Die Verbindung scheint jedoch unterbrochen worden zu sein, denn ich höre nur noch ein leises Rauschen in der ansonsten toten Leitung.
Verdutzt lege ich wieder auf und versuche unzählige Male ihn zurückzurufen, bringe aber keine stabile Verbindung mehr zustande und sehe schulterzuckend zu Saundra.
Sie presst bedauernd die Lippen zusammen als ihr iPhone brummend eine eingehende SMS ankündigt.
„Von Lázló?“ frage ich schnell und Saundra nickt mit dem Kopf, während sie auf das Display schaut und die SMS öffnet.
„Was schreibt er?“ frage ich und setze mich neben sie um die SMS mitzulesen.
>Ich hoffe ihr seid gut Zuhause angekommen? Leider kann ich euch telefonisch nicht erreichen, denn das Mobilfunknetz hier in Ungarn ist leider sehr schlecht!
Tristan hat die Nacht zwar überstanden, er ist aber immer noch nicht ganz außer Lebensgefahr und befindet sich vorübergehend im künstlichen Koma!
Bitte melde dich Saundra wenn du weißt was mit Matts Blutwerten ist. Ich mache mir auch um ihn ziemlich schwerwiegende Sorgen und werde fast verrückt hier allein!<
Saundra drückt die SMS weg und legt das iPhone zur Seite.
„Willst du ihm nicht antworten?“ frage ich deshalb betreten.
„Bitte Saundra. Er wartet doch auf Nachricht von uns.“
„Was soll ich ihm denn schreiben?“ tut sie unschuldig und verdreht dabei die Augen.
„Wir wissen doch noch gar nichts von deinen Blutwerten.“
„Saundra!“ sage ich eindringlich.
„Dein Vater sitzt ganz allein in einer Klinik in Ungarn. Er macht sich entsetzliche Sorgen um seinen Lebensgefährten der immer noch in Lebensgefahr schwebt und er weiß noch nicht einmal ob seine Tochter gesund in den USA angekommen ist.
Kannst du dir denn nicht annähernd vorstellen, wie es jetzt in ihm aussehen mag?“
Seufzend nimmt sie wieder das iPhone zur Hand und beginnt zu tippen.
>Wir sind gut angekommen und von New York aus gleich nach Philadelphia weiter geflogen. Wir befinden uns jetzt im Albert Einstein Medical Center, aber weil es jetzt mitten in der Nacht ist macht Dr. Spector die Untersuchung bei Matt erst morgen.
Ich melde mich wieder, sobald wir ein Ergebnis haben.<
„Schreib‘ noch dazu, dass er sich auch melden soll, wenn es Tristan besser geht.“ sage ich noch schnell bevor sie die SMS absendet.
Sie tippt noch schnell einen Satz dazu und sendet die SMS ab.
Wir sehen uns zunächst wortlos an bis mir unser Gespräch wieder einfällt das wir vor dem Klingeln des iPhones geführt haben.
„Du wolltest mir vorhin noch etwas sagen über deinen Dad und seine Beziehung zu Tristan. Das Telefon hat dich leider unterbrochen.“ bohre ich nach.
„Ja, naja.“ überlegt sie was sie zuletzt gesagt hat.
„Wie gesagt, es wollte zuerst nicht in meinen Kopf wie ein ehemaliger Familienvater plötzlich schwul sein soll.
Ich fühlte mich im ersten Moment als hätte er mich mein ganzes Leben lang hintergangen, belogen und betrogen. Ich war einfach nur tief enttäuscht, aber auf dem langen Heimflug ist mir klar geworden, dass mich sein Liebesleben bisher nie interessiert hat und eigentlich auch gar nichts angeht.
Er mischt sich in mein Liebesleben ja im Großen und Ganzen auch nicht ein, außer es handelt sich um seine heißgeliebten Archäologen.“ sie grinst mir dabei ins Gesicht und leckt sich die Lippen.
„Aber mit dem Letzten ist ja alles gut ausgegangen und er ist ihm geblieben und nicht wieder auf Nimmerwiedersehen abgehauen.
Aber was ich eigentlich meine ist, dass es sein Leben ist und er es endlich so leben soll wie er es möchte.
Er hat die letzten einunddreißig Jahre seines Lebens für mich geopfert, damit muss es auch einmal gut sein und er kann ja nichts für seine Neigung. Das soll angeboren sein habe ich einmal gelesen.
Ich weiß zwar nicht, ob ich mir Tristan als ‚Stiefmutter‘ wirklich vorstellen kann, aber er ist in erster Linie ja auch ein Freund und das kann ich auf jeden Fall akzeptieren.
Was die beiden dann nachts unter der Bettdecke treiben muss ich ja nicht wissen und ich will es mir auch gar nicht ausmalen.“
Bei dem Wort ‚Stiefmutter’ gluckst sie lächelnd auf, doch in ihrem Blick sehe ich, dass es ihr absolut ernst ist mit dem was sie sagt.
„Nanu?“ frage ich erstaunt.
„Dass du so schnell zu solch‘ einer Erkenntnis kommst hätte ich nicht geglaubt. Ich dachte, dass da jetzt sehr viel Überzeugungsarbeit auf mich zukommt.“
„Ach weißt du, mir ging immer wieder dieser Satz im Kopf herum den Dad gesagt hat bevor ich an die frische Luft gestürmt bin.
‚Bitte, gönne mir dieses kleine Glück mit Tristan. Ich liebe ihn, so wie du deinen Matt liebst, wenn er überhaupt überlebt.‘
Ich habe mir vorgestellt wie es wäre, wenn ich auf dich verzichten müsste nur weil unsere Gesellschaft plötzlich die Liebe zwischen Mann und Frau nicht mehr akzeptieren würde…“ sie macht eine kurze Pause und schluckt hart.
„… oder dich auf andere Weise verlieren könnte…“
Abermals macht sie eine Pause und hält sich die Hand vor den Mund, wobei zwei dicke Tränen ihre Wangen hinabrollen und sie hörbar tief ein- und ausatmet.
„Der Gedanke hat mir gar nicht gefallen und plötzlich wurde mir bewusst, wie viel Dad wirklich für Tristan empfindet und wie sehr er ihn lieben muss.
Wohl genauso sehr wie ich dich liebe. Das hat er ja gesagt, aber jetzt verstehe ich erst was es bedeutet, wenn der am meisten geliebte Mensch in Lebensgefahr schwebt.
Sicherlich war dieses Outing noch nicht von ihm geplant und das Schicksal hat den Zeitpunkt dafür gewählt. Aber vielleicht war es auch gut so und er hatte absolut Recht mit dem was er sagte, nämlich dass er trotzdem immer für mich da war und deswegen kein schlechterer Vater ist.
Meinetwegen sollen die beiden glücklich miteinander werden und ob es seinem Job und seiner Firma gut tut muss er selbst entscheiden.
Am Ende ist das doch eigentlich auch egal, er braucht die Firma ohnehin nicht mehr um den Rest seines Lebens im Luxus zu leben.“ sagt sie mit sanfter und versöhnlicher Stimme.
Wie nebenbei schaut sie dabei auf die Uhr, deren Zeiger bereits auf vier Uhr a.m. vorgerutscht sind und flüstert lächelnd weiter.
„Jetzt sollten wir aber ein wenig schlafen, sonst muss uns Dr. Spector am Ende sogar noch wecken.“
„Ja da hast du allerdings Recht, mir fallen ohnehin schon wieder die Augen zu.“ gebe ich gähnend zu und beginne mich auszuziehen in der Hoffnung, dass Saundra heute auf ihre Spielchen verzichtet angesichts der vorgerückten Stunde.
Und ich habe Glück, denn sie scheint selbst müde zu sein und kuschelt sich an meinen Rücken, während sie mich mit den Armen und Beinen umschlingt wie eine Liane und mir ein „Gute Nacht, Darling!“ ins Ohr haucht.
Kapitel 2
Blinzelnd schaue ich in das kalte Licht der Wintersonne, welche mir blendend durch das Fenster direkt in das Gesicht scheint.
Denn offenbar haben wir heute Nacht vergessen die Jalousien zu schließen und ich höre Saundra schon im Bad rumoren.
Nachdem ich mich aber immer noch müde und abgekämpft fühle, drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe mir noch einmal die Bettdecke über den Kopf.
Lange habe