Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Kahesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738007732
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zurück zu seinem Komplizen. Denn das dies einer war, davon gingen sie endgültig aus.

      „Ist da auch wieder ein Skelett drin?“ Fabulierte es in ihren Köpfen. Doch keiner sprach es aus! Sie entschieden deshalb, über einen kleinen Umweg, etwas näher ran zu gehen; wie beiläufig am Kai zu stehen und hinaus auf das Meer zu blicken. Ihre Augen ließen die Männern nicht mehr aus dem Blickfeld. Sie mussten zirka sechs Meter von ihnen entfernt gestanden haben, den Mut hatten sie Gott Lob, als sie schließlich erkannten, dass das weiße Paket an Noll übergeben wurde. Und dann sah er auf den freien Oberarmen der Kerle jeweils drei Narben. Ja, es war deutlich zu erkennen. Da gab es absolut keine Zweifel. Genauso, wie es Chantal dieser Tage bei Raimund und er selbst bei Herrmann in Ralswiek entdeckte. Er zuckte, so aufgeregt war er. Jetzt schien es für ihn offenkundig: dass musste eine besondere Bedeutung haben. „Von Zufall“, meinte er, „kann hier absolut nicht mehr die Rede sein.“ Auch Chantal, die sich mittlerweile nur noch am Rande mit der Sache beschäftigte; sozusagen notgedrungen, pflichtete unisono bei.

      „Richtig Michel: Da muss es eine verschworene Gemeinschaft geben. Für mich zweifelsfrei!“, sagte sie dann wissend. Die möglichen Hintergründe, über die sie kurz sinnierten, blieben ihnen noch verborgen. Ob es Blutrache bedeuten könnte? Ob es Schmugglerbanden sein könnten? Ob es, ob es.... Es wollte kein Ende nehmen. Ihre Gedanken stolzierten ausschließlich und ständig um diese Begriffe. Letztendlich kam Michel die Idee mit seiner Kamera einige Fotos zu schießen. Die, so sein Einfall, könnte er später als Beweismittel verwenden. „Würde es soweit kommen?“, fügte er beflissentlich an! Er zückte seine kleine Spiegelreflexkamera und „schoss“ schnell hintereinander einige Fotos. Im Display zeigte er Chantal die gelungenen Aufnahmen. Serienfotos schießen zu können, dass hat was, dachte er.

      „Die moderne Mikrotechnik ist halt manchmal doch gut zu gebrauchen.“ Dann stiegen sie in ihren Sportwagen und es ging endgültig auf nach Bergen. In der Tat war es nun höchste Zeit, denn der mit Scholtysek vereinbarte Termin stand schon kurz bevor.

      Der Chefermittler stand vor dem Portal des Polizeipräsidiums und winkte ihnen zu. Auch er war gerade erst angefahren. Doch es entzog sich seiner Kenntnis, ob der Kriminaloberrat nicht vielleicht zuvor dienstlich längst im Einsatz war. Den ersten freien Parkplatz steuerte er an. Er lag direkt neben dem BMW von Scholtysek.

      „Guten Tag Frau Degoth“, begrüßte Scholtysek sehr galant und freundlich Chantal. Jetzt reichte er auch Degoth die Hand. Chantal machte sich gleich auf den Weg die Stadt Bergen nochmals näher zu erkunden. Einige Stippvisiten hatte sie zwar bereits angedacht. Aber nun bot sich für sie die Gelegenheit tiefer in das Stadtleben einzusteigen.

      „Also, mein Liebling, bis am Nachmittag. Wir treffen uns vor dem Polizeigebäude, OK?“

      Sie trabte in die City und er folgte dem Chefermittler. Direkt ging es in den Sitzungsraum. In wenigen Minuten sollte die angesetzte Lagebesprechung beginnen. Heller, der Polizeioffizier und seine Kollegen, die gestern mit ihm im Nationalpark Jasmund waren, standen bereit. Kurze Zeit später gesellte sich noch Christmann, der als Stellvertreter von Heller weiterhin eingeschaltet bleiben sollte, hinzu. Alleine schon deshalb, weil es brisanter und umfangreicher zu werden schien, war dieser personelle Aufwand erforderlich. Anbrennen durfte da absolut nichts.

      „Guten Morgen meine Herren“, begrüßte wenige Minuten später Kriminaloberrat Scholtysek die Anwesenden. „Darf ich ihnen Herrn Michel Degoth vorstellen. Sie Heller und sie Christmann haben ihn ja bereits kennen gelernt. Er begleitet die Ermittlungen nun am dritten Tag in Folge.“

      Dabei beließ er es. Kurz und bündig wie er seine Ausführungen, wenn man sie denn so nennen konnte, stets waren. Ohne Umschweife ging er nach dieser kurzen Begrüßung und Einführung zur Tagesordnung über. Eile war geboten, dass wussten alle. Schließlich waren da noch einige verzwickte Tatbestände, die eine Menge Fragen aufwarfen, schleunigst zu bewältigen.

      „Also Heller, dann berichten sie mal. Was wurde gestern alles ermittelt? Und sie Christmann kümmerten sich, bevor sie Heller im Naturpark unterstützen, um die Sache mit der Rechtsmedizin. Und wir“, er schaute zu Degoth, „werden im Anschluss erläutern was wir in Ralswiek ermitteln konnten. Also Heller, legen sie mal los, damit wir diesen Tag noch für weitere Ermittlungsarbeiten fruchtbar nutzen können.“

      „Chef, liebe Kollegen, lieber Herr Degoth“, begann er heute förmlich. „Gestern haben wir den Friedrichs noch getroffen, der Mann also, der sich mit dem besagten Noll, dem Kellner des Restaurants der Seebühne Sellin, traf. Er besitzt in der Tat ein Schnellboot und ist Liegeplatzinhaber in Sellin. Fürs Erste stellte er sich unwissend, wollte einen Noll einfach nicht kennen. Dann aber konfrontierten wir ihn mit der Aussage seines Handlangers, dem Frederisken, der den Noll schon öfter bei ihm sah. Seine lapidare Aussage klang beinahe spöttisch. „Ach, den meinen sie.!“ „Ja, ist ein guter Freund von mir, schon seit Jahren.“ Überdies würden ab und an eben Fahrten nach Wissow notwendig und der Noll, wenn er Feierabend hätte, würde ihn gelegentlich unterstützen. Schilderte er weiter. Die Transporte seien immer wieder notwendig, da er diverse Güter für Bewohner im Nationalpark und natürlich sich selbst benötige. Das hatten wir ja noch gelten lassen. Als er dann aber tänzelte, als wir Fragen wegen der Stücke in dem weißen Papier stellten, wurden wir richtig hellhörig. Da antwortete doch der Kerl: Das weiß ich selbst nicht. Es sind Transportgüter für Andere. Unterschiedlichster Art heißt es immer. Mehr nicht! Ich hinterfrage, es juckte mich nicht wirklich, nie. Raum hätte er genug. Dafür gäbe es gar noch Geld“, fügte er weiter aus.

      Schließlich bat er, dass wir ihn in Ruhe lassen sollten. Er sei doch kein Verbrecher. Das hat uns dann doch sehr stutzig gemacht. Aber mehr war nicht aus ihm rauszuholen Und einen Durchsuchungsbefehl hatten wir nicht dabei. Sonst, ja sonst, hätten wir alles auseinander nehmen können.“

      „Darf ich hier ergänzen“, sagte Degoth an Scholtysek gewandt?

      „Ja, bitte, wenn es zur Sache passt!“

      „Als ich in der Frühe in Stralsund mit meiner Frau an den Kai ging, um das Frühstück einzunehmen, sahen wir den Noll dort stehen“, begann Degoth. „Er wartete auf irgend jemanden. Kurze Zeit danach, wir standen gerade auf, wollten zurück zum Wagen, entdeckten wir, dass er Besuch bekam. Ein Mann, den wir nicht kannten, kam mit ihm ins Gespräch. Sie amüsierten sich ziemlich. Dann ging der Kerl zu einem Mercedes der E – Klasse. Ein relativ altes Modell. Dort nahm er, halten sie sich fest, ein Paket mit weißem Papier aus dem Kofferraum. Wir waren sprachlos. Ich fasste mich schnell und nahm meine Kamera zur Hand um schnell einige Fotos als Beweis zu schießen.“ Er erzählte nicht, vielleicht aus Stolz, dass er in Wirklichkeit irritiert war.

      „Hier, meine Herren, zeige ich ihnen die Ergebnisse.“

      Er nahm die Kamera und zeigte im Display die Fotos in der Reihenfolge, wie er sie schoss! Erstaunte, aber auch bewunderte Blicke trafen ihn. Dann rief Christmann: „Verdammt, dass ist ja der Gustavson! Der ist bekannt als Strohmann und war schon in einigen Fällen verwickelt. Dem ist in der Tat eine Menge zuzutrauen.“ Und Heller zeigte sich entrüstet, dass er anlässlich der Fahndung, vorgestern in Granitz, nur hörte, der sei unbeleckt!

      „Also das ist ja ein dickes Ding. Auf was können wir uns da noch verlassen? Da haben die Bürohengste doch geschlafen!“

      „Nun...“, so flott kam es aus dem Mund von Scholtysek: „sofort beschatten. Über den Burschen können wir vielleicht doch einen Schritt weiter kommen. Danke Degoth, dass sie so aufmerksam waren. Schade für die Panne in Granitz, aber auch damit müssen wir immer wieder mal leben. Dem Innendienst werde ich die Leviten lesen, aber kräftig. Darauf können sie sich verlassen Frau Kirsten, meine Herren.“

      Der Bericht aus Ralswiek stand jetzt an. Scholtysek und Degoth legten dar, wie Ergebnisse aufgrund der Gespräche mit dem Theaterdirektor Dissieux und den Ahnen Störtebekers aussehen.

      „Also der Direktor verhielt sich durchaus kooperativ, aber gleichzeitig machte er sich verdächtig. Ständig behielt er uns im Auge. Wurde gar nervös. Unsere Auffassung: Der ist unsicher, hat etwas zu verbergen. In dem Fall spielt der aus unserem ersten Eindruck bereits ne` Rolle. Nun zu dem Herrmann, der sich als Nachfahre von Klaus Störtebekers ausgab und dem Herbert Störtebeker