Das Geheimnis der Schatten. Viktoria Vulpini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Viktoria Vulpini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742791047
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absolut nicht möglich”, stammelte sie nur als Antwort. Sie fand einfach keine Erklärung hierfür. Zumindest keine, die einen Sinn gemacht hätte. Es war, als wäre die ganze Welt aus den Fugen geraten, sie fühlte sich so machtlos und unsicher wie noch niemals zuvor in ihrem Leben.

      „Versuch es einfach als möglich zu akzeptieren, es ist noch viel mehr möglich.”

      „Vielleicht ist das einfach alles nicht real, diese ganze Situation, du, einfach alles.” Es war der Versuch ihres Verstandes eine logische Erklärung zu finden, die dem Bild der Welt, wie sie es bisher hatte, nicht schadete.

      Ramon nahm ihre Hand und sie ließ es geschehen. Wieder massierte er sie leicht. „Realität.” Stellte er einfach nur fest. Als sie ihm nicht glaubte, kniff er völlig unerwartet in die Hand, der Schmerz jagte den Arm herauf. Mit einem erschrockenen Schmerzenslaut entzog sie ihm die Hand, musterte ihn wütend und rieb sich die schmerzende Stelle. Er grinste nur „Sehr real, wie du siehst.”

      Sie war ziemlich sauer, denn der war nicht gerade vorsichtig gewesen. Schnell erkannte sie aber, dass er Erfolg gehabt hatte, ihre Gedanken fluchten über diesen blöden Kerl und seine Dreistigkeit. Das alles fühlte sich sehr real an, für einen Moment hatte sie sogar das Entsetzen vergessen.

      Er wartete, musterte sie aufmerksam und grinste amüsiert, als habe er genau mitbekommen, was in ihr vorging. Einladend streckte er die Hand aus. „Gehen wir nachsehen?”

      Den Teufel würde sie tun! Keine zehn Pferde würden sie da runter bekommen. Sie rieb sich die immer noch schmerzende Stelle und schüttelte den Kopf. Das Grinsen, das sich dabei auf seinem Gesicht ausbreitete, brachte Vanessa dazu, ernsthaft über eine Ohrfeige nachzudenken. Verdient hätte er sie sich definitiv.

      Zu ihrer großen Überraschung beließ er es dabei und machte keinen weiteren Versuch, sie in das Loch hinunter zu bekommen, sondern ging allein darauf zu. „Ich schaue nach, warte hier!”

      Irre, genau das war das Wort, welches sein Vorhaben am besten beschrieb. Doch damit ließ er sich schon in das Loch hinunter, das offenbar nicht allzu tief war, denn sein Kopf schaute oben noch raus. Dann duckte er sich und verschwand.

      Die Furcht kehrte zurück. Nun war sie hier allein, allein in einer Scheune, nur ein paar Meter von einem Loch im Boden entfernt, in dem womöglich diese komische Schattengestalt noch steckte und als wäre das nicht schlimm genug, machte sie sich um diesen Spinner auch noch Sorgen. Sie verfluchte diese Leichtsinnigkeit, er sah noch nicht wieder so aus als könnte er irgendetwas unternehmen, wenn sich herausstellte, dass ihn da unten irgendwas fressen wollte. Sie fluchte innerlich. Doch dann setzte sie sich in Bewegung auf das Loch zu. Als sie es erreichte, erklang von unten seine Stimme: „Bleib oben!” Das würde sie sich bestimmt nicht zweimal sagen lassen. Das Einzige, das sie daran ärgerte war der Tonfall gewesen. Es klang wie ein Befehl. Das war eine Sache, die er sich schleunigst abgewöhnen sollte.

      Als er schließlich wieder auftauchte, hievte er eine schwere Kiste aus dem Loch und zog sich dann mühsam selbst heraus. Er rollte sich auf den Rücken, atmete schwer und war ziemlich erledigt. Die Kiste war offenbar sehr alt und bedeckt von Staub und Spinnweben. Doch Vanessas Aufmerksamkeit galt nicht der Kiste, sie ging neben ihm in die Hocke und musterte ihn besorgt. Offenbar hatte ihn dieser kleine Ausflug ziemlich an den Rand seiner Kräfte gebracht und darüber vergaß sie für einen Moment sogar den Schatten, der immer noch dort unten sein könnte.

      „Alles klar?”

      „Ich glaube, ich bin noch nicht wieder so fit, wie ich dachte.”

      „Ach, was du nicht sagst!”, ihre Stimme klang höhnisch, doch das schien ihn nicht weiter zu stören.

      Er richtete sich vorsichtig auf und blickte erst die Kiste, dann wieder sie an und grinste breit. „Sieht so aus als solltest du das da finden!”

      Skeptisch warf sie einen kurzen Blick auf die Kiste, weigerte sich aber daran zu glauben, dass er Recht haben könnte.

      „Du schaust aus wie ein verschrecktes Reh.” Stellte er nach einem Moment fest. Dieser Vergleich gefiel ihr gar nicht. Rehe und Jäger waren selten eine gute Kombination, wenn sie aufeinandertrafen. Er schien in diesem Moment etwa das Selbe zu denken, denn er schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich jage keine verschreckten Rehe.” Es sollte wohl ein Scherz sein, aber es klang etwas steif.

      Vanessa atmete tief durch. “Das ist alles ein klitzeklein bisschen viel.” Sie spürte wie sie zitterte, doch ob das an der Kälte lag oder an den Vorkommnissen konnte sie nicht so genau sagen.

      „Erwachen ist nie einfach. Ich kenne keinen, der das als einfach empfunden hätte.”

      „Und selbst?” Es war das Erste, das ihr durch den Kopf geschossen war.

      Er schüttelte den Kopf. „Ich hatte das Glück, jemandem in die Arme zu laufen, der mich aufklären konnte, aber einfach war es nicht. Es wird einfacher es zu akzeptieren und bei den Meisten auch damit zu leben.”

      Wieder war da dieser leichte Anflug von Bitterkeit in seiner Stimme und es tat ihr fast schon Leid gefragt zu haben. Er blickte die Kiste interessiert an. „Bringen wir sie rein und schauen mal was sich darin verbirgt.”

      Es war weniger eine Frage, als eine Aufforderung. Er raffte sich auf, schloss die Luke und verteilte das Stroh wieder darüber, so dass sie wieder gut verborgen war und nicht jedem gleich ins Auge springen würde, dann nahm er die offenbar ziemlich schwere Kiste und blickte sie auffordernd an.

      Eigentlich wollte sie gar nicht wissen, was sich in der Kiste befand, auf der anderen Seite war das völlig albern. Sie blickte ihn einen Moment lang unschlüssig an, zuckte dann mit den Schultern und machte sich auf den Weg zurück ins Haus.

      1 Kapitel 2

      Die Kiste wirkte alt und bestand aus dunklem, poliertem Holz mit schweren, metallenen Beschlägen. Es gab keine Aufschriften, keine Verzierungen oder sonst etwas, das auf ihren Zweck oder ihre Herkunft schließen ließ.

      „Willst du nicht mal versuchen sie aufzumachen?”

      Vanessa maß Ramon mit einem Blick, der eindeutig klarmachte, dass das das Letzte war, was sie tun würde. Das Misstrauen gegenüber der Kiste war so groß, dass sie sie am liebsten genommen und irgendwo ganz tief vergraben und vergessen hätte. Neugier hin oder her, diese Kiste würde garantiert nur Ärger bringen und auf den konnte sie getrost verzichten.

      In Ramons Haltung las sie das genaue Gegenteil zu ihren eigenen Gefühlen. Er wirkte neugierig und brannte sichtlich darauf sie zu öffnen und ihren Inhalt zu erkunden. „Ich bin mir sicher, sie beißt dich nicht.”

      „Dann mach du sie doch auf!” gab sie trocken zurück. Sie würde das Teil zumindest nicht anfassen. Ihr Bedarf an Abenteuer war für heute gedeckt und in dem Ding könnte alles Mögliche drin sein, inklusive eines Springteufels, von dem sie vermutlich einen Herzinfarkt bekommen würde. Doch eigentlich hatte sie eher Angst davor, dass sich der Schatten in der Kiste verbarg und sie ihn heraus ließe, wenn sie sie öffnete.

      Ramon wirkt beinahe so, als hätte er mit einer solchen Reaktion gerechnet. Er zog die Kiste zu sich heran und untersuchte sie von allen Seiten sehr ausgiebig. Dann machte er sich an zwei Verschlüssen an der Vorderseite der Kiste zu schaffen, öffnete diese und klappte den Deckel hoch. Die Scharniere quietschten laut und stärkten in Vanessa das Bedürfnis, sich von hier zu entfernen.

      Dann griff er ohne zu zögern hinein und holte mit einem erstaunten Geräusch ein in ein altes, braunes Tuch gewickeltes Etwas heraus, welches er vorsichtig auf den Tisch legte. Nach einem kurzen weiteren Blick in die Kiste schob er diese beiseite und wendete sich dem eben zu Tage geförderten Stoff zu. Wie gebannt beobachtete Vanessa jede Handbewegung und nur Momente später war der Gegenstand freigelegt. Er war etwa ein Zentimeter hoch und etwas größer als ihre Handfläche. Es sah fast aus wie eine Scherbe von einem zerbrochenen Spiegel, die Bruchkanten an allen Seiten wirkten willkürlich, doch vollkommen glatt. Am Beeindruckendsten jedoch waren die Symbole, die in die ansonsten glatte, goldene Oberfläche eingearbeitet waren. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Das diese Gravuren eine Art Schrift zu sein schienen, daran hatte Vanessa keinen