»Ey, Vatter, was ist?«, schnaufte ich ärgerlich.
»Da hängt Wäsche, lasst uns Harry einkleiden!« Er schien von seiner Idee regelrecht begeistert zu sein. Vielleicht reizte es ihn, nach so langer Zeit, mal wieder etwas Verbotenes zu tun. Da sieht man es mal wieder. Meine Gegenwart schien sich negativ auf sein Verhalten auszuwirken.
»Das ist eine saublöde Idee! Es ist doch nicht mehr weit. Lasst uns lieber schleunigst zum Auto gehen!«, brachte ich meine Zweifel zu Gehör.
»Was denn?«, fragte mein Schöpfer spöttisch. »Bist du etwa zu einer alten Spaßbremse verkommen?«
»Und du alter Lüstling, willst dir ja nur die Weiber-Unterwäsche ansehen, habe ich recht?«, konterte ich.
Während wir diskutierten und ich die Kinder umdrehte...
… Ja, ich weiß, Damenunterwäsche ist eigentlich nichts Schlimmes. Aber die Frage, was in die beiden Beulen eines Büstenhalters kommt, kann schon sehr unangenehm werden...
… Also während ich die beiden Kleinen umdrehte, machte sich Haremhab an der Wäsche zu schaffen. Ich warf einen Blick über die Schulter, weil ich es äußerst verdächtig fand, wieso das alte Fledermaus-Gesicht neben mir so kicherte.
»Verdammt, warum zieht er sich ein Damennachthemd an?«, fragte ich unterirdisch begeistert.
»Keine Ahnung, vielleicht steht er auf Damenwäsche?«
»Oh, toll, dann seid ja ihr schon zwei, hä?«, knurrte ich und lief zum Pharao.
»Sehe ich königlich aus?«, fragte Harry, nicht ohne einen gewissen Stolz.
»Ja, wie Mary-Anne á Moon, die Dragqueen! Zieh den Frauenfummel aus! So kannst du unmöglich unter die Leute gehen. Männer tragen heutzutage keine Kleider, erst recht keine Damennachthemden mit Dekolleté und Rosenmuster!«, sagte ich wohl etwas zu laut, denn im oberen Stockwerk ging ein Licht an.
Seufzend zog er das Nachthemd wieder aus. Schnell nahm ich Augenmaß, rupfte beinahe in Schallgeschwindigkeit ein T-Shirt, eine Jeans, eine Unterhose und Socken von der Leine. Vor einer Haustür fand ich ein passables Paar Turnschuhe herumstehen.
»So, und jetzt anziehen!«, knurrte ich ungeduldig. Leider tat sich Harry mit moderner Kleidung ein wenig schwer. Wichtig war, dass er zuerst die Unterhose anzog. Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, seit des Erfindung des Reißverschlusses, sollte niemand männlichen Geschlechts, als Neubürger dieser modernen Welt, auf eine Unterhose verzichten, es sei denn, er ist beschnitten...
Ich wurde nervös, weil über uns ein Fenster aufging und eine aufgebrachte Dame anfing, uns in einem langen Redeschwall zu beschimpfen. Italienisch ist eine äußerst faszinierende und melodische Sprache. Keine Sprache der Welt klingt sowohl in gesungener, als auch in gefluchter Form, so harmonisch wie das Italienische. Nur der Inhalt dieses Fluchens gefiel mir absolut nicht. Und schon kam der erste Blumentopf geflogen, der krachend neben unseren Füßen zerschellte. Scherben und Blumenerde flogen uns um die Ohren.
Noch ehe Harry die Sneaker zubinden konnte, hatte ich ihn mir geschnappt und unter den Arm geklemmt. Die Carabinieri konnten wir im Moment wirklich nicht gebrauchen. In Malfurions Augen erschien ein erregtes Glimmen. Dieser Nervenkitzel gefiel ihm offenbar. »Ich liebe diese italienischen Frauen«, schwärmte er. »Niemand sieht so atemberaubend aus, wie eine wütende, heißblütige Italienerin!«
»Noch immer der alte Hedonist, wie? Los, abhauen, aber zügig! Ehe sie mit einem Bügeleisen nach uns wirft«, zischte ich, und klemmte mir den Autoschlüssel in den Mund, und meinen Sohn Agnir unter den anderen Arm. Malfurion riss Ructus von den Füßen und folgte mir.
In Windeseile erreichten wir das Auto, noch im Laufen betätigte ich mit den Zähnen die Zentralverriegelung. Schnell setzte ich Agnir ins Auto und ehe ich ihn anschnallen konnte, kam auch schon der Hund ins Auto gesprungen. Na, tolle Wurst!
»Verdammt, wie soll ich den bekloppten Hund hier raus bekommen, ohne ihn anzufassen? Ah, ich versuche es am besten mit Telekinese! Schnallt euch an, sonst stirbt ein Einhorn!«
»Nein Papa, du tust ihm bestimmt nur mit Telekinese weh!«, wehrte Agnir ab. »Lass ihn doch mitkommen!«, klickte sein Sicherheitsgurt. Karl-Heinz das Einhorn, war Agnirs Kumpel und er wollte nicht, dass er starb, nur weil er sich nicht angeschnallt hatte. - Das war nicht meine Idee, sondern es stand in einem Erziehungsberater, dass der Einhorn-Trick funktionierte.
»Zumindest hast du meine Worte verinnerlicht und nicht gebeten, ihn zu behalten! Aber der Hund muss raus!«
»Habe ich da gerade eben ein Polizeiauto gesehen?«, fragte Ructus scheinheilig.
»Glaube ja nicht, ich fiele auf so einen plumpen Trick herein. Los, Hund! Raus mit dir!« Doch statt auf meine Worte zu hören, schleckte er Harrys Gesicht ab.
»Buah! Das Vieh riechen, als wäre es seit tausend Jahren tot!«, sagte der Gottkönig.
»Vielleicht bist du es, der da so müffelt? Oh, nichts für ungut, Harry!«, sagte ich mit einer gewissen Genugtuung. Tja, der arme Harry war nicht zu beneiden, so eingeklemmt zwischen zwei Kindersitzen und einem Riesenhund, der wie eine Müllhalde stank und ihm dabei auch noch ins Gesicht sabberte.
Da ich einsehen musste, dass die Hundeentfernung nur unnütz Zeit und Nerven kostete, startete ich schleunigst den Motor und fuhr unseren Wagen, so unauffällig wie möglich, aus der Florentiner Altstadt heraus. Immer wieder sah ich in die ramponierten Rückspiegel, doch die Polizei war nirgends zu sehen. Als ich meinen Schöpfer mit einem Blick streifte, fiel mir auf, dass er wie ein Honigkuchenpferd vor sich hin grinste.
»Was gibt es da zu lachen? Leidest du unter einer Gesichtslähmung, oder hat dir jemand ins Knie geschossen?«, schnauzte ich schlechtgelaunt.
»Weder noch«, griente er äußerst zufrieden. »Eine halbe Ewigkeit habe ich schon nicht mehr so einen Spaß gehabt«, sagte er und faltete behaglich die Hände hinter den Kopf.
»Ach, wirklich?«, fragte ich sarkastisch.
»Ja, das war einfach toll. Übrigens, Ragnor. Wie wäre es morgen Abend mit Minigolf?«
Aus feinem Tuch werden auch Deckmäntel gemacht.
(Deutsches Sprichwort)
Während in Florenz noch tiefe Nacht herrschte, ging im Osten bereits die Sonne auf. Mit einem zufriedenen Blick betrachtete Gungnir sein befremdlich wirkendes Spiegelbild im Badezimmerspiegel. Er zeigte seinem Gegenüber die Zähne, die weiß aus dem dunkel getönten Gesicht hervor schienen. Selbst seine Augenbrauen und der Bart besaßen eine neue Farbe. Das Waschbecken, vor dem er gerade stand, sah aus, als hätte darin zuvor eine besonders haarsträubende Schlacht getobt. Schwarze Haarfarbe ist eine wirklich hartnäckige Angelegenheit und hinterlässt auf weißem Porzellan eine ziemliche Sauerei.
Er machte innerlich drei Kreuze, in weiser Voraussicht die Gummihandschuhe übergestreift zu haben. Ansonsten sähen seine Hände jetzt ziemlich übel aus, speziell die Fingernägel. Er trocknete seine schwarzen Locken, um sie anschließend mit grimmig-konzentrierter Miene zu kämmen. Wie jedes Mal, gaben sie sich äußerst störrisch und schienen ein seltsames Eigenleben zu führen, weil er immer wieder fluchend den Kamm freikämpfen musste. Gerade nach der Haarwäsche, schimpfte Gungnir stets über die dämonischen Gene, die ihm seine Mutter vererbt hatte. Obwohl er damals seine Mutter abgöttisch verehrte, bekam er selbst heutzutage immer wieder eine Gänsehaut, wenn er an ihre Haare dachte. Seine Mutter war eine strebsame und fleißige Frau, die sogar mit ihren Haaren Schweres heben konnte. Sie war womöglich die Einzige, deren Haare Muskeln besaßen. Jedenfalls erzählte ihm sein Vater, dass sie bei ihrem ersten Rendezvous versucht hätte, ihn mit ihrem Haar zu erwürgen. Gungnir schüttelte sich, weil sein Vater ihm des Öfteren vorschwärmte, dass er, Gungnir, überhaupt keine Ahnung hätte, was seine Mutter alles mit ihren Haaren anstellen konnte. Und wieder lief es ihm bei diesem Gedanken, eiskalt den Rücken hinunter. Als er noch ein kleiner Bub war, ertappte er seine Eltern dabei, wie sie aufeinander lagen und grunzten. Neugierig fragte er, was sie da trieben. Sein Vater antwortete schroff, sie würden