Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Kahesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738007732
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ist es wirklich.“

      Das markante Gesicht, mit den breiten hervorstehenden Backenknochen, hatte er deutlich registriert. Er ahnte nicht, dass der besagte Gustavson in der Frühe gar noch am Kreidefelsen aktiv war. Als er wieder hinaus auf die Terrasse trat, murmelte er leise vor sich hin: „Das wird ja immer mysteriöser.“

      Sofort wurde ihm klar, dass er nun Christmann, der in Sellin weilte und den Kerl suchte, schleunigst unterrichten musste. Er griff, als er an dem kleinen schwarzen Bistrotisch saß, in seine Jackentasche und kramte sein Mobilfunkgerät raus. Die Telefonnummern der Kripokollegen hatte er längst alle gespeichert.

      „Christmann“, tönte es auf der auf der anderen Seite der Leitung! „Ja, Code ....“, gab Degoth von sich.

      „Ach sie sind es“, kam es zurück. „Warum so hastig?“

      „Also auf den Gustavson brauchen sie nicht mehr länger warten. Der sitzt nämlich hier oben im Ralswiek im Schloss Kaffee. „Das er dort mit dem Herrmann saß, hatte er in der Eile versäumt zu erwähnen.

      „Na das ist ja` n Ding!“, hörte er Christmann bloß nachdenklich äußern. „Und ich stehe hier herum.

      „Also, wenn sie mich fragen, sollten sie jetzt dringend ihre Kollegen im Nationalpark Jasmund unterstützen. Da läuft doch was schief. Das ist hier oben sicher nur ein Ablenkungsmanöver, während die am Wissower Ufer wieder was Neues ausbrüten. Was auch immer!“, setzte Degoth eifrig nach.

      „Ich rufe zuerst den Chef an. Der soll koordinieren. „Gab Christmann dann unsicher von sich.

      „Prima. Wenn sie meinen. Sagen sie ihm bei dieser Gelegenheit bitte, dass er mich hier oben verstärken muss. Ich warte auf seinen Anruf.“

      „Selbstverständlich. Wird gemacht Herr Degoth und danke für die rasche Information.“

      Dummerweise hatte Heller vor einigen Stunden in der Eile verschwitzt, Christmann zu unterrichten, dass er Gustavson am Holzhaus traf. Jetzt ging alles doch einen anderen Gang, als sich Scholtysek und Degoth ursprünglich vorstellten. Und das mit dem Raimund, mussten sie auf Grund der neuen Situationen eh auf morgen verschieben. Jetzt konzentrierte er sich wieder auf die beiden Kerle im Innenraum. In keinem Falle durfte er diese nun aus den Augen verlieren. Zumindest solange, bis Scholtysek eintraf. Dann konnten sie gemeinsam Maßnahmen ergreifen. Gerade erhob er sich, als sein Mobiltelefon, welches er grundsätzlich auf vibrieren stellte, brummte. Da hatte er seinen Grundsatz: bei Ermittlungen und überhaupt in der Öffentlichkeit, muss es auf stumm gestellt sein. „Scholtysek. Hallo Degoth. Gerade höre ich von der neuen Situation. Keine Frage, ich komme

      sofort hoch. Christmann ist bereits auf dem Weg zu Heller. Das haben sie richtig eingeschätzt, Herr Kollege!“ Beide lächelten in die Hörer. „Also bis später.“

      Als der Chefermittler in Ralswiek eintraf war es dreizehn Uhr. Nachdem er seinen Wagen auf dem großen Parkplatz am Bodden abstellte, ging er direkt hoch, auf die Terrasse des Schlosskaffees. Unmittelbar gab ihm Degoth, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, den Hinweis, wo die besagten Männer saßen. Inzwischen hatte sie ihre Barhocker verlassen und standen am Tresen. War es das aufgeregte Gespräch was sie trieb? Fragten sie sich. Ansonsten war noch nichts Auffälliges zu deuteln. Plötzlich räusperte sich Scholtysek und äußerte: „Das ist kein Zufall. Die treffen sich hier um ungestört reden zu können. Der Herrmann dachte nicht, dass wir so schnell wieder auftauchen. Sicher nicht. Und der Gustavson wurde mit Bestimmtheit gebeten das Treffen wahrzunehmen. Letztendlich kommt es mir wie ein Ablenkungsmanöver vor. Wie schätzen sie das mittlerweile ein?“

      „Genau. Dachte ich vorhin auch“,erwiderte Degoth kurz und bündig. Dann brachte er seine Sorge zum Ausdruck, dass in diesem Moment am Wissower Ufer etwas schief laufen könnte. „Ob die Kollegen es mit den Beiden, dem Friedrichs und Noll, überhaupt aufnehmen können.“, bemerkte er besorgt. „Und was wäre, wenn der Friedrichs noch ein weißes Paket bei sich tragen würde?“

      Scholtysek nahm es zur Kenntnis. Kommentierte diese Aussage aber nicht. Stattdessen formulierte er: „Ich denke, wir sollten die Kerle hier nicht nur beobachten, sondern auch herausfordern, sie dingfest machen. Wenn möglich! Den Tag müssen wir dran hängen. Der Sache mit dem Raimund können wir dann morgen auf den Grund gehen. Also lassen sie uns überdenken, wie wir es am geschicktesten angehen.“

      „Ist sicher der geeignetste Weg. Doch langsam kommt es mir vor als gäbe es auf Rügen einen Flächenbrand. Was heißt da noch Insel der Glückseligen? Meinen sie nicht auch, dass es hier um eine Verschwörung geht?“

      „Soweit dachte ich noch nicht, aber jetzt, wo wir drüber reden, geht mir ein Licht auf; da könnte etwas dran sein!“

      „Schnellmerker, wie!“, sagte Degoth lächelnd.

      „Besser als nie“, konstatierte Scholtysek. Der es locker nahm. Sie lachten sich gegenseitig an. Während sie observierten rekapitulierten sie erneut.

      „Durchleuchten wir es mal so: Da der Raimund, der ursprünglich unbekannte Landstreicher, der eine zwielichtige Rolle einnimmt. Dort die Herren Friedrich und Noll, die mit einem Skelett, wenn auch noch nicht nachweisbar, zu tun haben könnten. Auf der anderen Seite der Herrmann in Ralswiek mit seinen seltsamen Äußerungen. Dann taucht der Gustavson plötzlich in Stralsund auf und erscheint nun hier oben.“ „Und“, folgerte Degoth, „nicht zu vergessen, auch am Holzhaus war. „Dann schließlich noch der Helfer von Friedrichs am Wissower Ufer. Ich meine den mit dem Lebensmittelkorb. So berichtete ja Heller zumindest. Der muss doch ebenso darin verstrickt sein.“ Scholtysek stimmte Degoth, immer nachdenklicher werdend, zu. Auch er sah einen gewissen Zusammenhang. Er konnte es nicht mehr leugnen.

      „Richtig, den Friedrichs müssen wir auch überwachen“, sagte er wie aus der Pistole geschossen. Degoth schaute ihn darauf hin ziemlich verdutzt an. Dann philosophierten sie weiter. Sie stellten fest, dass der kein Unwissender sein konnte, mit den Verbrechen was zu tun haben musste? Dabei trat nochmals in den Mittelpunkt, dass die bislang bekannten Männer Gemeinsames verbinden musste. Diesmal ließen sie es nicht mehr außer Acht! Die jeweils drei Schnitte am rechten Oberarm, bei jedem drauf, was hat es bloß zu bedeuten? Das fragten sie sich auch in diesen Minuten wieder.

      „Nun“, so Scholtysek, „richtig Degoth, wenn der Helfer bei Friedrichs diese Schnitte auf dem rechten Arm auch hat, dann ist es eindeutig, dass es sich um eine Verschwörung handeln muss. Dann müssen wir alle dingfest machen und durchleuchten, um jeden Preis! Zimperlich dürfen wir da nicht mehr sein. Wäre fatal. Sonst könnten weitere Morde die Folge sein.“

      Und vor allem, die Frage bleibt doch, wie viele Morde haben die überhaupt schon auf dem Kerbholz? Über welchen Zeitraum erstreckt sich dies bereits und so weiter? Fragen über Fragen Herr Scholtysek: Der Fall wird immer umfangreicher, noch umfassender als ich mir anfangs vorstellen konnte.“

      „Da stimme ich ihnen zu. Habe auch schon gegrübelt, ob ich nicht deshalb den Kollegen aus Stralsund einschalten sollte. Schließlich strahlt es ja bis dahin aus!“

      „In der Tat, sie sollten es! Sehe ich mittlerweile ebenso.“

      Der kurze Dialog war beendet, als sich das Mobiltelefon meldete. Heller war am Apparat. „Wir haben den Helfer von Friedrichs verhört. Richtig auseinander genommen. Ergebnis, was denken sie? Genau, er weiß mehr, bekam es wohl mit der Angst zu tun. Es kommt noch verrückter, er hat, wie die anderen Kerle, am rechten Arm die drei Zeichen!“

      „Ist ja unfassbar“, so Scholtysek. „Da werd` ich ja verrückt. Oder wie sagen wir Berliner: „Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt!“

      „Ja und die anderen Burschen, der Friedrichs und der Noll, was ist mit denen?“

      „Laut dem Helfer, der übrigens, wie sich schnell raus stellte, Frederiksen heißt, würden die unterwegs sein und nicht vor morgen in der Frühe zurück. Meine Einschätzung: der scheint so eine Art Handlanger von dem Friedrichs zu sein. Einen besonders cleveren Eindruck macht er wirklich nicht. So ein Depp schien dem willkommen zu sein! Also vor morgen kommen wir hier nicht weiter. Natürlich Chef, habe ich den Kerl verdonnert die Kollegen