Kein Vergessen. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844274738
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sie wohl kinderlos waren, also ist auch kein direkter Verwandter da.

      Er blickte zu den beiden Beamten, die immer noch den Tatort bewachten, dabei wirkten als hätte man sie hierher bestellt und dann vergessen. Sie können abbrechen meine Herren, nehmen sie das Absperrband ab dann können sie weiter ihren Dienst verrichten. Komm wir fahren nach Hause meinte er zu seinem Kollegen, der ihn erst irritiert ansah dann mitbekam, dass mit nach Hause das Büro gemeint war.

      2. Kapitel

      Wie erstarrt stand er auf seiner Dachterrasse in unmittelbarer Nähe zum Tiergarten und blickte mit leerem Gesichtsausdruck auf die Wolke. Es war nur ein flüchtiger Gedanke, der sofort wieder verschwunden war. Jetzt war die Wolke, die das Aussehen eines Löwenkopfs hatte, gerade im Begriff sich vor die Sonne zu schieben.

      Von der Straße drangen die Geräusche der Spaziergänger, die an der Spree entlang spazierten, bis hinauf zur Terrasse. Dazu kam das Gemurmel der Besucher, die auf dem Restaurantschiff ihren Kuchen aßen und dazu ihren Kaffee tranken oder ein verspätetes Frühstück einnahmen.

      Seinen fünfundvierzigsten Geburtstag hatte er gerade hinter sich gebracht, den er wie immer nicht gefeiert hatte, nein das war falsch, vor dem er regelrecht geflüchtet war. An seinen Schläfen konnte man bereits die ersten vereinzelt ergrauten Haare sehen, trotzdem zeigten sich in seinem Gesicht fast keine Falten. Die Einkerbungen an der Stirn, die im Laufe der Jahre immer tiefer geworden waren, beruhten auf anderen Ursachen.

      Wie heute Morgen trug er immer noch seinen Jogginganzug, an dem nur wenige Schweißflecke zu sehen waren, die auf sportliche Betätigung schließen ließ. Er hatte es die ganze Zeit geahnt, die Zeit heilt keine seelischen Wunden, sie verdeckt nur, was nicht vergessen werden kann.

      Trotz seines Alters war er körperlich fit, bei einer Größe von einem Meter fünfundachtzig wog er nur achtundsiebzig Kilo. Seine Fitness hatte er seinen ehemaligen Kollegen in New York zu verdanken, deren Fitness- und Laufwahn ihn langsam auch dazu animiert hatte es ihnen gleichzutun.

      Fast alle aus seinem ehemaligen Büro liefen jeden Sonntag mehrere Kilometer durch den Central Park, dabei war es gleichgültig, welchem Geschlecht man angehörte. Obwohl noch neu in dem Büro versuchten ihn alle zu überreden mitzulaufen. Er trotzte ihren Überredungskünsten, weigerte sich standhaft, bei diesem wahnwitzigen Treiben mitzumachen, seinem Körper mit diesen Anstrengungen Gewalt anzutun.

      Es war schließlich Rachel, die ihn überredet hatte mitzumachen, es zu versuchen, um auch Teil ihrer Gemeinschaft zu werden. An diesen sonntäglichen Läufen teilzunehmen sollte neben dem Gruppenerlebnis auch das Miteinander im Büro fördern. Dies war eines der Hauptargumente, die ihm jeder auf andere Weise einzureden versuchte.

      Sie waren immer in einer Gruppe von bis zu fünfzehn Personen gelaufen und sie waren fit. Bei Gott waren die fit, wenn er daran dachte, wie schnell er bei seinen ersten Versuchen außer Puste war. Dann musste er eine Pause einlegen, wobei er sich auf die Treppen am Ostufer des Jacqueline Kennedy Onassis Reservoirs setzte, die sich zwischen Guggenheim und Jüdischem Museum befanden.

      Wieder erholt, wartete er, bis die Gruppe erneut vorbeikam, um zu einer weiteren Runde anzusetzen, damit er sich wieder anschließen konnte. Langsam bekam er die Kondition, um mit den anderen mitzuhalten, merkte dabei, dass er mit dem Laufen auch vor Problemen weglaufen konnte, woraufhin er sein neues Hobby immer exzessiver betrieb.

      Bald konnte er mit den besten Läufern der Gruppe mithalten, sodass sich alle über seine Wandlung wunderten, sollte er vom Saulus zum Paulus geworden sein. Erneut war es Rachel, die ihn ansprach, sie hatte die Vermutung, dass er vor etwas davonlaufe, trotzdem fand sie ihn so attraktiv, dass sie immer häufiger seine Nähe suchte. Seine negativen Erfahrungen mit Beziehungen, die bisher immer gescheitert oder katastrophal verlaufen waren, führten dazu, dass er, so weit es möglich war, auswich. Er wollte mit ihr weder über seine Probleme reden, noch wollte er ihr sein Herz ausschütten.

      Den Job als Art Director bei der Werbefirma in New York hatte genau er aus diesem Grunde angenommen. Es war mal wieder eine Beziehung gescheitert, sodass er sich entschloss, eine gravierende Änderung in seinem Leben vorzunehmen. Ein paar Jahre zuvor war er von einer amerikanischen Firma angesprochen worden, ob er nicht wechseln, nach New York kommen wolle.

      Er rief an, sein ehemaliger Gesprächspartner war immer noch da, hatte sogar Karriere gemacht. Als er jetzt erfuhr, dass sein Werben, wenn auch mit Verzögerung, Erfolg gehabt hatte, lud er ihn umgehend ein, seine Zelte in New York aufzuschlagen.

      Sie machten ihm die Eingewöhnung leicht, abwechselnd luden sie ihn an den Wochenenden in ihre Familien ein, damit er diese nicht allein verbringen musste. Er lernte dabei die amerikanische Herzlichkeit aber auch die Oberflächlichkeit kennen, alles, was nicht Amerika direkt oder indirekt betraf, war unwichtig, aber er gewöhnte sich daran, es lenkte ihn ab. Diese unbeschwerte Form der Kreativität, die in Deutschland immer etwas gezwungen wirkte, machte im Spaß, ja sie befeuerte in regelrecht.

      Sie mochten ihn, „the nice German boy“, obwohl er eher introvertiert war, sich Häufiger als gewünscht zurückzog, war er höflich und nett. Trotzdem hielt seine vor langer Zeit errichtete Mauer allen Abrissversuchen seiner neuen Kollegen stand. Er wehrte sich auch lange standhaft den Versuchen seiner Kollegen, ihn in die sonntägliche Laufbewegung einzubinden. Nun hatten sie ihn weich gekocht, er hatte zugesagt, es wenigstens zu versuchen.

      Nachdem er sich entschlossen hatte es versuchen zu wollen, ließen sie nicht mehr locker. Rachel wurde abkommandiert ihn an die Hand zu nehmen und dafür zu sorgen, dass ihm die benötigte Ausstattung auch bis Sonntag zu seiner Verfügung stand.

      Aus diesem Grund verabredeten sie sich am Samstag um zehn Uhr vormittags an der Metrostation Fifth Avenue / 53rd Street. Von da wollten sie dann gemeinsam die Fifth Avenue bis 6 East 57th Street laufen. Dort würden sie auf die Auswahl treffen, die dafür sorgte, dass der nächste Tag mit dem erforderlichen Equipment stattfinden konnte.

      Sie trafen sich um zehn Uhr vor der Metrostation, wobei er Rachel beinahe nicht erkannt hatte, als sie in ihrer sommerlich leichten Bekleidung auf ihn zukam. Sie hatte die sportliche Variante gewählt, die er bisher noch nicht kannte, dabei konnte ihr Shirt allerdings unter sehr heiß in doppelter Bedeutung subsumiert werden. Augenscheinlich hatte sie auch vergessen, einen BH unter dem bisschen T-Shirt unterzubringen.

      Sie sprach ihn an, es war die Stimme, die er zuerst erkannte, dann riss er seine Augen auf, was sie lächelnd zur Kenntnis nahm. Im Gegensatz zum Büro hatte sie auf jegliche Farbe im Gesicht verzichtet, außerdem trug sie ihr schulterlanges Haar offen. Diese Wirkung von Natürlichkeit mit einem Schuss Sommersprossen faszinierte ihn augenblicklich.

      Sie hakte sich bei ihm unter, zeigte in die Richtung, die sie die Fifth Avenue entlang gehen mussten. Auf seine Frage, in welches Sportgeschäft sie ihn entführen wollte, zeigte sie nur auf ihre Schuhe, deren Herkunft durch das Logo bestimmbar war.

      Zielbewusst führte sie ihn im Niketown zu den Schuhen, wobei sie ihm erklärte, alle anderen Klamotten, die er noch benötigen würde, wären nicht so wichtig, das Wichtigste sind die Laufschuhe.

      Sie fragte nach seiner Größe, dann wählte sie ein Paar aus und brachte diese zum Probieren. Er versuchte noch zu lesen, was auf den Schuhen stand, irgendetwas mit Max Air aber genau hatte er es nicht lesen können, als sie ihn nachdrücklich auf einen Stuhl drückte.

      Er wusste nicht genau, was hier geschah, sie saß vor ihm auf einem kleinen Hocker, hatte seinen Fuß genommen dann einfach auf einer leicht schrägen Abstellfläche abgestellt. Verwundert blickte er zu wie sie begann, seinen linken Schuh auszuziehen, wobei sie ihren Kopf in den Nacken legte, um ihn von unten anzulächeln.

      Er ließ es geschehen, es war ja auch nicht unangenehm, außerdem schien es ihr Freude zu bereiten. Nachdem sie ihm den Laufschuh angezogen hatte, sollte er sagen ob er zu groß oder zu klein sei oder ob dieser sogar passen würde. Er stellte sich auf den Fuß, wippte ein paar Mal um den Sitz zu testen, dann meinte er, dass er wunderbar an seinem Fuß sitzt.

      Er musste sich erneut setzen damit sie den zweiten Schuh anziehen konnte dann führte sie ihn zu einem Laufband. Hier sollte er probeweise seine erste Meile laufen, wie sie