Vampire essen keine Pasta. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737581219
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Literatur und musste feststellen, dass die Erwachsenen nicht immer die Wahrheit sagten. Daraufhin keimte in ihm die Idee, seine Eltern dafür zu bestrafen und sie umzubringen. Leider schlugen alle seine Attentatsversuche fehlt. Überhaupt grauste es Gungnir bei dem Gedanken, seine Eltern könnte jemals miteinander Sex gehabt haben. Aber so ergeht es wahrscheinlich allen Kindern.

      Normalerweise züchtigte er seinen eigensinnigen Schopf brachial mit einem Haargel, das nach dem Auftragen hart wie Zement wurde. Ansonsten musste er davon ausgehen, wenn er sich einen Kugelschreiber hinter das Ohr steckte, dass er ihn entweder gar nicht, oder erst nach Tagen wieder fand, oder, was auch schon mal vorkam, dieser wie ein Speer auf umstehende Personen abgefeuert wurde. Das passierte ihm neulich bei einem Meeting, wobei ein Mitarbeiter beinahe ein Auge verlor. Doch diesmal musste er auf Haar bändigende Mittel verzichten, wenn er nicht einen klebrigen Klumpen unter dem Turban tragen wollte.

      Gerade als er mit dem Wickeln seiner aufwändigen Kopfbedeckung fertig war, wurde diese, wie das Geschoss eines Katapults, von seinen Haaren wieder abgestoßen. Gungnir schnaubte verärgert. Seitdem es völlig aus der Mode gekommen war, Hüte zu tragen, gestaltete sich sein Leben wesentlich angenehmer. Damals verschliss er Dreispitze, Zylinder, Bowler und Fedoras, wie andere Servietten, oder Klopapier.

      - Dumm formuliert, dieser Vergleich hinkt, bzw. stinkt. -

      Selbst an windstillen Tagen sahen Passanten des Öfteren, einen hochgewachsenen Rotschopf hinter seinem Hut herjagen. Und das betraf nur die Friedenszeiten. Mit einem Helm auf dem Kopf, durfte er niemals bei den Spähern ganz vorn mit dabei sein, weil das Klappern des Helmes ihren Standort verraten hätte. Und wenn er einen Helm bei einer Schlacht trug, musste er zusätzlich mit einem auf und zu klappenden Visier kämpfen. Nein, er hatte es von jeher nicht leicht gehabt. Schon damals, als er noch ein Halbvampir war, wurde er von den Leuten geschnitten, weil weder seine Mutter, noch sein Vater in der Beliebtheitsskala des Volkes ganz oben standen. Und sich mit Lord Seraphims Familie einzulassen, befanden die meisten als ungesund und zu gefährlich. Somit fiel es dem gutmütigen Gungnir schwer, Freunde zu finden. Er beneidete andere, die wie selbstverständlich, eine Handvoll Spielgefährten ihr Eigen nennen konnten. Sein Vater behauptete, keine Freunde zu haben sei besser, als falsche, die einem ein Messer in den Rücken rammen. Zum Glück war Gungnir kein Einzelkind. Er hatte seinen Zwillingsbruder, mit dem er sich nicht nur von Anfang an das Fruchtwasser und den Mutterkuchen teilen musste, sondern auch die Eltern. Der Zwillingsbruder war zugleich sein bester Freund und Kumpel. Ihr Vater Ragnor rätselte oft, wer von beiden wohl der böse Zwilling sei, kam aber letztendlich zur Einsicht, dass beide böse und ungezogen waren.

      Gungnir musste sich schon recht früh eingestehen, seinen Bruder Mjølnir (den alle seltsamerweise Wally nannten) heimlich zu beneiden. Dieser war hübscher und sehr viel talentierte als er selbst. Mjølnir war ein wahres Genie, was das Zeichnen, Malen und die Bildhauerkunst betraf. Weniger genial war dagegen dessen schlechtes Timing, vor allem dann, wenn sie etwas Schlimmes ausgefressen hatten. Während sich Gungnir schon auf der Flucht und hinter den sieben Bergen befand, bummelte sein Bruder noch immer als Corpus Delicti am Tatort herum. Malen oder Zeichnen konnte Gungnir leider nicht, doch damit punkten, alles zähmen und reiten zu können, was vier Beine besaß. Erst im mittel- bis spätpubertären Alter, kamen bei ihm weibliche Zweibeiner hinzu. Schon früh kristallisierte sich sein Talent als Pferdeflüsterer heraus. Ganz im Gegenteil zu seinem Vater, der eigentlich dafür bekannt war, gerne mal Pferde anzubrüllen und den Begriff »Pferdeboxen« als Tätigkeitswort zu verstehen.

      Wer mit seinem Kampfross nicht zurechtkam, oder gar Wurst daraus zu machen beabsichtigte, trat gern an Gungnir heran. Die Anwesenden lachten zwar, wenn er mit dem Pferd ein Zwiegespräch begann und dem Zossen sogar einen guten Branntwein einflößte, jedoch verflogen ihre Zweifel, wenn sie anschließend den Destrier lammfromm am Zügel wieder in den Stall führen konnten. Nebenbei bemerkt, kostete damals ein gut ausgebildetes Streitross so viel, wie heutzutage ein Haus mit gehobener Ausstattung. Und es ist klar, dass diese wilden Kampf-Hengste nicht leicht zu handhaben waren. Deshalb machte Gungnir schon früh mit seinem Pferdeverstand gutes Geld. Nicht nur durchs Pferdeflüstern besserte er seine Finanzen auf. Er witterte auch fette Gewinne bei selbst arrangierten Pferderennen. Mit seinem Hengst Gunnar, stampfte er die Konkurrenz in Grund und Boden. Das imponierte natürlich auch dem weiblichen Geschlecht. Und Gungnir konnte sich damit brüsten, dass das Glück ihm stets hold blieb, was die Betthasenjagd betraf. Nicht nur in der Ernährung spielt Abwechslung eine große Rolle. Was die Frauen betraf, war er Jäger und Sammler in Personalunion. Er war zwar nicht so gutaussehend wie sein Zwillingsbruder, dafür besaß er aber eine äußerst virile Ausstrahlung, und mit seiner eloquent-charmanten Art, waren die Damen wie Wachs in seinen Händen. Bald kam er dahinter, dass edle und vornehme Kleidung wie ein Frauenmagnet funktionierte. Und nachdem er den Beruf des Schmiedes erlernt hatte, konnte er mit seiner Kraft und Ausdauer bei den Damen zusätzlich mächtig Eindruck schinden. Als kleines Kind ähnelte er mit seinem langen Gesicht eher einem Pferd; erst später glich er von seinem Erscheinungsbild seinem Vater.

      Allerdings strebte er nicht wie sein Erzeuger danach, eine eigene Familie zu gründen. Deshalb kam es für ihn beinahe einem Todesurteil gleich, als er ein Mädchen aus Høy Øya schwängerte und anschließend von seinem Vater dazu verdonnert wurde, diese Nordfrau auch noch zu freien. Er, der gerne Betthasen jagte, musste plötzlich wie ein vernünftiger Mann handeln. Er fühlte sich vom Leben betrogen; zwar wusste er inzwischen wie die schönste Sache der Welt ging, jedoch blieb ihm der eigentliche Zweck dessen, wieso es die Natur so eingerichtet hatte, völlig schleierhaft. Er ging davon aus, dass Vampire mit Platzpatronen schossen, musste aber schockiert feststellen, dass dies nicht für Halbvampire galt.

      Und als wäre das nicht schon schlimm genug, stand eines morgens ein Körbchen mit einem Kleinkind vor seiner Tür. Der Junge konnte zwar nicht sagen, wer seine Mutter war, jedoch verriet ein Brief, dass dieses Kind das Ergebnis einer wilden Liaison mit einer angesehenen Adelstochter war. Leider konnte Gungnir das Kind nicht mehr zurückgeben, denn die junge Mutter wurde gezwungen den Schleier zu nehmen, um Zuflucht in einem Kloster zu finden. Deren Eltern suchten gleichfalls ihr Heil in der Flucht, weil sie nicht das Schicksal erleiden wollten, das jeden ereilte, der auch nur einen Hauch an Einfluss auf Lord Seraphim oder dessen Familie nehmen wollte.

      Und überhaupt brachte es das Wort »Liaison« nicht unbedingt auf den richtigen Nenner. Eigentlich kannte er die Kindsmutter nur flüchtig. Wobei das Wort »flüchtig« genau das beschreibt, was er am nächsten Morgen nach dieser denkwürdigen Nacht war. Eigentlich fing alles recht harmlos an. Sein Bruder und er, trieben mal wieder Schabernack auf Kosten anderer. So wurden sie auf Anraten ihres Großvaters, Lord Seraphim, und um den Anschein zu wahren, sie seien fromme Christen, in den Ministranten-Chor der Burgkapelle gesteckt. Wahrscheinlich um das Gerücht zu zerstreuen, welches besagte, sie seien zwei wahre Teufel. Und zum Erstaunen aller, sangen die Zwillinge wie Engel. Bei den Proben selbst, gaben sie sich umgänglich. Als jedoch die neu renovierte Burgkapelle eingeweiht werden sollte, wollten die Zwillinge, wenn sie schon die Stars der Aufführung waren, zumindest hinterher eine ordentlich Backstage-Party mit Groupies feiern. Wie die aphrodisierenden Drogen in den Messwein gelangten, daran konnte sich Gungnir nicht mehr ganz so genau erinnern. Nur daran, dass er den Kräuter-Dealer seines Vertrauens damit beauftragt hatte, eine ganz besonders gute Mischung zusammenzustellen. So gesehen war eigentlich der Geistliche schuld. Denn im Normalfall genehmigte er sich beim Abendmahl einen Schluck und ließ die Gemeinde darben. Wieso hinterher alles so schrecklich aus dem Ruder lief, konnte sich wohl niemand mehr ganz genau erklären. Vor allem nicht, als die Orgie am nächsten Morgen ernüchternd endete, jeder verschämt seine Sachen zusammensuchte und Hals über Kopf aus dem Gotteshaus floh.

      So musste Gungnir das kleine Körbchen-Kind, dem er den Namen Rahan gab, als seinen legitimen Sohn anerkennen. Und da Rahan der Erstgeborene war, als seinen Erben einsetzen. Dieser Umstand gefiel niemanden in seiner Familie besonders gut, und seiner Ehefrau erst recht nicht. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug für den Hallodri, erwies sich seine Gemahlin als äußerst fruchtbar und gebar ihm obendrein Drillinge. Gungnir wäre am liebsten ausgewandert, weil ihm klar wurde, dass er weder treu bleiben konnte, noch wirklich wollte. Dafür gab es seiner Meinung nach, einfach zu viele bezaubernde, weibliche Wesen. Zumindest war er inzwischen in einen vollwertigen Vampir verwandelt worden, sodass er wenigstens nicht mehr mit unliebsamen Nachwuchs konfrontiert