„Ja. Sie haben es überstanden und dürfen sich wieder anziehen. Ich werde heute noch alles auswerten und morgen wissen dann vielleicht schon mehr.
Finden Sie den Weg allein zurück in Ihr Zimmer?“ fragt er mich besorgt als ich mich schlaftrunken anziehe.
„Ja ich denke schon, der Weg war ja nicht allzu weit.“ sage ich spontan ohne darüber nachzudenken ob ich mich tatsächlich an den Weg erinnere.
Gedankenverloren verabschiede ich mich von Dr. Spector und seiner Mitarbeiterin und trete immer noch benebelt vom Schlaf auf den Gang hinaus.
Tatsächlich muss ich kurz überlegen aus welcher Richtung wir gekommen sind und schlage spontan den Weg nach links ein.
Den Gang entlang eilend stehe ich kurze Zeit später wieder vor unserer Zimmertür und atme zunächst tief durch bevor ich den Raum betrete.
Saundra sitzt auf dem Bett, hat die Arme um ihre angezogenen Beine geschlungen und stützt ihr Kinn auf die Knie auf.
Dr. Guillermo Perez sitzt daneben auf einem Stuhl und spricht so leise, dass ich zunächst gar nichts verstehen kann.
„Oh, Entschuldigung! Ihr seid noch nicht fertig. Dann gehe ich ein Stück durch die Klinik spazieren und komme später wieder!“ sage ich entschuldigend, doch Saundra winkt mich mit der Hand zu sich.
„Nein, komm her! Setz’ dich neben mich bitte. Ich denke Dr. Perez und ich sind zunächst soweit fertig.
Wir haben ohnehin nur noch einen Termin für heute Nachmittag in seinem Büro ausgemacht.“ lächelt sie verhalten und küsst mich auf die Wange als ich mich neben ihr niederlasse.
„Nanu? Dr. Perez, was haben Sie denn mit Saundra gemacht? Ihre tiefe Verzweiflung scheint ja fast wie weggeblasen zu sein?“ frage ich ihn und hebe kurz die Augenbrauen.
„Na, ganz so ist es nicht! Wir werden noch viel arbeiten müssen, da reichen zwei Stunden bei Weitem nicht aus. Aber ich denke sie hat verstanden, dass sie sich Ihrer Krankheit stellen muss, ganz egal was es am Ende ist. Es von sich zu schieben und zu ignorieren geht nicht.
Sie müssen gemeinsam kämpfen und die Hoffnung niemals aufgeben und je mehr Sie sich gegenseitig bestärken, umso größere Chancen haben Sie wieder gesund zu werden.“ führt er ruhigen Tones aus.
„Danke Dr. Perez! Genau zu diesem Entschluss bin ich im Kernspin auch gekommen. Ich werde nicht so schnell aufgeben und alles tun was Dr. Spector von mir verlangt.“ sage ich leise und bekräftige meine Aussage mit einem leichten Nicken.
Dr. Perez erhebt sich und klopft mir lächelnd auf die Schulter.
„Sehr gute Einstellung! Genauso muss das sein, dann werden Sie es auch schaffen. Ganz egal was jetzt bei den Untersuchungen herauskommt. Ich muss mich jetzt aber leider verabschieden…“ sagt er zu mir und zu Saundra gewandt „… wir treffen uns dann heute Nachmittag. Bis dann.“
Er verabschiedet sich mit einem Händedruck und verlässt das Zimmer fast lautlos.
Saundra schlingt ihre Arme um mich herum und legt ihren Kopf an meine Schulter.
„Und wie war’s?“ flüstert sie.
„Nicht weiter schlimm! Außerdem bin ich eingeschlafen, von daher habe ich gar nicht viel mitbekommen.“ raune ich zurück.
„Hat sich Lázló noch einmal gemeldet?“ frage ich, denn ich finde es komisch, dass er zu Dr. Spector sagte dass es Tristan besser geht und sich bei Saundra noch nicht gemeldet hat.
„Ach ja, das hätte ich fast vergessen. Vor einer halben Stunde kam eine SMS, aber ich habe sie noch nicht angeschaut, weil ich das Gespräch mit Dr. Perez nicht unterbrechen wollte.“ antwortet Saundra und springt wie von der Tarantel gestochen auf, fischt ihr iPhone aus ihrer Handtasche und öffnet die SMS.
> ‘Hallo Saundra!
Tristan geht es endlich etwas besser und die Ärzte sind sich nun sicher, dass er überleben wird. Allerdings ist er noch nicht aufgewacht, aber wenigstens ist die Angst nicht mehr so groß, dass er sterben könnte und ich ihn wieder verliere. Sobald er transportfähig ist, werde ich ihn die USA zurückbringen lassen.
Wie geht es Matt? Wisst ihr schon irgendetwas?
Ich bin schon ganz krank vor Sorgen … vor allem weil ich nichts tun kann. Hoffentlich haben sich die ungarischen Ärzte geirrt und es kommt doch nur etwas Harmloses dabei heraus.
Sag‘ ihm bitte, dass ich an ihn denke und hoffe dass es keine Leukämie ist.
Dein dich liebender Dad Lázló.‘<
„Was soll ich ihm denn jetzt zurück schreiben?“ fragt sie leise.
„Wir wissen ja immer noch nichts Genaues.“
„Schreib‘ ihm halt wenigstens, dass wir uns darüber freuen, dass es Tristan besser geht und wir die Ergebnisse erst morgen bekommen.“ rate ich ihr.
„Okay!“ sagt sie seufzend und beginnt zu tippen.
> ‚Hallo Dad! Schön, dass es Tristan besser geht und er wieder gesund wird.
Von Matt haben wir allerdings noch keine Ergebnisse, die bekommen wir erst morgen im Laufe des Tages!
Ich habe unterdessen eine Scheiß Angst, denn das was Dr. Spector heute Morgen gesagt hat, über die Blutwerte aus Ungarn, hört sich nicht gut an.
Matt war heute Morgen jedenfalls bei der Blutabnahme und im Kernspin und jetzt heißt es erst einmal abwarten und bangen.
Ich vermisse Dich.
Deine Tochter Saundra.‘<
Saundra atmet tief durch als sie die SMS abschickt und kämpft schon wieder mit aufsteigenden Tränen.
„Mist! Deine Mum soll ich ja auch noch anrufen, deshalb denke ich Dr. Spector ist sich schon ziemlich sicher, sonst hätte er das nicht mit der Liste gesagt.
Aber ich kann es Laura nicht sagen, ich bringe das nicht fertig, Matt.“ sagt sie traurig und ein paar Tränen rollen ihre Wangen hinab.
Vorsichtig nehme ich ihr Gesicht in beide Hände, küsse die Tränen einfach weg und flüstere ihr zu.
„Nicht weinen Baby, wenn es so ist, dann können wir es nicht ändern. Da müssen wir jetzt leider durch und Mum rufe ich am besten selbst an.“
Saundra schluckt hart und nickt, presst die Lippen zusammen und kneift verzweifelt die Augen zu.
Somit lasse ich sie wieder los und greife zu meinem Mobile Phone das auf dem Nachttisch liegt und wähle die Nummer meiner Eltern, welche heute alle beide Zuhause sein müssten … denn es ist Sonntag.
„Matt!“ meldet sich Mum, denn sie sieht natürlich meine Nummer auf dem Display ihres Telefons.
„Schön, dass du endlich anrufst! Ich habe dir schon drei E-Mails geschrieben! Warum schreibst du denn nicht zurück? Wo seid ihr denn verdammt noch mal?“
„Mum!“ sage ich bedrückt und mache eine Pause um tief Luft zu holen, welche sie sogleich ausnutzt.
„Matt, was ist denn los? Du klingst so bedrückt?“ ruft sie aufgeregt.
„Mum, mach‘ erst einmal langsam und lass‘ dir erzählen bitte. In Ungarn ist etwas Schreckliches vorgefallen…“ presse ich mit klopfendem Herzen hervor und atme erneut tief ein.
„Um Gottes willen! Was ist denn passiert? Ist irgendetwas mit Saundra oder mit Lázló? Jetzt rede doch endlich.“ sagt sie hektisch.
„Mum, man hat auf uns geschossen und dabei wurde Tristan … du weißt schon der Lehrer von Chitam schwer verletzt.“ beginne ich zu erzählen.
„Ja und weiter? Was ist mit Saundra und Lázló?“ fragt sie entsetzt.
„Tristan brauchte eine Blutspende, dabei hat das Krankenhaus von