Dederike - Zum Dienen geboren. Swantje van Leeuwen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Swantje van Leeuwen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750208438
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      Um Viertel nach sieben verließ Marieke in aller Regel die Küche und das Haus, um zur Arbeit zu gehen. Dederike nutzte die Zeit, um alles abzuräumen und den Tisch für deren Frau einzudecken. Sie wusste, dass die attraktive Brünette um halb acht kommen würde und sich schläfrig einer Scheibe Toast widmete, indessen sie ein Glas Orangensaft schlürfte und ihre Anwesenheit kaum wahrnahm, bis sie nicht mindestens die erste Hälfte ihres Kaffees getrunken hatte.

      Immer wieder amüsierte sich Dederike über die Unterschiede zwischen den beiden Frauen – da war einerseits Marieke, die immer frisch und perfekt rüberkam und bereit für den Tag, wenn sie das Schlafzimmer verließ; und Kristiina, die mehr herausschlurfte als das sie ging, Welten davon entfernt, anmutig erscheinen zu wollen – zumindest innerhalb der ersten morgendlichen Stunde.

      Nach dem Frühstück räumte Dederike die Küche auf und machte sich an die restlichen anliegenden Arbeiten. In den ersten Tagen hatte ihr Marieke eine umfassende Liste gegeben, auf der die Dinge standen, die sie von ihr erwartete, dass sie erledigt wurden. Die Aufstellung enthielt alles, vom Waschen, Bügeln, Reinigen oder Bettenmachen, bis hin zu Dingen, die sie nur zu überwachen hatte, weil sie nur von Handwerkern ausgeführt werden durften, wie das Überprüfen der Poolfilter oder des Sicherheitssystems.

      Obwohl sie sich durch ihr Studium zu Höherem berufen fühlte, fand sie bald Gefallen an ihrer Arbeit und der sich wiederholenden Monotonie. Das Haus war für sie ein überwältigender, angenehmer Ort zum Leben und Arbeiten, und ihre beiden Arbeitgeberinnen waren in ihrer Art so entspannt, dass sie dem Himmel oft für den Sternstaler, der ihr durch die Anzeige in ihren Rock ihres Kleides gefallen war – und sie in dieses bezaubernde Umfeld stolpern ließ.

      *

      Es vergingen einige Wochen, bis Dederike an einem Dienstag erstmals das Gefühl bekam, dass die Dinge hier im Haus der van der Lindens nicht ganz mit dem Eindruck übereinstimmte, den sie gewonnen hatte.

      Der Dienstag war ein Waschtag, und sie verbrachte den größten Teil des Nachmittags in der Waschküche, sortierte endlose Stapel schmutziger Kleidung und fragte sich, wie zwei Frauen so viele verschiedene Outfits tragen konnten. Es war Spätsommer, und die Luft warm, dick und es war schwül, was es äußerst unangenehm machte überhaupt Zeit in der Waschküche zu verbringen.

      Am späten Nachmittag war sie schweißgebadet und wünschte sich, sie wäre an einem kühleren Ort. Als sie endlich mit der letzten Ladung beschäftigt war, atmete sie erleichtert auf und nahm sich vor, die Waschmaschine später zu leeren, wenn es sich etwas abgekühlt hatte. Dann ging sie ins Haus zurück, um sich ihren restlichen Aufgaben zu widmen.

      Als sie ins Wohnzimmer kam, fand sie Kristiina auf dem bequemen Ecksofa vor, wie so oft in der letzten Zeit. Sie wirkte lässig und entspannt, ein starker Kontrast zu ihrem eigenen zumeist unruhigen und oft verblüfften Auftreten.

      »Ah, Dederike«, meldete sich Kristiina und schaute von dem Buch auf, in dem sie las. »Ich frage mich, ob Sie ein Schatz wären und etwas Eistee für mich besorgen würden?«, fragte sie mit einem kurzen Flattern ihrer Wimpern. »Sie können gern meinen Wagen nehmen.«

      Dederike nickte. Sie war es inzwischen gewohnt, zum Einkaufen geschickt zu werden, und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann begrüßte sie gerade die Aussicht, die fünfzehn bis zwanzig Minuten in einer klimatisierten Limousine zu sitzen, die es brauchte, um bis zu dem Laden zu fahren. Sie drehte sich um und ging aus dem Haus, nur kurz innehaltend, um ihre weiße Schürze, die Handschuhe und das Häubchen zu entfernen und alles sorgsam auf ihr Bett zu legen.

      Der Einkauf verlief ereignislos und eine halbe Stunde später kam sie wieder im Haus an. Es war kurz vor sechs. Marieke war heimgekehrt und sie musste immer noch das Abendessen vorbereiten. Also machte sie sich an die Arbeit und vertiefte sich in die verbleibenden Aufgaben des Tages.

      *

      Um einundzwanzig Uhr war ihre Arbeit beendet. Sie ging in ihr Zimmer und ließ sich auf ihr Bett zurückfallen, ohne sich die Mühe zu machen ihre Uniform auszuziehen. Sie war erschöpft und es war nur unmerklich abgekühlt. Sie seufzte, stützte sich auf ihre Ellbogen und bemerkte plötzlich, dass sie etwas vergessen hatte – etwas, das ihr aber einfach nicht einfallen wollte. Sie setzte sich auf und runzelte nachdenklich die Stirn. Es frustrierte sie, etwas übersehen zu haben, was ihr partout nicht in den Sinn kommen wollte. Nach einigen Minuten erinnerte sie sich endlich und schlug sich verärgert über sich selbst mit der flachen Hand gegen die Stirn. Die letzte Wäscheladung! Ich hab' die Wäsche nicht rausgenommen!

      Sie überlegte, ob sie die Kleidung über Nacht in der Trommel belassen sollte, kam aber zu dem Entschluss, dass sie diese dann am nächsten Morgen noch einmal waschen müsste, um den feuchten Geruch herauszubekommen. Schweren Herzens stand sie wieder auf und machte sich auf den Weg in die Waschküche. Ihre schmerzenden Füße stimmten ein Protestlied an, aber sie biss die Zähne zusammen und zwang sich zum Handeln.

      Nachdem sie in der Wäscherei ankommen war, nahm sie die Sachen heraus und stopfte sie in den Trockner. Der kann ja vor sich hinlaufen. Ich kümmere mich morgen um den Rest, dachte sie, seufzte erleichtert und machte sich auf den Rückweg. Sie war rechtschaffend müde und wollte nur noch in ihr kuscheliges Bett.

      Als sie durchs Haus zurücklief, bemerkte sie, wie ruhig und friedlich es war. Kristiina und ihre Frau waren früh zu Bett gegangen. Es war dunkel und still. Das einzige Geräusch war das ständige sommerliche Lied der Insekten im Garten. Sie trat durch die Küche in den langen Flur, der sich über die gesamte Länge des Hauses erstreckte und vernahm, als sie am Hauptschlafzimmer vorbeikam, leise verwaschene Wortfetzen einer Unterhaltung. Sie verlangsamte ihren Schritt, weil sie nicht wollte, dass Marieke zu dieser späten Stunde noch auf sie aufmerksam wurde. Zu ihrer Überraschung war die Tür zum Schlafzimmer leicht geöffnet, sodass ein dünner, warmer Lichtstrahl den Flur erhellte. Auf leisen Sohlen schlich sie vorbei und blickte nach links. Sie schämte sich ein wenig, weil ihre Neugier die Schuld des Voyeurismus besiegte.

      Abrupt blieb sie stehen und schnappte erschrocken nach Luft. Sie blinzelte ein paar Mal und versuchte durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen zu sehen. Dabei achtete sie darauf sich möglichst verborgen im Schatten der Dunkelheit zu halten.

      Auf der ihr abgewandten Seite des Bettes saß Marieke. Sie trug einen schwarzen Halbschalen-BH, einen breiten Hüftgürtel und ein Höschen. Wie immer wirkte sie makellos und sehr kontrolliert. Ihre langen, wohlgeformten Beine, die in hautfarbenen Nylons steckten, waren gekreuzt. Müßig feilte sie ihre Fingernägel.

      Neben dem Bett kniete Kristiina auf dem Boden. Bis auf eine schwarze Augenmaske aus Satin war sie völlig nackt. Ihre Arme waren hinter dem Rücken verschränkt, wobei ihre Hände ihre Ellbogen umklammerten. Ihren Busen hatte sie provokant nach vorne geschoben. Sie wirkte tief konzentriert. Ihr Kopf war leicht gesenkt und sie schien durch die zarte Augenbinde auf Mariekes Füße zu starren.

      Dederike spürte, wie sich ihr Herzschlag erhöhte – angeheizt von der Angst entdeckt zu werden und dem Nervenkitzel diese, nicht für ihre Augen bestimmte, Szene zu beobachten. Sie wusste, dass sie besser gehen und den beiden ihre Privatsphäre gewähren sollte. Aber sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Füße fühlten sich an, als seien sie fest mit dem Fußboden verwachsen – so als hätten sie gleich einem Baum tiefe Wurzeln geschlagen. Sie atmete flach und gleichmäßig, darauf sich durch kein Geräusch zu verraten, im unbedingten Wunsch mehr zu sehen. Letztlich war es ihre Neugier, die sie entgegen ihres besseren Urteilsvermögens in ihrem Versteck verharren ließ.

      »Du scheinst mir nicht glücklich zu sein«, bemerkte Marieke, indessen sie noch immer geistesabwesend an ihren Nägeln feilte. Ihre Stimme war sanft und leise, kaum mehr als ein kehliges Flüstern.

      Kristiinas Kopf bewegte sich leicht nach oben. »Ich bin ... Du weißt, dass ich glücklich bin. Ich liebe dich. Es ist nur ... Ich mache mir Sorgen«, erwiderte sie, begleitet von einem unruhigen, bangen Tonfall.

      Dederike fragte sich, worüber sie redeten.

      »Erinnerst du dich, worüber wir gesprochen haben? Warum ich das mache?« Marieke legte ihre Nagelfeile beiseite und streckte ihre Handfläche aus, um die Wange ihrer Frau zu streicheln.