Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004960
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nach, wie ich mich aus der Af­fä­re zie­hen könn­te, als das Te­le­fon klin­gel­te. Ich rich­te­te mich auf, strich die zer­wühl­ten Haa­re glatt und mel­de­te mich be­tont forsch:

      ›Ja!‹

      ›Herr Kauf­mann, hier ist wie­der die­ser Herr Igor. Soll ich ihn durch­stel­len?‹

      ›Ja.‹

      ›In Ord­nung, hier ist er.‹

      ›Ja, Kauf­mann, was kann ich für Sie tun?‹

      ›Ooh, das wis­sen Sie ganz ge­nau, Herr Kauf­mann‹, sprach er mich in sei­nem har­ten, aber gu­ten Deutsch an.

      ›Ha­ben Sie noch ein­mal nach­ge­dacht über un­ser Ge­spräch von ges­tern? Ich hof­fe, Sie ha­ben Ihre Mei­nung ge­än­dert und wir kön­nen nun, wie sa­gen Sie hier so schön, ‚Nä­gel mit Köp­fen ma­chen‘!‹

      ›Ja, ich habe noch ein­mal dar­über nach­ge­dacht!‹

      Ich spür­te wie der Zorn in mir auf­stieg und muss­te mich sehr zu­sam­men­neh­men, um ru­hig und über­legt zu ant­wor­ten.

      ›Aber an mei­ner Mei­nung hat sich nichts ge­än­dert. Ich las­se mich nicht er­pres­sen, we­der von Ih­nen noch von an­de­ren. Wenn Sie Geld ver­die­nen wol­len, su­chen Sie sich einen Job oder bau­en Sie sich selbst et­was auf, so wie ich, aber ver­su­chen Sie nicht, auf Kos­ten an­de­rer zu le­ben. Sie wer­den von mir nichts be­kom­men!! Und da­mit ist das Ge­spräch be­en­det!‹

      Ich hat­te den Hö­rer schon vom Ohr weg­ge­nom­men, doch dann zog ich ihn zu­rück und füg­te noch hin­zu:

      ›Und be­läs­ti­gen Sie mich nicht wie­der, es wird sich nichts an mei­nem Stand­punkt än­dern.‹

      Be­vor ich den Hö­rer wie­der weg­neh­men konn­te, hör­te ich ihn sa­gen: ›Gut, gut, ich habe es fast be­fürch­tet. Aber wir wer­den ja se­hen. Ich wer­de mich wie­der mel­den, mor­gen, oder – ich den­ke – spä­tes­tens über­mor­gen. Bis bald!‹

      Und mit die­sen Wor­ten leg­te er auf. Wü­tend schlug ich mit der Faust auf den Schreib­tisch, knurr­te ei­ni­ge halb­lau­te Flü­che vor mich hin und be­gann dar­über nach­zu­grü­beln, auf wel­che Wei­se mich die­ser Igor dazu brin­gen woll­te, sei­ne Be­din­gun­gen zu er­fül­len. Doch ich soll­te nicht dazu kom­men, mei­ne Ge­dan­ken zu Ende zu brin­gen. Die täg­li­chen Ar­bei­ten stan­den an. Es kam ein An­ruf nach dem an­de­ren, der Ver­tre­ter ei­nes un­se­rer wich­tigs­ten Lie­fe­ran­ten hat­te einen Ter­min bei mir und mei­ne Se­kre­tä­rin er­in­ner­te mich an den Mit­tags­ter­min in der Bank. Über all die­sen Din­gen hat­te ich die­sen Igor und mein Ver­spre­chen, mich mit der Po­li­zei in Ver­bin­dung zu set­zen, schon fast ver­ges­sen. Wes­we­gen ich auch sehr er­staunt war, als ich beim Ver­las­sen des Bü­ros von mei­ner Se­kre­tä­rin mit den Wor­ten auf­ge­hal­ten wur­de: ›Herr Kauf­mann, die Po­li­zei ist am Ap­pa­rat und möch­te Sie drin­gend spre­chen.‹

      Ich schau­te auf die Uhr und sag­te: ›Das passt mir jetzt ei­gent­lich über­haupt nicht! Las­sen Sie sich die Num­mer ge­ben und wenn ich wie­der da bin, rufe ich zu­rück.‹

      ›Hab ich schon vor­ge­schla­gen, doch sie be­haup­ten, es sei drin­gend und sie müss­ten so­fort mit Ih­nen spre­chen.‹

      Wi­der­wil­lig vor mich hin knur­rend ging ich wie­der in mein Büro, nahm das Ge­spräch aus der Mu­sik und mel­de­te mich mit den knap­pen Wor­ten: ›Ja, Kauf­mann, was kann ich für Sie tun?‹

      Eine leicht ver­un­si­cher­te Stim­me ant­wor­te­te: ›Ja, äh, Herr Kauf­mann, hier spricht Haupt­wacht­meis­ter Schlich­ter, äh, ich ...‹

      Un­ge­dul­dig un­ter­brach ich ihn: ›Herr Schlich­ter, wenn es nicht sehr drin­gend ist, möch­te ich Sie bit­ten, das Ge­spräch viel­leicht auf vier­zehn Uhr zu ver­schie­ben, da­mit ich jetzt mei­nen Bank­ter­min wahr­neh­men kann.‹

      Mei­ne bar­sche, un­ge­dul­di­ge Art nahm ihm jede Hem­mung und be­tont sach­lich er­wi­der­te er: ›Herr Kauf­mann, ich den­ke es wäre bes­ser, wenn Sie die­sen Ter­min ver­schie­ben und erst ein­mal das Son­ne­ber­ger Kran­ken­haus auf­su­chen wür­den¸ denn ich muss Ih­nen lei­der mit­tei­len, dass Ihre Frau und Ihre Kin­der einen schwe­ren Ver­kehrs­un­fall hat­ten. Der Ret­tungs­dienst müss­te mitt­ler­wei­le dort an­ge­kom­men sein und ich wer­de, wenn die Er­mitt­lun­gen hier vor Ort ab­ge­schlos­sen sind, auch hin­fah­ren.‹

      Ich sank in mei­nen Bü­ro­ses­sel und frag­te ver­ständ­nis­los: ›Un­fall? Aber sie fährt doch im­mer so vor­sich­tig, bes­ser als ich! Wie konn­te das denn pas­sie­ren, und wie geht es ih­nen?‹

      Ich schau­te mit lee­ren Au­gen durch die of­fe­ne Bü­ro­tür auf mei­ne Se­kre­tä­rin und nahm nur im Un­ter­be­wusst­sein wahr, dass die­se das Ge­spräch mit­ge­hört hat­te, denn erst in die­sem Mo­ment hat­te ich den Hö­rer ab­ge­nom­men und die Laut­spre­cher­funk­ti­on de­ak­ti­viert. Sie tat ge­nau das, wes­we­gen ich ihre Mit­ar­beit so schätz­te, denn sie rief so­fort die Bank an und ver­schob den Ter­min auf un­be­stimm­te Zeit.

      Wäh­rend­des­sen hat­te mir der Po­li­zist be­greif­lich ge­macht, dass er am Te­le­fon kei­ne wei­te­ren Aus­künf­te ge­ben wür­de. Wie ge­lähmt be­merk­te ich erst nach ei­ner gan­zen Wei­le, dass das Ge­spräch schon be­en­det war. Ge­dan­ken­ver­lo­ren leg­te ich den Hö­rer auf und such­te nach dem Au­to­schlüs­sel. Ich zog die Ja­cke an, klopf­te die Ta­schen ab, sah dann den Schlüs­sel ne­ben dem Te­le­fon lie­gen, zog die Ja­cke wie­der aus, nahm den Schlüs­sel, mach­te ei­ni­ge Schrit­te in Rich­tung Tür, be­merk­te, dass ich nur im Hemd war und dreh­te brum­mend wie­der um. Als ich in den zwei­ten Är­mel fuhr, ver­hed­der­te ich mich im Fut­ter. Mei­ne Se­kre­tä­rin half mir und sag­te:

      ›Wäre es nicht bes­ser, wenn ich Sie fah­re oder einen an­de­ren Mit­ar­bei­ter da­mit be­auf­tra­ge?‹

      Wi­der bes­se­res Wis­sen lehn­te ich ab.

      ›Geht schon wie­der. Dan­ke für das An­ge­bot, aber Sie wer­den hier ge­braucht. Bit­te sa­gen Sie alle wei­te­ren Ter­mi­ne für heu­te ab‹, ich stock­te kurz, ›und, viel­leicht auch für mor­gen. Sa­gen Sie ein­fach ... ach, Sie ma­chen das schon, Frau Wag­ner. Dan­ke!‹

      Ihr zu­ni­ckend ver­ließ ich das Büro.

      Die Fahrt nach Son­ne­berg ver­lief wie im Traum. Nur ein­mal fuhr ich zu­sam­men und kehr­te für ei­ni­ge Au­gen­bli­cke in mei­ne Um­welt zu­rück. Lau­tes Hu­pen und das Quiet­schen blo­ckie­ren­der Rei­fen auf dem As­phalt ris­sen mich aus mei­nen Ge­dan­ken. Ich hat­te ei­nem an­de­ren PKW die Vor­fahrt ge­nom­men. Schimp­fend und ges­ti­ku­lie­rend kam der Fah­rer die­ses Au­tos zum Ste­hen. Ich konn­te noch se­hen, wie sei­ne Bei­fah­re­rin mit schre­ckens­star­rem Blick die Hän­de vors Ge­sicht schlug. Als mir klar wur­de, dass ich ein Stop­schild über­fah­ren hat­te, trat ich kurz auf die Brem­se, doch da kein Scha­den ent­stan­den war, gab ich gleich wie­der Gas. Durch die­se Schreck­se­kun­den fuhr ich eine Wei­le auf­merk­sa­mer wei­ter, doch lan­ge hielt das nicht an. Als ich dann end­lich vor dem Kran­ken­haus einen frei­en Park­platz ge­fun­den hat­te, sprang ich aus dem Auto und lief has­tig zum Emp­fang.

      ›Hal­lo, mei­ne Frau und mei­ne Kin­der hat­te einen Un­fall und sol­len ge­ra­de hier ein­ge­lie­fert wor­den sein, kön­nen Sie mir sa­gen, wo ich sie fin­de?‹

      Der