Reginald. Johs. Georget. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johs. Georget
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004113
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Lippen mit und trägt es bis zu uns, damit wir es hören und immer daran denken.

      Und nur diesen geheimnisvollen Fff’s verdanken wir, nur sie geben uns, dass wir sind, was wir sind.

      Dass wir unseren Platz in unserem Leben finden, die Rolle in der Gemeinschaft, dass Keines von uns fehlen darf in diesem kunstvollen Gespinst, denn dann wäre das Jetzt nicht das Jetzt und das Ist nicht das Ist und das Hier nicht das Hier.

      Diese drei Fff’s, das sind die drei Geheimnisse unseres Lebens. Und wer diese Geheimnisse kennt, der erkennt den Sinn im Ganzen und kann sich an seinem eigenen sinnvollen Sein erfreuen.“

      Hier endete Ennos Geschichte und Stille senkte sich über den Wald. Vor gespannter Erwartung hingen aller Blicke an Ennos mondbeschienenem quittengelben Schnabel, dachten sie doch, dass nun die Erklärung der drei Geheimnisse käme. So warteten sie und warteten und der Mond und die Sterne rückten weiter und weiter im Gezweig. Doch Enno schien eingeschlafen zu sein. Niemand, so verzagt sie auch waren, wagte es ihn zu wecken. Und einer um den anderen senkte seinen Blick, weil es ihm nicht vergönnt war, die Geheimnisse der drei Fff’s zu ergründen, wandte sich ab und wandte sich heim, reicher um eine schöne Geschichte und wegen der Unkenntnis um diese drei neuen, so bedeutenden Geheimnisse um so vieles ärmer.

      Noch bevor der erste jedoch seine Heimstatt erreicht hatte, frischte der Wind auf und ließ ein gewaltiges Fff durch die Bäume des Waldes fauchen, zu dem Enno mit gewaltiger Stimme intonierte „Fff-Familienbande“. Ein zweites Fff durchfuhr Busch und Tann. „Fff-Freundschaften“ sandte Enno ihm volltönend hinterher. Und ein drittes und letztes Mal erhob sich machtvoll der Wind in dieser Nacht, bevor er sich zur Ruhe begab, mit einem dritten Fff und Enno setzte ihm mit ebenbürtiger Stimme „Fff-Vorbilder“ hintan.

      Regi, eingekuschelt in Ennos Federflaum, ließ die Geschichte mit dem geheimnisvollen Ende auf sich einwirken, sank aber unter der Macht der drei Fff-Worte in einen tiefen, traumlosen Schlummer, in dem ihn sein mächtiger, weiser Freund liebevoll umhütete, indem er sich ganz stille verhielt und kein kleinstes Bisschen muckste.

      Ganz leise erzählte Enno weiter. Was folgte, galt nur seinem schlafenden Freund, aber er wusste, dass alle Sinne des Schlafenden durch die vorangegangene Erzählung so geschärft waren, dass er alles in sich aufnehmen und verinnerlichen würde.

      „Weißt du, Regi, es gab Zeiten der Not, in denen ich glücklich war, eine Familie zu haben. Es gab Zeiten des Trübsals, aus dem mir Freunde heraushalfen und Zeiten der Hoffnungslosigkeit, in denen ich ohne Vorbilder verzagt wäre.

      Die Familie ist dir, was dem Baum seine Wurzel ist. Unentrinnbar bist du ihr verbunden. Sie zeigt dir deine Herkunft, sie gibt dir Halt, Geborgenheit und Fürsorge. Sie verlangt aber auch vieles von dir: Verantwortung, Treue, Unterordnung, Gehorsam. Egoismus ist in der Familie fehl am Platze. Nie darfst du sie verleugnen, immer musst du zu ihr stehen. Wenn du fest mit ihr verbunden bist, wirst du Trost finden in tiefster Verzweiflung, eine Stütze wenn du schwach wirst, Hilfe in jeder Not. Die Familie wird dir immer das Nest aus deinen Kindertagen bleiben.

      Freunde, Reginald, wenn du ein Vogel wärest, ich würde sagen, Freunde sind Flügel. Da weiß ich, wovon ich spreche. Flügel sind die Freunde, die dich aus dem Nest forttragen. Freunde helfen dir, ohne deine Familie zurecht zu kommen. Sie können dir die Familie aber nie ersetzen. Sie werden dir helfen, selbstständig zu werden, werden dir helfen, dich selbst auszuloten und dich zurechtweisen, wenn das Lot allzu tief zu versinken droht. Sie werden dich gerade dort unterstützen, wo dich allzu große Fürsorge einer Familie in deiner Entwicklung hemmte. Sie teilen deine kleinen Geheimnisse, von denen die Familie nicht unbedingt wissen muss. Nicht zuletzt werden gute Freunde dir aber immer helfen, wie eigene Flügel, in dein Nest zurück zu finden, zu deiner Familie. Und sie werden dich dein Leben lang begleiten.

      Und Vorbilder. Man nennt sie auch Ideale. Einmal warst du ein klitzekleines Hörnchen. Heute bist du ein Eichhorn. Ausgewachsen, ein Männchen, wie es in manchen Bilderbüchern steht. Nun gut, im Moment bist du etwas verwahrlost, hast dich gehen und hängen lassen. Aber denke noch zurück an jenen wunderschönen Frühlingstag, als ich dich mit dem kleinen Eichhörnchenmädchen auf der Suche nach ihrem Heimatkobel durch die Lüfte getragen habe. Was warst du da ein Bild von einem Hörnchen! Mit seidigem Fell, buschigem Schwanz und blitzblank-weißem Kullerbäuchlein. So wärst du ein Vorbild für dich selbst! Ein Vorbild ist ein Ideal, ein Ziel nach dem du strebst. Ohne solch ein Ziel würdest du verharren, dich nicht weiter entwickeln und schließlich verwahrlosen. Hättest du nie eines gehabt, du wärest noch immer ein hilfloses Hörnchen. Vielleicht gar verhungert. Oder hat nicht deine Mutter auch dich gefüttert mit den Worten ‚Mach auf, dein Schnäbelein, und iss, damit du groß und stark wirst, wie dein Papa’? Meine hat das getan.“

      In Ennos Bauch regte sich etwas. Er blickte hinab und große Knopfäuglein blickten aus seinen Federn hervor. Er lächelte hinab. „Nun Regi, geht’s dir etwas besser?“

      Ein leises Lächeln zeigte sich auf den blinzelnden Knöpfen und Reginald erwiderte „Ach Enno, du bist meine Freunde und meine Vorbilder!“ Das Lächeln schwand. „Aber eine Familie habe ich nun nicht mehr. Ich habe den Weg vergessen, woher ich ge-ke-ke-kommen bin und würde ihn wohl niemals wieder finden!“

      Gerade noch rechtzeitig, bevor sich eine Träne aus seinem Auge quetschen konnte, drückte Enno ihn an sich und sagte „Familie kann so vieles sein. Ein Bild in deinem Herzen. Oder auf deinem Nachttisch. Eine liebe Erinnerung, wie zum Beispiel der Spruch mit den beiden Schlüsselchen Bitte und Danke, den dir deine Mutter auf den Weg gegeben und ins Herz gepflanzt hat. Eine in den Fels geritzte Spur kann Familie sein. Ein Ritual. Ein Blick über die Baumwipfelspitzen hinweg in die aufgehende Sonne.“ In diesem Moment stemmte sich der Sonnenball über den Horizont und zauberte rosiges Leuchten und seliges Lächeln auf die Gesichter von Reginald und Enno. „Ein lieber Ort, der einstmals von Glück und gemeinsamem Lachen erfüllt war, und an den du immer wieder gern zurückkehrst. Oder ein Baum, den ein Ahn einst für die Zukunft pflanzte. Selbst ein kühles Grab, dem du dich zuwendest um zu gedenken. Das alles kann Familie sein, wenn es dein Herz erreicht.“

      „Ach Enno, was bin ich froh, dass ich dich hab! Ke-ke-keinen besseren besten Freund ke-ke-könnte ich mir wünschen!“

      „Oh, Regi, das ehrt mich. Aber sieh dich nur um! Überall hast du Freunde und überall kannst du neue Freunde gewinnen. Und das sollst du auch. Je mehr Freunde du hast, desto besser. Aber mein bester Freund, das bist auch du!“

      „Aber Enno, eins verstehe ich noch nicht: Wofür braucht denn jemand ein Vorbild? Ich meine, warum soll denn einer so sein wollen, wie ein Anderer? Ich meine, der Andere ist doch schon da, und wenn man dann selbst auch noch so wird, dann gibt es ja gleich zwei Andere. Also, weißt du was ich meine? Andere gibt es doch schon genug. Nur mich selbst gibt es nur einmal, alle Anderen sind Andere. Und wenn ich denn dann auch noch ein Anderer wäre, gäbe es ja nur noch Andere, und mich gar nicht mehr! Also, wofür ist denn dann ein Vorbild gut?“

      „Nun, du hast Recht. Ganz einfach zu verstehen ist das nicht. Wenn nämlich jemand ganz genau in Allem so sein wollte, wie sein Ideal, nicht besser und nicht schlechter, genau so eben, dann wäre er zum Schluss nur eine Kopie.

      In den meisten Fällen sind es aber einige ganz besonders herausragende Eigenschaften, die ein Vorbild zu einem Ideal machen. Und nicht zuletzt ist es auch wichtig, bei der Wahl seines Vorbildes realistisch zu sein. Wenn du dir zum Beispiel vom Uhu die Weisheit wünschst, ist das ein – vielleicht – erreichbares Ziel. Wünschtest du dir allerdings seinen krummen Schnabel, dürfte das kein Ideal mehr sein, sondern ein Idol. So nennt man unerreichbare Ziele.“

      Und so verging der liebe, lange Tag und so war wieder einmal Abend und schließlich Nacht geworden. Heute fiel es Reginald gar nicht schwer, sich von seinem Freund zu trennen, als der sagte, es wäre an der Zeit, in Horst und Kobel zu steigen, morgen sei ja immerhin auch noch ein Tag.

      Früh am nächsten Morgen, Nebelschwaden hingen noch im Wald, senkten sich aber bereits, um den Pflanzen feuchten Tau zu spenden und einem schönen Sonnentag Platz zu machen, keckerte Reginald schon ganz aufgeregt auf Ennos Horstrand herum und lief Runde um Runde und rief „Aufstehen Enno, du weißt doch: Morgenstunde hat doch Ke-ke-Gold im Munde. Los, ke-ke-komm,