Dunkle Seele Liebe. Fe Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fe Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738098891
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spähte und mir gleich antworten würde. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. Wieder ein Türenschlagen, diesmal ganz deutlich, und ein Rumpeln, als würde etwas Schweres abgestellt. „He, Selina! Wo steckst du denn?“

      Ich stieß ächzend die Luft aus. Das war Pino! Du liebe Güte, ich hatte wirklich zu viel Fantasie!

      „Hier!“, rief ich mit wackeliger Stimme.

      Pino tauchte am anderen Ende des Ganges auf. „Ich hab einfach die ganze Kiste mit den Kabeln mitgebracht. Jetzt werden wir uns gleich mal ansehen, wie weit wir damit kommen! Was machst du denn da hinten? Wolltest wohl schon ins Kloster gehen, vor lauter Warten, ja?“ Er lachte freundlich.

      „Ich … ich hab Wasser gesucht.“

      „Wasser, ah! Dann schau mal da.“ Er stieß eine der Türen auf. „Da ist auch ein Klo, falls du es brauchst. Ich such jetzt erst mal die Signora.“

      Mein Herzschlag beruhigte sich langsam, während das Wasser wirbelnd in den Eimer strömte. Es roch sauber in dem kleinen Waschraum. Ich hielt meine Handgelenke unter den Strahl und wischte mir mit den feuchten Händen übers Gesicht. Wie nervös mich die paar Skelette gemacht hatten, dabei waren sie ja wirklich harmlos. Und friedlich. Und eigentlich fröhlich. Jeder Totenschädel grinste in einem immerwährenden Lächeln. Da sahen die Lebenden oft ganz anders aus!

      Ich konnte die Stimmen von Pino und der Frau hören und bis ich mit dem Wasser wieder bei meinen Paneelen war, erstrahlte der Gang im hellen Licht der Spots. Die Verkabelung schlängelte sich durch die Eingangstür zur äußeren Klosterpforte hinüber. Pino lachte. „Ist doch besser, nicht wahr?“ Ich nickte. Das Beste daran war, dass Pino wieder da war und ich nicht mehr allein in der Gruft stand.

       Ich bin eingesperrt, immer wieder in anderen Zimmern, aber immer gleich verzweifelt. Ich weiß nicht, was mich bedroht. Etwas Schreckliches. Schrecklich und tödlich. Und es kommt auf mich zu, kommt näher und immer näher. Unausweichlich. Ich kann nicht fliehen, kann ihm nicht entkommen.

      Japsend und mit panisch klopfendem Herzen gelang es mir, mich aus dem Albtraum zu befreien, mich an die Oberfläche meines Bewusstseins zu strampeln, wie ein Taucher, dem der Sauerstoff ausgegangen war. Ich war schweißgebadet und brauchte ewig, bis meine Atmung sich wieder beruhigt hatte.

      Jedes Traumbild steht für einen Teil des eigenen Selbst, hatte ich einmal gelesen. Auch die bedrohlichen Anteile.

      Welcher Teil meiner selbst bedrohte mich hier? Welcher Teil wandte sich gegen meine Fröhlichkeit und meine Lebensfreude und wollte mich vor Schreck und Furcht erstarrt sehen? Menschen, die Angst haben, sind leichter zu kontrollieren, heißt es. War das die Idee? Kontrolle? Tat ich mir das selber an?

      7

      Morgengrauen. Gestern Abend hatte ein Zettel auf meinem Kopfkissen gelegen: Bitte morgen nochmal Katzen füttern. Marzia muss wieder in die Klinik. Kuss, Lia

      Warum war Justin gestern einfach so gegangen? Warum strahlte er immer wieder diese Kälte aus? Was war los mit ihm? Das Grübeln hatte mich die halbe Nacht wach gehalten. Vielleicht stellte ich ja einfach die falschen Fragen. Vielleicht hätte die erste Frage lauten sollen: Warum war er überhaupt gekommen? Für einen Moment schöpfte ich Hoffnung, dann fiel mir zumindest dazu die Antwort ein: Wegen seiner Fotos. Er hatte eigentlich Marzia treffen wollen. Nicht mich.

      Und warum beschäftigte mich das eigentlich so? – Dem wollte ich lieber nicht nachgehen. Aber ich fühlte mich eindeutig verletzt.

      Dazu kamen die Bilder aus der Knochenkapelle, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen …

      Ich schlüpfte in meine Jeans, schlich mich hinaus – nicht ohne einen langen Blick auf die stille Erdgeschosswohnung zu werfen - und schlurfte schließlich mit Marzias Topf durch die ruhigen Straßen. Wie gestern.

      Die Katzen schienen schon zu warten. Sie maunzten aufgeregt, strichen mir um die Beine und machten sich fauchend gegenseitig das Futter streitig, während ich versuchte, allen einen gerechten Anteil an Nahrung und Streicheleinheiten zukommen zu lassen. Die meisten kannte ich bereits. Die Graue maunzte mich wieder von dem Mäuerchen aus an, als wollte sie mit mir sprechen. Ich miaute zurück und musste lachen. Ein Glück, dass mich niemand hörte. Da raschelte es hinter mir in den Zweigen.

      Herzstillstand!, dachte ich. Wie lange hat er wohl schon da gestanden? Ich wusste, auch ohne mich umzudrehen, dass es nur er sein konnte. Justin. Und eigentlich war ich gar nicht so überrascht, als hätte ein Teil meines Bewusstseins geahnt, dass er kommen würde, dass er kommen musste. Justin starrte mich finster an und wieder erschrak ich vor der düsteren Intensität seines Blicks. Dann lächelte er sein seltsam schräges Lächeln. „Du fütterst immer noch die Katzen“, stellte er fest. Seine Stimme klang rau. Ich zuckte leicht mit der Schulter und versuchte gleichmütig zu wirken, in dem sicheren Bewusstsein, dass mir das im Leben nicht gelang. „Marzia musste wieder zur Untersuchung.“

      Er schwieg einen Moment, dann hoben sich seine Augenbrauen und er blickte mich fast verwundert an. „Du bist gekränkt.“

      So viel zur hohen Kunst der Verstellung! Ich rollte genervt die Augen und sammelte die Blechteller ein.

      „Warum?“ Er trat aus den Büschen auf die kleine Lichtung heraus.

      Wie ein fernes Echo hörte ich die Stimme meiner Großmutter: Ein Mädchen zeigt einem Mann nie seine Gefühle, Selina. Es sei denn, sie wäre eine … eine … Noch nicht einmal das Wort war ihr über die Lippen gekommen. Arme Großmutter Charlotte! Die musste aus einer harten Welt kommen! Es war lächerlich, aber trotzdem gelang es mir nicht, ihre Stimme loszuwerden. „Scheiße!“, sagte ich laut, meiner Meinung nach die einzige Antwort auf so einen Unsinn.

      Justin starrte mich verblüfft an, dann grinste er plötzlich. „Jetzt würde ich zu gern wissen, woran du gerade gedacht hast. Ich hoffe, an nichts, was irgendwie mit uns zu tun hat.“

      „Oh.“ Ich spürte, wie ich rot wurde. „Verstehst du denn Deutsch?“

      „Das eine oder andere.“

      „Was ist das andere?“

      „Ach, nichts.“ Er blickte zu Seite.

      „Du warst gestern ziemlich schnell weg.“

      „Ah, deswegen! Das war nicht so gemeint.“ Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans, ließ seinen Blick über die alten Steine und die Katzen wandern. „Das war überhaupt nicht so gemeint“, sagte er noch einmal leiser.

      Ich nickte vage und kraulte die Graue, die sich vor mir auf der Mauer ausgestreckt hatte. Sie begann zu schnurren, als hätte ich dabei ihren Motor angeschaltet.

      „Ich finde das … gut, dass du die Katzen fütterst.“ Er runzelte die Stirn und nickte bekräftigend. „Ja, echt gut! Ich kenne sonst kein Mädchen, das das macht!“

      „Nur alte Frauen“, sagte ich, „Gattaras“, und musste grinsen.

      „Ja, nur alte Frauen. Das heißt, nein, das klingt jetzt auch irgendwie komisch. Ich meine …puh!“ Er blies sich eine Strähne aus der Stirn und lachte verlegen. „Die Bilder sind übrigens wirklich gut geworden, richtig mystisch. Die Herrin der Katzen.“

      Ich nahm den Korb und stand vor ihm.

      „Hast du heute Schule?“

      „Ja.“ Ich blickte auf die ersten Sonnenstrahlen, die, gefiltert durch das Laub der Platanen, sein Gesicht modellierten und Schatten unter seine Wangenknochen und seine Augen legten. Ich habe nie einen schöneren Mann gesehen, dachte ich, und plötzlich war sie wieder da, diese atemabschnürende Sehnsucht, die mich traf wie eine Faust. Ich senkte schnell den Blick, wollte nicht, dass er das mitbekam.

      „Soll ich den nehmen?“ Er deutete auf meinen Korb.

      „Wenn du willst.“

      Er nahm mir den Henkel aus der Hand und ich spürte für einen Moment die Wärme seiner Finger, die meine streiften.