Weltenreise. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004298
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gab so viel zu berichten, als sie am Nachmittag voller Eindrücke zurückkehrten. Margret hörte geduldig zu. Ihre Tante hatte ihnen einen wunderbaren Picknickkorb mitgegeben. Obwohl die vielen Dinge darin vorzüglich geschmeckt hatten, hatten John und Brooke Kriemhild in Oaks Bluff zum Hummeressen eingeladen, nachdem sie unzählige, malerische Orte des Eilands aufgesucht hatten.

      „Vielen Dank, Onkel John! Ihr habt mir einen wunderschönen Tag bereitet. Die kitschig bunten Methodistenhäuser … All diese herrlichen Wälder und wilden Strände! Schade, dass du nicht mitgekommen bist, Tante.“

      John lächelte. „Es freut mich, dass es dir so gut gefallen hat. Das wurde auch mal Zeit, nach allem, was du hier bisher erlebt hast.“

      „Ich bin stolz auf dich, Kriemhild.“ Margret tätschelte ihr die Wangen. „Heute Morgen hatte ich einen Moment lang meine Zweifel, ob du tatsächlich auf diese Fähre steigst. Auch mein Tag war schön. Wisst ihr, Catherine hat sich sehr über meinen Besuch gefreut. Hat der Picknickkorb geschmeckt?“

      „Was für eine Frage, Tante! Du bist einfach unschlagbar. Fast wie Brookes Mundwerk!“

      Das Klingeln des Telefons unterbrach ihr Gespräch und Margret blickte auf.

      „John, würdest du bitte rangehen? Es schellt schon wieder.“

       Er nickte und erhob sich, bevor Tante Margret fortfuhr. „Das Mundwerk hat die Delaware von ihrer Mutter, wenn du mich fragst. Ich wette, sie hat dich gut abgelenkt, was die Überfahrt angeht, Liebes.“

      „Oh ja! Dank ihrem Geplapper ging alles recht schnell und schmerzlos.“

      „Kriemhild?“, rief John aus dem Flur. „Hier ist ein Gespräch für dich, aus Deutschland.”

       „Für mich? Ist es etwa Ma?“ Sie sprang aus dem Sessel und lief zu ihm hinüber. „Nein. Wenn ich es richtig verstanden habe, eine Sara.“ Voller Freude riss sie ihm den Hörer aus den Händen.

      „Sara! Schön, dass du anrufst!”

      „Hi, Kriemhild! Ich wollte mich für die Postkarte bedanken.“ Die Stimme ihrer besten Freundin klang so nah und so vertraut.

       „Oh, ist sie schon angekommen? Wie geht es dir, Sara? Schade, dass du nicht hier sein kannst. Du würdest es lieben! Stell dir vor, wir haben den Tag auf Martha’s Vineyard verbracht!“

       „Hör zu, Kriemhild …“ Etwas Bedrückendes lag in ihren Worten. „Hier ist jemand, der dich sprechen will. Es … es tut mir leid. Ich wollte das alles nicht aber … er hat gedroht, diese Sache mit Martin vor meinen Eltern auffliegen zu lassen, du weißt schon … Sorry, Süße.“

       Ein plötzlich auftretendes Zittern schüttelte den Telefonhörer. Die Freude über Saras Anruf verwandelte sich in einen beklemmenden Schmerz, der Kriemhild die Luft abschnürte.

      „Bitte, rede mit ihm, hörst du? Er besteht darauf“, flehte Sara.

      Martin! Wieso hatte sie auch mit ihrem Lehrer geknutscht und sich dabei von Justus erwischen lassen? Es folgte ein Rascheln in der Leitung, dann hörte Kriemhild Justus’ Atem ganz dicht an ihrem Ohr. Er klang erregt. Der reinste Albtraum. Sie stand dort wie gelähmt und das Blut gefror in ihren Adern.

      „Hallo, Schätzchen“, flüsterte er. „Wieso reagierst du nicht auf meine Kurzmitteilungen? Hast du dein Handy nicht dabei?“

       „Hallo, Justus.“ Sie bemühte sich, die Angst in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Ich habe … mein Handy ist verloren gegangen.“

       „Oh, das tut mir leid. Wo steckst du? Ich muss unbedingt mit dir reden. Ist es wahr, dass du in den Staaten bist?“

       Er kontrollierte sie noch immer. Es war sinnlos, zu lügen.

      „Ich besuche meine Verwandten. Was willst du, Justus? Ich wüsste nicht, was es zwischen uns zu sagen gibt.“

      Er lachte leise. Das grausame, irre Lachen überzog Kriemhilds Arme mit einer Gänsehaut.

      „Jetzt bist du mutig, weil du weit genug von mir weg bist“, flüsterte er. „Weißt du, ich vermisse dich. Deinen Geruch, deine Augen, deine weiche Stimme. Was machen die Jungs so in Boston? Pass auf, dass dich niemand anfasst, sonst bekommt er es mit mir zu tun. Ich hoffe, du weißt das.“

       Ihre Hand zitterte so stark, dass sie Mühe hatte, den Hörer nicht fallen zu lassen.

      „Lass mich in Ruhe! Kapiert? Es geht dich einen Dreck an, mit wem ich mich treffe! Wir sind nicht zusammen! Um genau zu sein, waren wir es nie! Also ruf mich nie wieder an und vor allem: Lass Sara in Frieden! Sie hat mit der Sache nichts zu tun.“

      „Ja, die kleine, unschuldige Sara. Vergiss mich nicht, Kriemhild. Du kannst dich nicht ewig vor mir verstecken. Ich weiß, dass du mich liebst. Du liebst mich und deine Spielchen treiben mich langsam in den Wahnsinn. Lass mich nicht zu lange warten, Schätzchen.“

      Ein letztes begehrendes Schnaufen, dann das Hupen in der Leitung. Kriemhilds Knie gaben nach und sie folgte dem Hörer auf den Boden.

      „Um Himmels Willen! Was ist denn hier passiert?“ Margret stürzte in den Flur.

      „Justus. Es war Justus. Er hat mir gedroht.“ Kriemhilds Stimme war nur ein Flüstern. „Er hat Sara gezwungen, hier anzurufen und … er hat mir gedroht.“

      „Komm her, alles ist gut. Es war nur ein Anruf, weiter nichts. Er kann dir nichts tun, Liebes.“ Margret nahm sie in die Arme und strich ihr über die Haare.

      Kapitel 19

      Margarethe

      „Sie ist endlich eingeschlafen“, sagte sie und stellte sich zu John ans Fenster, nachdem sie die Treppe hinuntergekommen war. Das Telefonat hatte das arme Mädchen völlig verunsichert. Fassungslos schüttelte Margret den Kopf. „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass er es fertigbringt und hier anruft.“

      „Nein, mein Herz, das hätte ich auch nicht.“ Ihr Mann schaute in die dämmrige Dünenlandschaft. „Vielleicht sollten wir Elisabeth benachrichtigen?“

       „Sinnlos, John. Soweit ich weiß, verfügt dieser Justus über eine polizeiliche Auflage, die ihm untersagt, sich ihr zu nähern. Von Telefonaten steht da sicher nichts drin. Und Betty würde sich nur unnötige Sorgen machen.“

      Er nickte und atmete hörbar aus. Mit dem Kinn deutete er hinaus in die Sandberge.

      „Ist dir aufgefallen, dass dieser Dawson-Junge sich lange nicht auf seinem Platz blicken lassen hat?“

       „Was willst du damit sagen?“, fragte Margret irritiert.

      „Keine Ahnung, ob es was zu bedeuten hat. Ich habe mich gerade nur gefragt, ob es was mit Kriemhild zu tun haben könnte.“

       „Mit Kriemhild? Du meinst …?“

      „Ich meine gar nichts. Nur so ein Gedanke. Übrigens habe ich heute Morgen deine Freundin Catherine auf dem Fischmarkt getroffen. Sie erfreut sich bester Gesundheit und lässt dich schön grüßen.“

      Margret errötete und schaute zu Boden. John hob ihr Kinn an und schmunzelte.

      „Willst du mir nicht sagen, wo du heute warst, mein unverbesserliches Herz?“

       „Ich habe Kriemhild die Geschichte von unsrer kleinen Sue erzählt. Allerdings nicht, dass es der Vineyard war, wo sie geboren wurde.“ Margret hatte die Insel seit der Geburt nie wieder betreten. „Verzeih mir die kleine Flunkerei. Ich wollte sie nicht noch mehr mit der Sache belasten. Sie hat es sich ohnehin sehr zu Herzen genommen.“

       „Und wo warst du nun?“

       „Ich habe tatsächlich einen Krankenbesuch gemacht. Ich war bei Pastor Jonas. Er ist letzten Monat fünfundneunzig geworden und es steht schlecht um sein Herz. Erinnerst du dich, er war damals immer für uns da. Sue war seine erste Beerdigung in der neuen Gemeinde. Er hat sich für die Umbettung eingesetzt, als wir dieses Haus kauften. Das werde