Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004960
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wür­de und doch hat­te ich das Ge­fühl, dass das nicht so war. Das schwa­che Licht der Stra­ßen­lam­pe, die noch durch ei­ni­ge Bäu­me ver­deckt wur­de, reich­te nicht aus, um mehr als ihre Um­ris­se zu er­ken­nen. Ich hob mei­nen Kopf, um ihr Ge­sicht bes­ser se­hen zu kön­nen, doch da­durch konn­te ich sie, da ich zwi­schen ihr und dem Fens­ter lag, nur noch schlech­ter er­ken­nen.

      Frus­triert stand ich auf und ging ins Bad. Ich woll­te sie nicht we­cken und falls sie mun­ter war, woll­te sie an­schei­nend nicht ge­stört wer­den. Beim Zäh­ne­put­zen ging mir der Vor­tag noch ein­mal durch den Kopf. Der Streit mit mei­ner Frau lag mir schwer auf der See­le. Ich hät­te mich ger­ne mit ihr aus­ge­spro­chen, denn ich wuss­te, dass sie in vie­lem recht hat­te. Aber ich war auch nicht be­reit nach­zu­ge­ben, denn es war für mich eine Sa­che der Ehre und des Prin­zips, mich sol­chen Leu­ten nicht zu beu­gen. Wenn ich mich im Recht fühl­te, konn­te ich stur wie ein al­ter Esel sein, und ich wich um nichts von mei­nem Stand­punkt ab. Wir wa­ren lan­ge ge­nug zu­sam­men, so­dass sie das auch wuss­te und ihr war klar, dass sie mei­ne Mei­nung nicht ohne Wei­te­res än­dern konn­te.

      Un­se­re Be­zie­hung war schon seit ei­ni­ger Zeit nicht mehr so har­mo­nisch wie frü­her. Sie warf mir vor, zu viel Zeit und zu vie­le Ge­dan­ken ans Ge­schäft zu ver­schwen­den und zu we­nig Zeit für sie zu ha­ben. Jetzt ist mir be­wusst, wie recht sie da­mit hat­te, denn al­les ist ver­gäng­lich, nur die Er­in­ne­run­gen blei­ben und so war es nur der Trop­fen, der das Fass zum Über­lau­fen brach­te.

      Ich mach­te Früh­stück, las die Zei­tung und war in Ge­dan­ken schon wie­der im Ge­schäft, als mei­ne Frau die Kü­che be­trat. Man sah ihr an, dass sie nicht erst auf­ge­wacht und dass ihr Zorn noch nicht ver­raucht war. Schwei­gend setz­te sie sich an den Früh­stücks­tisch. Ich be­ob­ach­te­te sie und wuss­te im sel­ben Mo­ment, dass sie von al­lein be­gin­nen muss­te, dass ich es nur noch schlim­mer ma­chen wür­de, wenn ich sie be­drän­gen wür­de. Schwei­gend sa­ßen wir uns eine gan­ze Wei­le ge­gen­über und ich wur­de lang­sam un­ge­dul­dig, schau­te im­mer wie­der ver­stoh­len auf die Uhr, denn wenn ich pünkt­lich sein woll­te, muss­te ich nun bald ge­hen. Es ar­bei­te­te in ihr und sie war wahr­schein­lich kurz da­vor ih­rem Her­zen Luft zu ma­chen, als ich es nicht mehr aus­hielt und sie un­ge­dul­dig an­sprach: ›Gabi, ent­schul­di­ge bit­te, ich woll­te dich ges­tern Abend nicht ver­let­zen! Ich will auch kei­nen in Ge­fahr brin­gen und mir geht es im Prin­zip auch nicht so sehr um die Ge­win­ne aus die­sen Ge­schäf­ten. Aber wo kom­men wir denn hin, wenn man sich von je­dem er­pres­sen las­sen muss und ir­gend­wel­che Da­her­ge­lau­fe­ne ein­fach an un­se­rer Hän­de Ar­beit mit­ver­die­nen kön­nen, ohne einen Fin­ger krumm zu ma­chen! Ich sehe das nicht ein, und wer­de sol­chen Leu­ten auch nie­mals nach­ge­ben!‹

      Ich hat­te mich wie­der in Zorn ge­re­det, hol­te tief Luft und füg­te dann et­was ru­hi­ger hin­zu: ›Na­tür­lich wer­de ich mich heu­te gleich noch mit der Po­li­zei in Ver­bin­dung set­zen, aber ich den­ke, dass die nur ge­blufft ha­ben und auf Dum­men­fang sind.‹

      Ich ahn­te ja da­mals nicht, wie sehr ich mich ge­irrt hat­te. Und in der Hoff­nung, dass mit die­sen Wor­ten al­les wie­der in Ord­nung wäre, füg­te ich hin­zu: ›Bist du mir wie­der gut? Es macht mich krank, wenn ich nicht mit dir re­den kann! Ich möch­te doch nur, dass du mich ver­stehst. Ach Gabi, ich brauch dich und dein Ver­ständ­nis doch!‹

      ›Ach ja, du brauchst mein Ver­ständ­nis? Seit wann denn das? Du willst doch nur, dass ich zu al­lem schön Ja und Amen sage! Seit wann in­ter­es­siert es dich denn, was ich den­ke und füh­le? Du kommst nach Hau­se, er­zählst mir von dei­nem Stress­tag, was je­ner ge­sagt, der ge­tan hat, wel­che Pro­ble­me du hat­test und wie du sie ge­löst hast. Dann teilst du mir noch so ganz ne­ben­bei mit, dass du er­presst wirst und zwar mit mas­si­ven Dro­hun­gen auch ge­gen dei­ne Fa­mi­lie. Und dann, dann willst du das mit sol­chen Be­mer­kun­gen wie ‚Ich wer­de es der Po­li­zei mel­den.‘ oder ‚Ich wer­de mich sol­chen Leu­ten nicht beu­gen.‘ ab­tun!? Ein­fach weg­wi­schen und zur Ta­ges­ord­nung über­ge­hen?! Was glaubst du ei­gent­lich, wer oder was du bist, dass du ein­fach so über die­sen Din­gen ste­hen kannst? Ich je­den­falls füh­le mich be­droht und habe Angst!‹

      Sie hol­te tief Luft.

      ›Ich möch­te, dass du mir jetzt ge­nau zu­hörst! Also, ent­we­der gibst du de­nen nach und be­zahlst, lässt die­se Ge­schäf­te sau­sen und gehst dem Gan­zen da­mit aus dem Weg, oder‹, sie hol­te tief Luft und fuhr mit be­drück­ter Stim­me fort, ›oder ich wer­de dich ver­las­sen!‹

      Sie sah mir in die Au­gen, und an ih­rem Blick konn­te ich er­ken­nen, dass es ihr bit­ter ernst war mit die­sen Wor­ten. To­tal über­for­dert fing ich an nach Aus­flüch­ten zu su­chen.

      ›Gabi, bit­te, ich will euch, will uns nicht in Ge­fahr brin­gen! Ich den­ke ganz ein­fach nur, dass die­se Leu­te nur bluf­fen und ver­su­chen, auf eine ein­fa­che und leich­te Art und Wei­se ans Geld zu kom­men. Ich wer­de ...‹

      Zor­nig un­ter­brach sie mich.

      ›Siehst du, du fängst schon wie­der an, das Gan­ze zu ver­harm­lo­sen! Aber so ein­fach kommst du mir dies­mal nicht da­von! Ich hab dir drei Mög­lich­kei­ten ge­nannt. Und glaub mir, ich habe die gan­ze Nacht lang gründ­lich dar­über nach­ge­dacht und ich möch­te jetzt eine Ant­wort und nicht erst, wenn es zu spät ist! Ich hof­fe, du hast das jetzt ver­stan­den!‹

      Sie wur­de im­mer wü­ten­der, stand auf und lief, ohne mich da­bei aus den Au­gen zu las­sen, wie ein ge­fan­ge­ner Ti­ger am Tisch hin und her. Nach ein paar wei­te­ren, sinn­lo­sen Ver­su­chen sie zu be­ru­hi­gen und eine Ent­schei­dung zu ver­schie­ben trat ich, um Zeit zu ge­win­nen, die Flucht an.

      ›Bit­te, Gabi, kön­nen wir uns heu­te Abend noch mal in Ruhe dar­über un­ter­hal­ten? Ich muss jetzt weg, ich kom­me so­wie­so schon zu spät zur Ar­beit. Ich möch­te jetzt nicht so un­ter Zeit­druck dar­über re­den. Viel­leicht ist es auch bes­ser, wenn wir bei­de noch mal al­les in Ruhe über­den­ken. Ich wer­de noch mal ...‹

      Sie war ste­hen ge­blie­ben und un­ter­brach mich mit ei­nem trau­ri­gen Un­ter­ton in der Stim­me: ›Heu­te Abend wer­de ich nicht mehr da sein! Ent­we­der du ent­schei­dest dich jetzt oder ich fah­re dann mit Ma­ria und Tors­ten zu mei­nen El­tern.‹

      Fra­gend sah sie mich an und als ich nicht gleich ant­wor­te­te fuhr sie fort: ›Gut, du willst nicht nach­ge­ben. Aber ich gebe dies­mal auch nicht nach!‹

      Ihre Au­gen be­ka­men einen feuch­ten Schim­mer.

      ›Okay, ich hab das Han­dy ja im­mer da­bei, soll­test du dir’s doch noch an­ders über­le­gen, kannst du mich ja an­ru­fen. An­sons­ten ist jetzt erst mal al­les ge­sagt.‹

      Mit schnel­len, ener­gi­schen Schrit­ten ver­ließ sie den Raum. Ver­blüfft schau­te ich ihr nach. So hat­te ich sie ja noch nie er­lebt, aber ich nahm ihre Dro­hung, mich zu ver­las­sen, im­mer noch nicht ernst und so mach­te ich mich auf den Weg zur Ar­beit.

      Dort an­ge­kom­men, emp­fing mich mei­ne Se­kre­tä­rin gleich mit den Wor­ten:

      ›Ein Herr Igor hat schon mehr­fach an­ge­ru­fen und nach Ih­nen ver­langt. Er hat sei­nen Nach­na­men trotz Nach­fra­ge nicht ge­nannt, aber ich ver­mu­te, dass es ei­ner der Her­ren war, mit de­nen Sie ges­tern ge­spro­chen ha­ben.‹

      ›Was woll­te er denn?‹

      ›Das hat er mir nicht ge­sagt. Er woll­te un­be­dingt mit Ih­nen