Dunkle Seele Liebe. Fe Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fe Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738098891
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Büschen standen ein paar schmutzige Wasserschüsseln.

      Marzia hatte mir in einem Plastiksack Blechteller und einen Löffel zu dem Topf gepackt und ich begann schnell das Futter auszuteilen. Der pappige Brei mit Fleischstückchen und Knochen schien den Tieren zu schmecken. Während sie sich um die Teller balgten, nahm ich mir die herumstehenden Wasserschüsseln vor, spülte sie an einem Steinbrunnen in der Ecke durch und füllte sie frisch. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen über die Baumwipfel und ließ die Wassertropfen aufblitzen. Eine Katze geriet in den feuchten Sprühnebel, schüttelte sich empört und begann sich ein Stück weiter würdevoll zu putzen. Bei jedem Schritt strichen mir die kleinen Tiger um die Beine und maunzten mich an, als wollten sie mit mir sprechen. Ich kraulte ihre struppigen Köpfe, wenn auch etwas zögerlich. Einige von ihnen schienen Zecken zu haben, ich konnte die Erhöhungen unter ihrem Pelz spüren.

      Eine graue Katze tappte mit weichen Schritten neben mir die Mauer entlang. Mit einem Mal verharrte sie reglos. Ein eigentümliches, drohendes Knurren stieg tief aus ihren Eingeweiden auf, dann fauchte sie. Ich fuhr herum. Wie aus dem Erdboden gewachsen stand Justin im Unterholz, die Kamera in der Hand, eine steile Falte zwischen den Augenbrauen, als wäre er ärgerlich, mich zu sehen.

      „Was tust du denn hier in den Büschen?“, fuhr ich ihn erschrocken an. Die Falte zwischen seinen Brauen glättete sich und er hob beschwichtigend eine Hand. „Tut mir leid! Ich dachte, du hättest mich gehört. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich …“ Er zuckte die Schultern und verstummte.

      „Nein, ich hab dich nicht gehört.“ Ich stieß die Luft aus und lehnte mich Halt suchend an die Mauer in meinem Rücken.

      Er bückte sich zu den Katzen hinunter und begann leise, sie zu locken. Ganz sanft und vorsichtig. Rücksichtsvoll. Jetzt zupfte er einen Grashalm aus, wedelte damit leicht hin und her. Eine Tigerkatze schlug spielerisch danach, strich Justin um die Beine. Mein Magen schlug einen Purzelbaum.

      „Warum ist Marzia heute nicht da?“ Er blickte mit seinen hellen Augen zu mir auf.

      „Klinik“, murmelte ich und hätte mich im gleichen Moment treten können, dass mir nichts Geistreicheres einfiel. „Ich weiß immer noch nicht, was du hier machst“, sagte ich stattdessen.

      „Fotografieren.“ Justin deutete auf seine Kamera. Er fingerte suchend durch die Tasche seiner ausgebeulten Khakijacke und schob einen Deckel auf das Objektiv seiner Kamera. „Für ein Lifestylemagazin. Das andere Gesicht von Rom. Abseits der Touristenpfade, verstehst du?“

      Ich nickte stumm.

      „Eigentlich wollte ich Marzia aufnehmen. Beim Katzenfüttern. Deshalb habe ich Rizzi zu Hause gelassen.“ Er blickte mich einen Moment stirnrunzelnd an, dann ließ er den Blick rundum streifen. Mit einem Mal bekam er wieder sein Fotografengesicht, das ich schon von der Vernissage kannte, als hätte er alles um sich vergessen außer dem, was er auf sein Foto bannen wollte. „Die ersten Sonnenstrahlen haben den Wasserstrahl richtig aufglühen lassen“, seine Stimme klang träumerisch. „Ich glaube, die Bilder sind sehr schön geworden.“

      Wieder erklang dieses seltsam knurrende Maunzen. Die Graue und eine Schwarze starrten mit gesträubtem Fell in die Büsche. Justin fuhr so schnell herum, dass ich es kaum als Bewegung wahrnahm. Mit beleidigten kleinen Schreien verschwand ein Großteil der Katzen zwischen den Mauerresten.

      „Was ist denn los? Was ist da?“ Justins Rücken versperrte mir die Sicht. Ich versuchte, an ihm vorbeizusehen, legte ihm dabei eine Hand auf den Arm. Er fuhr bei meiner Berührung heftig herum und funkelte mich an.

      „Entschuldige, ich …“ Hilflos brach ich ab. Hatte ich gerade irgendeine mir unbekannte Grenze überschritten?

      „Du musst gehen.“ Seine Stimme klang so kalt, wie seine Augen blickten. „Jetzt!“

      „Aber …“ Verwirrt begann ich, die Teller einzusammeln. „Warum? Darf man nur bis zu einer bestimmten Zeit Katzen füttern, oder was?“ Ich blickte über die Schulter zu ihm. Er starrte schon wieder in die Büsche. Vielleicht kam ja der Parkwächter.

      „Nein, es…“ Justin schien sich sichtlich zu bemühen, ein freundlicheres Gesicht zu ziehen. „Ich … ich möchte dir nur die Fotos zeigen. Ja? Vorne ist eine Bar.“ Und plötzlich lächelte er. Das Lächeln begann ganz langsam in seinen Mundwinkeln. Es war ein wenig schräg, ließ ihn jünger aussehen und sein ganzes Gesicht aufleuchten. Ich hatte Justin bis jetzt nur ernst oder ärgerlich erlebt, nie fröhlich und schon gar nicht freundlich. Ich spürte mit einem Mal wieder diesen Sirenengesang, der lockte, der mich unwiderstehlich anzog, der mich froh und traurig zugleich machte. Mir wurde schwindelig.

      „Also?“

      Mir fiel auf, dass ich so damit beschäftigt gewesen war, ihn anzustarren, dass ich ihm noch nicht geantwortete hatte. Das Blut schoss mir in die Wangen. Ich glaube nicht, dass ein Mensch noch roter werden kann, als ich es wurde.

      Justin nahm mir den Korb aus den Händen, als wäre es ganz selbstverständlich, dass er ihn trug. Er schien es plötzlich eilig zu haben.

      Die Sonne hatte den Park zum Leben erweckt. Hunde mit ihren Besitzern an der Leine schnupperten über die Wiese, ein Opa schlurfte mit seiner Zeitung zu einer Bank und eine Gruppe dunkelhäutiger Immigranten sammelte sich scheu und lautlos dort, wo die Sonne auf die Mauer traf. Verkehrslärm klang als ferne Brandung herüber. Die Katzen waren wie ein Spuk verschwunden.

      Justin deutete auf eine Bar, vor der ein paar alte Männer standen und rauchten.

      Drinnen war es ruhig. Mein Wasserglas hinterließ einen feuchten Ring auf der blanken Platte des Tischchens, es fiel mir schwer zu trinken, denn meine Hände zitterten. Justin hatte sich einen Espresso geholt. Die Tasse stand unberührt vor ihm. Er sah auf einmal wieder kalt und abweisend aus und starrte an mir vorbei aus dem Fenster. Ich saß ihm schweigend gegenüber. Mir fiel nichts ein, womit ich die Stille hätte durchbrechen können.

      „Ja, also, ich muss …“ Er sprang unvermittelt auf, kramte ein paar Münzen aus seiner Jackentasche und warf sie klappernd auf den Tresen. Er murmelte einen Gruß, dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Er hatte mich noch nicht einmal mehr angesehen und ich hatte völlig vergessen, nach den Fotos zu fragen.

      *

      Er: So nah waren ihr die Dunklen schon. Das übliche Katz- und Mausspiel. Deswegen hatten sie sie aus Razburg gehen lassen. Er hatte es sich ja gleich gedacht. Wahrscheinlich steckte irgendein schräger Handel dahinter.

      Er hatte einen von denen gesehen, im Park, bei den Katzen. Randor. Er war deutlich auf Selinas Fährte gewesen, hatte unter den Bäumen gestanden und gegrinst. Siegessicher. Die Katzen hassten die auch.

      Aber warum regte ihn, Justin, das so auf? Es konnte ihm doch gleichgültig sein. Diese Spiele fanden ständig statt. Eines mehr, eines weniger, was bedeutete das schon.

      Trotzdem. Allein bei dem Gedanken, dass einer von denen das Mädchen in die Finger kriegen könnte … Er wusste ja, wie die armen Dinger danach aussahen. Sie taten ihm leid.

      Das war wohl Valentinas Verdienst. Mitgefühl. Immer hatte sie ihm mit Mitgefühl in den Ohren gelegen. Wozu brauchte er das? Die anderen Sucher hatten ja auch kein Mitgefühl und die Dunklen schon gar nicht. Darum ging es doch auch gar nicht, oder? Es ging um Schuld, sonst nichts. Jeder kämpfte für sich. Da war Mitgefühl nur hinderlich. Es war so schon alles schlimm genug.

      Ganz egal, er wollte einfach nicht, dass die das Mädchen in ihre Fänge bekamen. Nicht, wenn er es verhindern konnte. Obwohl – viel machen konnte er nicht, wenn die irgendeine Abmachung hatten. Und das hatten sie wohl. Wahrscheinlich mit jemandem vom Schloss.

      Wie sie ihn heute wieder angesehen hatte. Das Aufflackern von Furcht in ihrem Blick, ganz kurz nur, dann hatte es etwas anderem Platz gemacht. Etwas anderem, das er nicht benennen konnte. Aber er spürte es. Es kam zu ihm wie eine ferne Erinnerung. Es hatte ihn erschreckt und gleichzeitig angezogen. Noch nie war die Versuchung so groß gewesen, das Spiel zu spielen. Zu singen. Für das Mädchen. Er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, als könnte er damit sein Unbehagen wegwischen. So richtig hatte er sich nie