Pariser Nächte. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844247787
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mein Lebenssaft den Rachen des Wolfs hinunter lief, kehrte so etwas wie ein Schimmern in die vormals stumpfen Augen zurück. Das Tier streckte sich, knackte und wuchs - und schließlich lag ein nackter Junge vor uns. Dazu muss ich etwas erklären: Cedric war der Bruder meiner Ehefrau Mala. Nachdem der Lord keinen männlichen Thronerben vorweisen konnte, sondern nur eine Tochter, versuchte er noch einmal sein Glück mit der Begattung einer Frau. Dämonen und Menschen lassen sich nicht so leicht kreuzen, doch der Lord hatte Magier, die ihm halfen sein Vorhaben mit Erfolg zu krönen. Dann kam Cedric zur Welt. Wir kannten ihn in der Burg als äußerst verwöhnten Schnösel, dessen Hochmut nur noch von dem seiner Schwester getoppt wurde. Diese war wiederum angefressen, dass sie die Anwärterschaft auf den Thron verloren hatte. Als Cedric in einer anderen Stadt seine Bildung aufbessern sollte, verschwand er spurlos. Die Pferde kehrten ohne die Kutsche zurück, später fand man die ermordeten Leibwächter. Zweifelsohne war eine mörderische Tat vonstatten gegangen. Der Lord war untröstlich. Nur seine Tochter war seltsam gefasst und ruhig. Eines Tages tauchte Cedric wieder auf und schien völlig verändert. Statt seiner üblichen Arroganz, war er zutiefst verwirrt und sein Gedächtnis wie ausgelöscht. Außerdem war er einem seltsamen Infantilismus verfallen, und obendrein auch noch ein Vampir. Dieser junge Vampir wusste aber nicht, dass er einer war und so versuchte er immer wieder menschliche Speisen zu sich zu nehmen, was fatale Folgen hatte: Er bekam seinen Dämonenhunger. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes. Was wohl darauf zurückzuführen ist, dass er eben das Produkt seinen dämonischen Vaters war. Cedric verwandelte sich in die Gestalt eines wilden Tieres und fraß alles, was sich ihm in den Weg stellte. Nur mich nicht. Wenn er mal wieder etwas futterte, was ihm nicht bekam und zu einem Vieh mutierte, schlug ich ihn einfach nieder, oder so heftig auf den Kopf, bis er wieder klar wurde. Überhaupt konnte er sich nie an seine Blackouts erinnern. Was aber nicht an meinen Schlägen lag, Ehrenwort! Für den Lord war dieser Zustand nicht tragbar, deshalb verbunkerte er seinen eigenen Sohn im tiefsten Verlies und ließ ihn dort, in der Hoffnung, ihn einfach zu vergessen. Damals war Cedric elf Jahre alt. Den Vampir, der ihm das angetan hat, haben wir nie ermitteln können. Dieser hatte nicht nur den Sohn des Lords in einen Vampir gewandelt, sondern auch gegen ein eisernes Vampir-Gesetz verstoßen, das besagt: Kein Vampir darf ein Kind in einen Vampir verwandeln. Die Signatur des Vampirs, der einen Menschen wandelt, ist eigentlich in dessen Blut zu lesen. Nur wurde sie mit Magie oder anderen Mitteln aus dem Blut von Cedric entfernt, sodass er als Täter nicht entlarvt werden konnte. Eine wirklich grausame Intrige. Lange fragte ich mich, ob vielleicht mein Schöpfer dahinter steckte. Bei einem recht unschönen Gespräch enthüllte er mir, die Gesetze zu achten und nicht dagegen zu verstoßen, egal aus welchem Grund.

      Cedric sah sich verwundert um und erkannte mich. »Ragnor? Oh, das ist also Walhalla! Und hier gibt es so viele bunte Bilder! Du bist doch tot, also ist das hier Walhalla! Schön, dass wir wieder zusammen sind! Ragnor, wie bin ich hier her gekommen?«, fragte der Nackte und umarmte mich.

      »Hey, Cedric, hier ist nicht Walhalla, wir sind im Louvre. Ist dir kalt? Hier nimm meine Jacke!«

      So gab ich Cedric mein zerfleddertes Jackett, damit er seine Blöße bedecken konnte.

      »Weißt du was? Ich habe echt Hunger!«, meinte der frisch Erwachte und luhrte in die nächste Vitrine, die einen ausgestopften Polarfuchs beherbergte. Ehe ich mich versah, bearbeitete er mit seinen Klauen die Glasscheibe, und als die nicht nachgeben wollte, holte er mit der Faust aus und war kurz davor, sie zu zerschlagen. Mir wurde es zu viel. Also bekam er kurzerhand eine gepfefferte Kopfnuss und wurde ins Reich der Träume befördert, ehe er hier zum wilden Bären, oder Yeti aushonkte.

      Meine Ringmitarbeiter wirkten eher unterirdisch begeistert. Blobb hatte sich hinter Dracon postiert und Barbiel machte ein leicht mitleidiges Gesicht. Doch das war mir egal. Cedric war wieder da!

      »Autsch!«, meinte Barbiel. »Tut ihm das nicht weh?«

      »Ach wo, das kann er ab. Besser ich lege ihn schlafen, als wenn er hier Unheil anrichtet.«

      Vorsichtig hob ich den bewusstlosen Jungen vom Boden und legte ihn mir sachte wie ein Baby über die Schulter.

      Zuvor hatte ich mein Handy aus der Tasche genommen und wählte die Kurzwahl von Sal, unserer aller Chef, außer dem von Cedric natürlich. Nachdem es zweimal klingelte, ertönte seine Stimme. Aufgeregt berichtete ich.

      »Sal, spring in den Flieger, du glaubst nicht, wen ich gefunden habe! Cedric, er ist hier im Louvre!«

      Das konnte er kaum glauben. Er versprach mir, sofort los zu jetten und Amanda würde er ebenfalls mitbringen! So tätschelte ich beruhigend Cedrics Schulter. Er war nun einmal ein sehr sensibles Wesen und schnell beunruhigt. Im Gegensatz zu mir, ich neige bei Verwirrung eher zu Pöbeleien. Nun war er weggetreten, was mir nicht gerade unpassend kam und so drehte ich mich zum Team: »Folgendes: Dracon, du konfiszierst die Videobänder und rufst die Cleaner in der Filiale an. Schildere ihnen die Situation. Sie werden dieses Chaos wieder richten. Wie bist du hier her gekommen? Mit dem Motorrad?«

      »Mit dem Skateboard. Louvre bedeutet: Lange Wege, n'est-il pas?«, grinste er.

      Wie recht er doch hatte, meine qualmenden Socken konnten das nur bejahen.

      »Blobb, du hältst die Augen offen und wenn ich mit Barbiel den Raum verlassen habe, verriegelst du die Tür hinter uns. Alles klar?«

      Blobb blubberte und nickte mit irgendetwas, das ein Kopf sein konnte. Bevor wir den Ausstellungsraum verließen, musterte ich erst einmal unsere Umgebung. Keine außergewöhnlichen Vorkommnisse. Schnell bewegten wir uns zum Wagen, öffneten die Türen und ich legte Cedric vorsichtig auf die Rückbank. Dann fuhren wir los. Mein Beifahrer streichelte Brutus und warf mir immer noch diesen fragenden Blick zu.

      »Was glotzt du so blöde?«, fragte ich ihn schroff.

      »Ich hätte niemals gedacht, du könntest so etwas wie einen Freund haben. Aber er muss wirklich dein Freund sein, sonst hättest du ihm sämtliche Gräten gebrochen, als er dich so umarmte«, grinste der Engel. Meine Reaktion darauf war ein kurzer, vernichtender Blick. Doch Barbarella fuhr fort, mich mit seinem Gequassel zu nerven. »Kennt ihr euch schon lange? Wenn ich überlege, dass du das letzte Mal vor über sechs Jahrhunderten aktiv warst, ist er folglich jemand aus deiner früheren Zeit.«

      Natürlich hatte er recht, Cedric ist mein Schwager und Freund. Der Halbruder meiner Frau, aber das musste der Engel nicht erfahren. Außer Sal, Simon, Delia, Amanda und mein Therapeut, Dr. Dr. Gütiger, wusste niemand etwas über mein Privatleben vor dem Tag, als sich für mich alles veränderte. Aber wenn ich nichts über Cedric sagen würde, gäbe Babs nie Ruhe.

      »Es ist sehr lange her, damals arbeitete ich noch für den Lord. Dieser Bursche ...«, ich zeigte auf den Rücksitz, »saß bei mir im Kerker. Die Michaeler hatten ihn eingekerkert. Der Kerker ist normalerweise ein Ort, an dem nichts außer Schreien und Stöhnen ertönt. Aber dieser Junge machte Musik, und sang fröhlich drauf los. Dadurch fühlte ich mich echt genervt und brüllte ihn an. Aber er machte so ein Theater, dass ich ihm eins aufs Maul schlug. Doch ich besann mich. Ich weiß auch nicht, irgendwie tat er mir leid. Er ist doch ein unschuldiges Kind.«

      Wieder warf ich einen Blick, in den Rückspiegel, auf den besinnungslosen Cedric. »Bei seiner Wandlung zum Vampir muss mächtig was schief gegangen sein, denn er konnte sich überhaupt nicht mehr an sein vorheriges Leben erinnern. Das habe ich schon öfter erlebt, dass Vampire überhaupt keine Erinnerung an ihr menschliches Leben hatten. Und der kleine Kerl da, beschwerte sich, dass ihn die Michaeler ungerecht behandelten. Erst später klärten wir ihn auf, dass Cedric, so ist sein Name, der Sohn meines Dienstherren war. Allerdings entsprach er nicht seinen Anforderungen und so wurde vertuscht, dass der Lord überhaupt einen Sohn besaß.«

      »Das ist wirklich traurig,«, meinte Barbiel mitfühlend. »Er scheint ein wirklich netter Kerl zu sein.« Nicken meinerseits.

      Endlich erreichten wir das Hotel. Zum Glück hatten wir einen reservierten Parkplatz. Schnell stieg ich aus und legte mir Cedric über die Schulter. Barbiel folgte mir wie ein Schatten und warf unserem Bewusstlosen immer wieder einen besorgten Blick zu. Der Kerl an der Rezeption, warf uns eher einen verwunderten zu, als wir den Fahrstuhl betraten. Auf unserer Etage nahm ich Abschied von Barbiel und er