Tempus Z. Jo Caminos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jo Caminos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092905
Скачать книгу
nicht. Keiner von denen hat je nach oben gesehen.«

      »Machen wir es so«, sagte Joshua. Er sah kurz zu Mary-Ann. Beide trugen Motorradkleidung mit an den Ellbogen und Knien verstärkten Blenden, die auch ein Untoter nicht so ohne Weiteres durchbeißen konnte. An Waffen hatten sie lediglich ihre Messer dabei. Sie legten es nicht auf einen Kampf mit den Untoten an. Am wichtigsten war immer noch ihre Schnelligkeit. Beide - wie der Rest - des Teams trainierten regelmäßig, um sich fit zu halten. Schnelligkeit und Beweglichkeit waren alles in diesen Zeiten, sie entschieden über Leben oder Tod.

      »Okay«, sagte Mary-Ann. »Wie besprochen, zuerst die Apotheke im Erdgeschoss, dann schnell noch kurz hoch in die Lebensmittelabteilung - und dann wieder raus. Am wichtigsten sind die Medikamente. Falls unten zu viele Untote sind, können wir die Lebensmittelabteilung auch bleiben lassen. Ich bezweifele eh, dass dort noch viel zu holen sein wird.«

      Joshua nickte. Dann setzten sie sich in Bewegung. Candy stieg in den Hubschrauber und schaltete die Rotoren an. Durch die Verglasung sah sie sich nach allen Seiten um, doch da war nichts. Keine Untoten und auch keine anderen Überlebenden. Trotzdem blieb dieses ungute Gefühl, das ihr schon seit einigen Tagen im Nacken saß. Es war nur eine Ahnung. Vielleicht lag es an der friedlichen Atmosphäre am See, die sie langsam paranoid werden ließ. Das Ambiente passte nicht zu der Welt der Untoten. Am See war alles zu harmonisch, bis auf die Nachbarn auf den anderen Inseln, die keinen Kontakt wollten. Doch immerhin ließ man sie in Ruhe. Noch ...

      Joshua und Mary-Ann schlichen durch die spärlich beleuchteten Gänge. Durch einige zerbrochene Deckenlichter fiel das Sonnenlicht in den weitläufigen Bau der Mall und schuf an verschiedenen Stellen Inseln von Licht. Noch immer lagen an verschiedener Stelle erlöste Zombies, die langsam verfielen. Es sah genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatten. Der Gestank war auch nicht besser geworden, eher schlimmer. Es roch süßlich, nach Verwesung, nach Tod.

      »Stopp«, flüsterte Mary-Ann, als sie fast bei der Apotheke angekommen waren.

      Joshua sah sie von der Seite her an, dann wurde ihm klar, was Mary-Ann störte. Die große Haupttür der Apotheke stand offen. Als sie letztes Mal hier gewesen waren, hatten sie sie geschlossen., als sie sich auf den Rückweg machten.

      »Verdammt«, presste Mary-Ann zwischen den Lippen hervor. »Da war sonst wer hier ...«

      Joshua erwiderte nichts. Er nickte ihr kurz zu, dann bewegten sie sich leise auf den Eingang zu. Immer wieder drehten sie sich um und horchten in die Stille. Ganz entfernt war ein Raunen und Grunzen zu vernehmen. Also hielten sich noch Untote irgendwo im Gebäude auf. Es war nicht anders zu erwarten gewesen. Das hohe Portal der Shoppingmall stand offen. Die schweren, elektrisch betriebenen Türen funktionierten schon lange nicht mehr. Untote latschten ohne jedes System durch die Gegend - und wie es der Zufall wollte, verirrte sich der eine oder der andere im Halbdunkel des Einkaufszentrums. Mary-Ann hatte den Eingang der Apotheke erreicht und spähte hinein, während Joshua den Blick durch die Mall schweifen ließ. Die Regale und das diffuse Licht erschwerten die Sicht in den hinteren Bereich. Es herrschte Stille, was allerdings nicht zwangsläufig bedeuten musste, dass sich kein Untoter hier drinnen aufhielt.

      »Ich sehe mich schnell um, was noch da ist«, flüsterte Mary-Ann und huschte ins Innere der Apotheke, sorgsam darauf achtend, nicht von einem Untoten überrascht zu werden.

      Joshua nickte kurz zur Bestätigung.

      Mary-Ann bewegte sich fast lautlos zu den Schiebetüren, hinter denen sich die Medikamente verbargen. Sie öffnete die erste Tür, doch alles war leer geräumt. Genauso sah es bei den anderen Schränken aus. Hier hatte jemand gründlich ausgemistet. Als sie letztes Mal hier gewesen waren, hatten sie etliches nicht mitnehmen können, weil ihre Taschen schon übervoll waren.

      Mary-Ann fluchte unterdrückt. Wenigstens fand sie noch einige Hustenbonbons. Ob die Dinger etwas taugten, wusste sie nicht. Aber sie schmeckten süß. Vielleicht würde es die Kinder freuen. Es war besser als nichts. Sie ließ den Blick über die leer gefegten Regale gleiten. Da war wirklich nichts mehr. Wer immer hier gewesen war, hatte nichts übrig gelassen.

      Sie huschte zum Eingang zurück, wo Joshua mit gerunzelter Stirn zur oberen Etage sah. Die Galerie lag im Halbdunkel, trotzdem glaubten sie beide, schlurfende Schritte zu hören.

      Mary-Ann und Joshua sahen sich an. »Da oben muss sich ein Schleicher aufhalten«, flüsterte Mary-Ann. »Sollen wir noch hochgehen, oder ...«

      »Ich befürchte, wir werden auch oben nichts mehr finden. Die Apotheke ist derart gründlich geplündert, das kann nicht nur einer gewesen sein. Und ich denke nicht, dass sie hier unten haltgemacht haben. Oben ist bestimmt auch nichts mehr zu holen«, meinte Joshua.

      »Wenn wir schon einmal hier sind ...« Mary-Ann zuckte mit den Achseln.

      Joshua legte ihr eine Hand auf den Arm. »Gut. Komm! Schauen wir kurz oben nach!«

      Sie huschten die Treppe hoch, vorbei an zwei zerstückelten Leichen, bei denen die Gedärme heraushingen. Bei einem der Toten standen die Schienbeinknochen hervor, bei dem anderen waren die Arme aus dem Schultergelenk gedreht. Es sah fast so aus, als hätte man die Untoten mutwillig verstümmelt. Der Gestank wurde immer schlimmer. Eingetrocknetes Blut hatte die Treppe stellenweise schwarz gefärbt. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft. Kurz darauf hatten Mary-Ann und Joshua die erste Galerie erreicht. Sie sahen nach links und rechts. Zu beiden Seiten lagen Leichen, doch keine von ihnen regte sich, offensichtlich waren die Untoten erlöst worden. Von irgendwo kam ein Stöhnen. Vielleicht war ein Untoter eingeschlossen worden und grunzte sinnlos vor sich hin. Sie bewegten sich weiter auf die Lebensmittelabteilung zu. Einige Einkaufswagen lagen umgekippt am Boden. Die Scheiben waren eingeschlagen. Das war letzte Woche auch noch nicht gewesen.

      Joshua blieb stehen und hielt Mary-Ann am Arm fest. »Hier hat jemand gewütet«, sagte er leise. Sie nickte. Vorsichtig bewegten sie sich entlang der zerbrochenen Scheibe auf den Eingang zu, doch schon von ihrer Position aus war zu erkennen, dass die Regale der Lebensmittelabteilung leer standen. Da war gar nichts mehr. Ein Grunzen erklang. Mary-Ann und Joshua bewegten sich ein Stück weiter, dann sahen sie einen Untoten, dem der Unterleib fehlte. Das Ding lag im rechten Gang des Lebensmittelgeschäftes am Boden. Der Untote hob den Kopf. Leere Augenhöhlen starrten in ihre Richtung. Er bewegte langsam den Kiefer und schien zu kauen, dann jedoch kam Bewegung in ihn. Er wurde unruhig, stöhnte und grunzte lauter, gerade so, als hätte er erst jetzt die Witterung aufgenommen. Mit seinen Armen schleppte er sich mühselig den Gang entlang und stieß hin und wieder ein wütendes Zischen aus. Man konnte meinen, das Ding ärgere sich darüber, dass es nur so langsam vorankam..

      »Der war letzte Woche nicht hier«, meinte Joshua. Der Untote war zu weit entfernt, um ihnen gefährlich werden zu können. Trotzdem hatte Joshua ein mehr als ungutes Gefühl. Nicht wegen dem Untoten, der sich auf sie zu schleppte, sondern wegen der Unbekannten, die die Shoppingmall derart gründlich geplündert hatten. Das musste eine größere Gruppe sein. Und große Gruppen konnten Gefahr bedeuten.

      »Ich möchte zu gerne wissen, wo sich die Leute aufhalten«, meinte Joshua, als er den Gang rauf und runter blickte, doch da war nichts, bis auf das entfernte Stöhnen irgendwelcher Untoter.

      »Meinst du, wir sollten mit ihnen Kontakt aufnehmen?«, fragte Mary-Ann.

      »Ich weiß nicht. In normalen Zeiten würde ich sagen, wir sollten nach ihnen suchen, aber was ist noch normal ...«

      Mary-Ann nickte. »Komm, schaffen wir uns hier raus. Vielleicht haben wir mit dem Kerosin mehr Glück. Wir haben noch genügend Medikamente - und Lebensmittel sowieso. Aber vom Kerosin kann man nie genug haben - und ich denke jetzt nicht an den Hubschrauber.«

      Joshua grinste. Er wusste, was Mary-Ann meinte. Eine totsichere Möglichkeit, die Untoten auszuschalten, war, sie abzufackeln, das hielt selbst der strammste Zombie nicht aus. Zur Not konnte man am Ufer sogar eine brennende Kerosinwand errichten, Umweltschutz hin oder her ...

      Als sie auf den Hubschrauber zuliefen, sah Candy sofort, dass die Exkursion kein großer Erfolg gewesen sein konnte. Keiner der beiden hatte einen gefüllten Beutel in der Hand, auch die Rucksäcke wirkten flach, da war nichts drin.

      »Hier