück.

      Wenn sie gewusst hätten, wie die Realität aussah, sie hätten die Welt nicht mehr verstanden. Sie sahen nur, wie sie häufig sehr liebevoll miteinander umgingen, auch wenn ein Austausch von Zärtlichkeiten im Büro bisher von niemandem beobachtet werden konnte.

      Ihr Geburtstag war der Auslöser, sie waren gemeinsam essen gegangen, hatten sich bestens amüsiert, Matthias war seit Längerem in ausgesprochen zuversichtlicher und fröhlicher Stimmung und es wurde ein wunderbarer Abend. Sie unterhielten sich und Matthias erzählte ihr von all dem Schönen im alten Europa, ganz besonders von Deutschland. Diese besonderen Orte, über die er teils so plastisch erzählte, dass sie glaubte, mit ihm da gewesen zu sein. Sie wusste es inzwischen besser, aber jeder andere Zuhörer hätte sich gewundert, dass nie Personen Teil dieser Erzählungen waren.

      Nachdem er bezahlt hatte, gingen sie noch spazieren, auch wenn der Herbst bereits seine ersten Anzeichen schickte, hatte er an diesem Abend ein Einsehen mit ihnen. Der ganze Tag war heiter verlaufen, das Wetter hatte sich dieser heiteren Stimmung angepasst. Die Sonne schien während des ganzen Tages, auch wenn die Intensität in den letzten vier Wochen stark nachgelassen hatte. Der heutige Tag schien die Wetterkapriolen der letzten Tage Lügen zu strafen, oder es war ein verzweifeltes Aufbäumen des Sommers gegen den bevorstehenden Herbst.

      Kein Wind störte die laue Luft die sich samten an ihre Gesichter schmiegte, als wollte das Wetter unterstützend in diese Beziehung eingreifen. Er rief ein Taxi, er wollte sie nach Hause bringen. Als das Taxi vor ihrer Tür ankam, griff sie in ihre Tasche, gab dem Taxifahrer zwanzig Dollar, danke sehr wir brauchen Sie nicht mehr. Dann zog sie ihn aus dem Taxi, komm mit sagte sie einfach ohne Pathos oder Aufgeregtsein, ich möchte heute nicht alleine sein.

      Es wurde die Nacht, die sie sich seit Langem erträumt hatte, er war zärtlich, liebevoll und zurückhaltend. So hatte sie sich die erste Nacht mit ihm erträumt, dass es an ihrem Geburtstag geschehen war, machte es zusätzlich zu etwas Besonderem. Die Zeit, die jetzt kam, schien alle Bedenken zu zerstreuen, er war einfach nur lieb zu ihr, alle vorherigen Gefühlsverwirrungen schienen wie weggeblasen.

      Ihre zeitweiligen Bedenken hatten sich in Luft aufgelöst ihre geheimsten Wünsche waren in Erfüllung gegangen. Deshalb war es nicht ungewöhnlich, dass ihr das Glück aus jeder Pore zu sprießen schien. Auch ihre Freundin, die ihr vor langer Zeit ihr Auto geborgt hatte, wie lange war das eigentlich her, erinnerte sie an ihr Versprechen, dass sie die auserkorene Brautjungfer sein durfte.

      Die Zeit verflog, Weihnachten flog sie, mit ihm im Gepäck, zu ihren Eltern, um ihn vorzustellen, er sollte der Auserwählte sein. Ihr Vater hatte sie seit Langem aufgezogen, ihr prophezeit, dass sie nie einen Mann mit nach Hause bringen würde außer der Weihnachtsmann, würde ihr den unter den Weihnachtsbaum legen.

      Er fühlte sich sofort wohl, eine Familie wie diese hatte er sich immer gewünscht, wenn er in seiner Traumwelt versunken war. Er wurde, obwohl nicht Amerikaner, mit offenen Armen empfangen, umarmt, liebevoll in der Familie aufgenommen.

      Rachel hatte ihn bereits vorbereitet, ihre kleine Schwester würde ebenfalls die Weihnachtsfeiertage in ihrem Elternhaus verbringen, sie kam aus San Francisco, wahrscheinlich brachte diese, wie seit Jahren, wieder einen Freak mit.

      Ihr Flug würde fünf Stunden dauern, da ihr Elternhaus in Eugene in Oregon lag, einmal quer über den Kontinent. Kimberley, oder wie sie lieber genannt wurde, Kim holte sie vom Flughafen ab. Dabei konnte er miterleben, wie sehr sie sich freute, ihre kleine Schwester nach einem Jahr wieder zu sehen.

      Diese sah ihrer Schwester überhaupt nicht ähnlich, im Gegensatz zu ihr hatte sie ein immer fröhliches lachendes Gesicht, als wenn es in ihrem Leben noch nie ein ernsthaftes Problem gegeben hätte.

      Sie betrachtete Matthias ziemlich offensichtlich, fast schon provokant, dann nickte sie ihrer Schwester zu, jetzt kann ich verstehen, weshalb Du so lange gewartet hast. Damit hakte sie sich bei ihm ein, während Rachel den Gepäckwagen schieben musste. Auf dem Weg zum Auto fragte Rachel sie, was für einen Freak hast Du dieses Mal angeschleppt oder soll ich mich überraschen lassen.

      Du brauchst dich nicht überraschen lassen, dieses Mal bin ich ohne Anhang gekommen, ich wusste doch, dass Du jemand mitbringst, dabei grinste sie ihre Schwester frech an. Sie neckten sich während der gesamten Fahrt, Matthias saß auf dem Rücksitz und amüsierte sich, er fand es schön, zu sehen, wie Familie auch funktionieren konnte.

      Rachel hatte ihre Eltern vorbereitet, dass Matthias Deutscher und kein Amerikaner