Pariser Nächte. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844247787
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Apfel beißen und ihn mit auf dein Zimmer nehmen. Wenn ich von der Aufführung zurück bin, hole ich ihn wieder ab. Bis dann.«

      Auf den Boden abgesetzt, folgte mir Brutus auf den Fuß, nachdem er Barbiel einen seiner vorwurfsvollen Blicke zuwarf. Vorsichtig legte ich Cedric auf meinem Bett ab und überlegte mir erst einmal, wie ich vorgehen sollte. Zuerst zog ich ihm mein Jackett aus und hüllte ihn in meine viel zu große Kleidung; krempelte die zu langen Sweatshirt-Ärmel auf und rollte die Hosenbeine der Jogginghose auf Beinlänge. Als das erledigt war, deckte ich ihn mit einer leichten Decke zu und versuchte es ihm so bequem wie möglich zu machen. Das Kaugummi aus meiner Jackentasche legte ich auf dem Nachtschrank ab. Da Cedric mir im Moment wunschlos glücklich erschien und ich noch etwas Zeit brauchte, ließ ich ihn erst einmal so liegen. Auch ich zog mir meine zerfledderte Kleidung aus und gönnte mir eine warme Dusche. Der vom Belphegor geworfene Odin hatte ganze Arbeit geleistet, indem er mir jeden Muskel gequetscht hatte, den ich besaß. Ich sehnte mich nach dem Spa Valmont im Hause, wo ich mir eine ordentliche Rückenmassage verpassen lassen könnte. Aber das war natürlich nicht möglich. Erstens war es schon zu spät und zweitens, konnte ich Cedric nicht so herumliegen lassen. Dann eben nur die Dusche und Rasur. Nachdem das erledigt war, warf ich mich ebenfalls in leichte Kleidung. Als ich aus der Dusche kam, hatte sich Brutus neben Cedric eingerollt und blickte mich streng an. Ich hasse es, wenn Hunde auf Betten liegen, die eigentlich nicht ihre sind. Doch Brutus schien seinen Platz unter allen Umständen verteidigen zu wollen; so ließ ich ihn eben Cedric bewachen. Grummelnd zog ich die Vorhänge zu und ging zum Kühlschrank und wärmte mehrere Blutpacks auf. Eins genehmigte ich mir selbst, die anderen stellte ich auf dem Nachtschrank ab. Da Cedric unter akuter Blutarmut litt, flößte ich ihm vorsichtig den ersten Tetra-Pak ein. Unter Beaufsichtigung von Brutus, der mein Handeln scheinbar gut hieß.

      Endlich erwachten wieder seine Lebensgeister, und er nuckelte wie ein kleines Baby die erste Blutkonserve leer.

      »Oh, das war lecker! Und da ist ja auch ein kleiner Hund! Ich habe noch Hunger, darf ich mir aus dem Hund ein ganz kleines Stückchen heraus beißen?«, fragte er, während er mich mit seinen grünen Augen kindlich anblickte.

      »Cedric! Den kannst du nicht essen, das ist unser Brutus! Hier nimm noch eine Portion Blut!«, schnell reichte ich ihm einen neuen Karton.

      »Aber nicht aufessen!« Wenn er Hunger bekam, konnte alles Mögliche passieren, ja er könnte sogar Brutus in ein schön blutiges Steak verwandeln. Ich muss mich ernsthaft fragen, wieso er eigentlich alles essen wollte, selbst unseren Brutus, während ich mich schon nach dem Genuss einer einzigen Praline übergeben musste. Liegt wohl an seinem dämonischen Dämonenhunger ...

      »Oh, na ja. Dann trinke ich eben noch ein bisschen Blut, bis ich satt bin«, gab er sich zufrieden und trank nicht mehr ganz so gierig die nächsten Packung. Nachdem diese geleert war, nahm er auch wieder seine Umwelt wahr.

      Leicht verwirrt beschnüffelte er das Sweatshirt, die Bettdecke und anschließend auch noch die Matratze.

      »Komisch, wieso riecht es hier nicht nach Stroh? Und wir sind auch nicht im Haus am Fluss. Wo bin ich? Und wie bin ich hier her gekommen? Ragnor, mir gefällt das nicht!«, bemerkte er verunsichert und mit Panik in den Augen.

      Nun wurde es Zeit, ihm die Wahrheit zu sagen.

      »Hör zu, dies ist nicht das Haus am Fluss, auch nicht Walhalla, denn das gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Die Götter haben uns belogen. Dies ist ein Hotel, so etwas wie eine Herberge, nur ohne diese lästigen Läuse und Flöhe. Stroh gibt es nicht mehr in der Matratze, sondern Kunststoff. Egal, damit kannst du eh nichts anfangen. Ich bin auch nicht tot, sondern wieder untot. Und wie du hier her gekommen bist, das würde ich auch gern wissen.«

      Mein Freund kratzte sich ausgiebig sein rotblondes Haar. »So weit ich mich erinnere, warst du tot und alle traurig. Wir verbuddelten dich unter einem großen Haufen schwerer Steine. Ich wollte dich ausgraben, aber Mala sagte, dass du da drinnen bleiben musst. Jule war traurig, Mara war traurig und der Große, ach ja! Gungnir – der war auch traurig. Aber uns wurde gesagt, dass du in Walhalla wärst und da wollte ich auch hin. Ging aber nicht, ich wollte ja nicht tot sein!«, berichtete mein Freund. Und ich war wirklich gerührt.

      »Erzähl mal, was passiert ist. Lebtet ihr auf Høy Øya?«

      Cedric guckte in die Luft, als ständen dort die Antworten auf meine Fragen geschrieben. »Ja, aber nicht lange. Die komischen Metallmänner kamen und wollten uns holen, doch Thorfried und die anderen konnte sie abwehren. Aber wir wollten die Dorfbewohner nicht in Gefahr bringen, deshalb flohen wir. Wieso lebst, äh untotest du wieder?«

      Kurz nachdem Cedric gesprochen hatte, griff ich zum Telefon und orderte beim Zimmerservice, der zum Glück rund um die Uhr zur Verfügung stand, einmal die Getränkekarte rauf und runter. Da ich noch einen Bericht schreiben musste, würde ich mir meinen Drink erst einmal bei Seite stellen. Cedric hatte sehr viele Fragen an mich und ich auch an ihn. Wie konnte ich nur so dumm sein, anzunehmen dass Mala und die Kinder unbehelligt auf der Insel weiterleben konnten? Wach auf Ragnor, du alter Träumer! Aber den weiteren Verlauf hatte Cornelius mir nicht erzählen können, weil er noch vor Anwesenheit der Michaeler wieder von Høy Øya abgereist war. Deprimierend war es schon, dass Mala und die Kinder belästigt und vertrieben wurden, um nicht des Hochverrats angeklagt zu werden. Und mich hatten sie unter einem Steinhaufen verscharrt zurückgelassen. Dabei habe ich in unserer Hauptstadt-Villa eine schöne Familiengruft einrichten lassen. Aber das alles war leider durch meine schlecht überdachte Tat hinfällig geworden. Jetzt alles nacheinander. Wurde Zeit, dass ich Cedrics Fragen beantwortete.

      »Ja, wie gesagt, es ist eine seltsame Geschichte. Zuletzt war ich in der Hauptstadt und hatte den Lord gelyncht, und aus Dank hatte mich wiederum der Pöbel gelyncht. An das Nächste, woran ich mich erinnern kann ist, dass ich in einem Raum erwachte, der sich völlig von allem unterschied, was ich davor kannte. Später stellte sich heraus, ich war über sechshundert Jahre tot gewesen. Doch sie holten mich wieder zurück. Nun arbeite ich für eine geheime Organisation, die sich Salomons Ring nennt und wir bekämpfen Dämonen, Monster und alles, was aus der Dämonendimension kommt. Ob du es glaubst oder nicht, aber weißt du wer hinter all dem steckt?«

      Da ich nicht davon ausgehen konnte, dass Cedric auch nur einen blassen Schimmer hatte, verriet ich es ihm.

      »Es ist Cornelius, er hatte sich damals, als im Reich der Teufel losbrach, mit seiner Tochter Diana in Sicherheit gebracht. Und jetzt hat er diese überaus humanitäre Stiftung gegründet. Er wird übrigens schon bald hier sein.«

      Ein Klopfen an der Tür ertönte und ich wuchtete mich vom Bett hoch und öffnete. Der Servierer wurde abgewimmelt, indem ich ihm ein angemessenes Trinkgeld gab und den Blick ins Zimmer versperrte. So rollte ich den Wagen, der über und über mit Flaschen bedeckte war ans Bett. Schnell brachte ich meinen Kumpel Jim Beam in Sicherheit. Auch Brutus schien hungrig, so schnitt ich das Steak, das ich für ihn geordert hatte, in für Chihuahuas geeignete Stücke und stellte den Teller auf ein Handtuch, damit der kleine Hund nicht alles voll kleckerte. Als das erledigt war, fuhr ich fort.

      »Ja, da ich für Cornelius arbeite, der übrigens jetzt Sal heißt, wurde ich hier mit Barbiel, Dracon und Silent Blobb nach Paris beordert. Du kannst Brutus vorsichtig streicheln, aber lasse ihn erst einmal fressen. Wir befinden uns in Frankreich. Du kennst doch sicherlich die Provence, Bretagne, die Normandie und Gallien. Jedenfalls das Gebiet, worum sich auch immer die Engländer stritten. Das alles gehört jetzt zur Republik Frankreich, nachdem sie keinen König und Kaiser mehr haben. Und das Gebäude, in dem du vorhin warst, das ist der Louvre. Und hier ist das Hotel Le Meurice, Paris. Ja, hier ist alles sehr sauber.«

      Cedric sah mich an, wurde käseweiß und seine Unterlippe begann zu beben. Darauf brach er in Tränen aus.

      »Oh Paris, hm. Du sagtest du hast meinen Vater ermordet? Wie konntest du das tun? Er war doch mein Vater!«

      Als hätte ich es nicht schon geahnt, bewirkte meine etwas flapsige Aussage zu seinem Vater das, was ich befürchtet hatte. Cedric jaulte. Selbst Brutus ließ sich nicht davon abbringen, in das Geheul mit einzustimmen. Obwohl er Lord Seraphim überhaupt nicht kannte, dieser dumme Köter! Gut, dass meine Zimmernachbarn nicht da waren, sonst hätten sie vermutet, ich würde