Das Geheimnis der Schatten. Viktoria Vulpini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Viktoria Vulpini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742791047
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nach einer Ruhephase erledigen.” Sie wartet das zustimmende Nicken ab, legte ihm dann das Telefon hin und wies ihn eben in die Benutzung ein. Ein weiterer Apparat stand oben auf ihrem Nachttisch, so würde er sie erreichen können, wenn irgendwas wäre. Im Anschluss wünschte sie ihm noch eine gute Nacht, bevor sie sich auf den Weg nach oben machte.

      Die Tür zum Treppenhaus und die zum Schlafzimmer verschloss sie sicherheitshalber. Dann schlüpfte sie schnell in ihren Schlafanzug und legte sich hin. Ihre Gedanken drehten sich noch eine Weile im Kreis und brachten immer und immer wieder dieselben Fragen zu Tage, bis sie schließlich irgendwann einschlief.

      Die Sonne stand schon hoch am Himmel und fiel auf die rote Bettwäsche mit den goldenen Ornamenten unter der Vanessa geschlafen hatte. Wohlig räkelte sie sich in ihrem Bett und streckte ihre Glieder weit aus. Friedlich lauschte sie einen Moment den Vögeln, die draußen vor sich hin zwitscherten. Plötzlich war sie hellwach und saß aufrecht im Bett. Da waren sie: Die Erinnerungen an die letzte Nacht. Für einen winzigen Moment dachte sie darüber nach, ob es womöglich alles nur ein Traum gewesen sein könnte. Hatte sie wirklich gestern Abend diesen fremden Mann in ihr Haus geholt? Sämtliche Reste von Müdigkeit waren sofort wie weggeblasen. Dafür schlich sich nun Unbehagen in ihre Gefühle. Sie ließ sich zurück auf die Kissen fallen und zog die Bettdecke über ihren Kopf. Da sie aber keine Ruhe mehr fand, schwang sie die Beine aus dem Bett und streckte sich noch einmal ausgiebig während sie einen Blick auf die Uhr warf.

      Nachdem sie geduscht hatte und die Sachen im Trockener lagen begab sie sich, mit einem flauen Gefühl im Magen, die Treppe hinunter.

      Leise, um ihn nicht zu wecken, durchquerte sie den Flur und betrat die Stube. Zu ihrer Überraschung saß er schon dort, aß das was noch übrig war und trank offenbar den Tee aus. Er blickte sie an und nickte ihr zu. Erstaunt musterte sie ihn. Die blauen Flecke und Schwellungen in seinem Gesicht und sogar die kleine Platzwunde an seiner Stirn sahen wesentlich besser aus, als sie es in Erinnerung hatte. Der Anblick irritierte sie so stark, dass sie im ersten Moment nicht wusste was sie sagen sollte. Doch dann riss sie sich davon los und blickte in die haselnussbraunen Augen, die sie genau musterten. Hauptsächlich um überhaupt etwas zu sagen, fragte sie: „Ich mache mir ein Müsli und einen Kaffee, möchten Sie vielleicht auch?” Ihre Stimme klang etwas steif, obwohl sie das nicht beabsichtigt hatte.

      „Ja, das wäre toll.” Eilig verließ sie daraufhin die Stube. In der Küche atmete sie tief durch. Das konnte ja heiter werden, wenn sie sich so leicht aus dem Konzept bringen ließ.

      Haferflocken, Nüsse, ein Löffel Honig, je einen Apfel und Naturjoghurt waren schnell zu einem leckeren Müsli gemischt und auch der Kaffee war bald darauf fertig. Sie brachte alles in die Stube und stellte es auf den Tisch, dann setzte sie sich. Eigentlich aß sie viel lieber in der Küche, aber in dem Fall würde sie da eine Ausnahme machen.

      „Wie geht es Ihnen heute?”, fragte sie nach einer Weile des Schweigens.

      „So gut wie seit Wochen nicht mehr”, gestand er und Vanessa konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Erneut glitt ihr Blick über sein Gesicht. Konnte sie sich so getäuscht haben? War das in ihrer Erinnerung vielleicht einfach nur viel dramatischer, als es wirklich war? Vielleicht hatte es auch an der Beleuchtung gelegen. Zumindest aber freute es sie, dass es ihm wieder etwas besser ging. Ein Teil fragte sich aber dennoch, was seine Worte wohl wirklich zu bedeuten hatten oder ob es sich dabei nur um eine höfliche Floskel gehandelt hatte.

      „Es tut mir Leid, dass ich Ihnen solche Umstände bereite”, fuhr er fort und klang dabei erstaunlich aufrichtig.

      „Muss es nicht, es war meine Entscheidung.” Sie zuckte leicht die Schultern. Um ihre Neugier zu befriedigen hätte sie gern eine ganze Menge Fragen gestellt doch sie biss sich auf die Zunge. Eines war ihr aber klar, die Theorie, dass es sich bei dem Mann hier um einen herkömmlichen Landstreicher handelte, hinkte. Sie war sich nicht so ganz sicher, woran diese Einschätzung genau lag, aber sie wurde sie einfach nicht los. Als ihr auffiel, dass er sie anlächelte wurde ihr bewusst, dass sie ihn seit einer geraumen Weile angaffte, als wäre er ein exotisches Tier.

      „Was ist?”, fragte sie verunsichert. Sie konnte Menschen noch nie sonderlich gut einschätzen und war sich nicht sicher, wie sie dieses Lächeln deuten sollte. Ihren Blick heftete sie nun aber auf einen Punkt jenseits der großen Fensterscheibe, die den Blick auf ihren Garten und die Terrasse gewährte.

      Er zuckte leicht die Schultern bevor er antwortete. „Diese Situation ist…”

      „Merkwürdig!”, beendete sie seinen Satz und musste grinsen.

      „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir Ihren Namen zu verraten?”, fragte Vanessa, die sich dazu entschieden hatte, es mit etwas Smalltalk zu versuchen. Dabei sollte man nicht viel verkehrt machen können, zumindest hoffte sie das.

      „Ramon. Und Sie heißen?”

      „Vanessa.” Bei der Nennung ihres Namens, musste er nun grinsen und sie kam nicht umhin nachzuhaken: „Verraten Sie mir, was an dem Namen so witzig ist?”

      „Nessi.” Schon in der Grundschule hatte man sie damit aufgezogen. Vor allem im Schwimmunterricht waren immer wieder Anspielungen auf das Monster von Loch Ness gefallen. Zum Glück hatte sie das damals schon nicht sonderlich gestört und heute gab sie auf die Meinung anderer Menschen eh nichts mehr. Trotzdem verdrehte sie leicht die Augen, obwohl sie dabei grinsen musste.

      „Ihre Sachen sind im Trockener, an die hatte ich in der Nacht dann doch nicht mehr gedacht. In spätestens zwei Stunden sollten sie trocken sein.” Ihr Blick fiel erneut auf die Platzwunde, die er sich gestern zugezogen hatte. „Es ist erstaunlich. Sie sehen wirklich schon viel besser aus als vorhin.” Es war immerhin lediglich eine Feststellung gewesen und keine Frage.

      Ramon brummte, nickte und fühlte sich dann scheinbar sogar genötigt dazu etwas zu sagen. „Ich kuriere Krankheiten und Verletzungen in der Regel sehr schnell aus.” Der Ton in dem er das sagte wirkte angespannt, ja beinahe so, als befürchte er zu viel zu verraten.

      „Eine nützliche Fähigkeit”, überlegte sie, doch ihr fiel auf, dass das nicht unbedingt seine Zustimmung zu finden schien. Doch sie beließ es dabei, denn es war offensichtlich, dass der Smalltalk hier nicht weiterging. Zwar war ihr absolut nicht klar, was das Problem nun eigentlich war, aber sie akzeptierte es einfach.

      Nachdem sie den Rest der Zeit schweigsam gegessen hatte, schlug sie im Anschluss vor, dass er sich noch etwas ausruhe.

      Sie selbst machte sich an den Haushalt, räumte in der Küche auf, putzte das Bad und schließlich flickte sie noch die Klamotten, die aus dem Trockener kamen. Besser wurden die Sachen davon auch nicht, aber zumindest rissen sie so nicht weiter kaputt. Ihr fielen die vielen Flecken auf, die die Maschine nicht aus dem Stoff bekommen hatte und sie war sich ziemlich sicher, dass die meisten davon wohl Blut waren. Für einen Moment versuchte sie sich vorzustellen, wie diese ganzen Defekte und Flecke in die Kleidung gekommen sein mochten, doch das stellte sie eilig wieder ein, denn es brachte sie nirgendwo hin. Als sie auch mit der Reparatur durch war und ihr gar nichts mehr einfiel, was sie noch erledigen musste, ging sie mit den Kleidungsstücken wieder in die Stube.

      Mit leicht zerzaustem Haar und einer leicht verrutschten Decke saß er dort. Die haselnussbraunen Augen blinzelten eine Spur zu schnell und sie erkannte, dass sie ihn wohl geweckt haben musste. „Tut mir Leid, wenn ich sie geweckt habe.” Mit den Worten legte Vanessa die Kleidung auf die Couch und wollte sich zum Gehen wenden.

      „Vanessa?”, er wartete bis sie ihn ansah, bevor er weitersprach, „Ich glaube ich war vorhin etwas unhöflich, das tut mir Leid. Meine Manieren lassen manchmal zu wünschen übrig, okay, meistens und ich bin es nicht gewohnt, mit Leuten zusammen zu sein. Ich bin eher ein Einzelgänger.” Es schien ihm wichtig zu sein, dies klarzustellen.

      „Ich bin auch nicht wirklich der perfekte Gastgeber und vermeide jeden Besuch, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt”, sie zuckte leicht die Schultern und lächelte dann kurz. „Machen Sie sich also darüber keine Gedanken.”

      Ramons Blick fiel auf die Wäsche und er wirkte überrascht und erfreut. „Sie haben sie repariert?!”

      „Ich